Datengetriebene Geschäftsmodelle im Internet der Dinge

von Bernhard Steimel
17. Oktober 2023

Datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen, wenn große Datenmengen (Big Data) miteinander verknüpft werden. Dadurch werden sie zu Smart Data, aus dem Wissen gewonnen werden kann. Dies wiederum ist die Basis für die neuen datenbasierten Geschäftsmodelle. 

Hinweis: Dieser Beitrag vom 25.11.2016 ist im Oktober 2023 überarbeitet worden.

Neue Geschäftsmodelle eröffnen sich für diejenigen, die das immense Potenzial von Daten innovativ zu nutzen wissen: Big Data wird zu Smart Data veredelt und in neuen, individuell kombinierbaren Smart Products und Smart Services monetarisiert. 

Wenn digitale Daten genutzt werden, entstehen disruptive Geschäftsmodelle. Jedes Unternehmen – von Beratungsunternehmen für die Analyse und Nutzung von Smart Data über produzierende Unternehmen bis hin zu ausschließlich datengetriebenen Dienstleistern – kann von Smart Data profitieren und datengetriebene Geschäftsmodelle etablieren. Auch für KMU wird es in Zukunft möglich sein, Dienstleistungen und Softwaresysteme zu nutzen, die aufgrund heutiger Lizenzgeschäftsmodelle noch nicht finanzierbar sind.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Praxisleitfaden „Internet der Dinge“. Er bietet praktische Hilfe für Unternehmens-Entscheider, die ihre Geschäftsmodelle an die Dynamik der Digitalisierung anpassen wollen. Sie können den Leitfaden kostenlos herunterladen.

Smart Data, smart Products

Smart Products sind Produkte, die mit Sensoren ausgestattet und mit dem Internet verbunden sind. Ihre Fähigkeit, Daten zu sammeln, zu analysieren, zu senden und zu empfangen, macht sie intelligent. In naher Zukunft werden Smart Products:

  • Aufgaben selbstständig ausführen und mit anderen Dingen kommunizieren
  • sich selbstständig an die Bedürfnisse des Benutzers anpassen
  • sich selbst aktualisieren
  • ihre laufenden Kosten selbständig senken, sich selbst optimieren und ihre Produktivität steigern
  • Gefahren oder Ausfälle erkennen und entsprechend handeln.

Unternehmen können ihren Kunden über den eigentlichen Produktnutzen hinaus Mehrwerte bieten, wenn die Produkte Daten sammeln können, also smart sind. Es entstehen zusätzliche Dienstleistungen, so genannte Smart Services. Geschäftsmodelle beschränken sich damit nicht mehr auf eine reine Produktorientierung, sondern sind zusätzlich daten- und servicegetrieben. Daraus ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für neue, bisher unbekannte Geschäftsmodelle.

Mit Hilfe von Smart Data können Kundenbedürfnisse vorweggenommen und befriedigt werden, bevor sie dem Nutzer selbst bekannt sind. Dieser Wandel von produkt- zu nutzerzentrierten Geschäftsmodellen erfordert ein Umdenken vor allem in traditionellen Unternehmen. Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben und von den Chancen des Internet der Dinge profitieren wollen, müssen daher proaktiv ihre Geschäftsmodelle überdenken oder unter Umständen sogar selbst disruptiv tätig werden.

Klöckner handelt disruptiv
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Der Stahlhändler KLÖCKNER & CO weiß das Thema IoT und Industrie 4.0 zu nutzen und spielt lieber selbst den disruptiven Zerstörer, bevor es jemand anderes tut: Chef Gisbert Rühl (55) hatte sein persönliches Erweckungserlebnis im Silicon Valley. Dort erkannte er, wie der digitale Fortschritt dem Geschäftsmodell von Klöckner gefährlich werden könnte.

Rühl tat sich daraufhin mit der Berliner Consultant-Firma Etventure zusammen. Die analysierte erst einmal die Kundenwünsche, um anschließend neue Tools zu entwickeln – alles binnen drei Monate. Nach herkömmlicher Methode „hätten wir anderthalb Jahre gebraucht“, sagt Rühl. Jetzt will er Stahl online verkaufen. In einer sehr traditionsbehafteten Branche ein echtes Novum.

Die Vision: Am Ende der Reformkette soll eine gemeinsame Stahlhandelsplattform stehen, die Daten von Lieferanten und Kunden enthält und über die der intelligente Stahlträger irgendwann selbst seinen eigenen Nachschub ordert. Klöckner selbst will der Organisator der Plattform sein und damit auf ein neues Geschäftsmodell setzen.

Vor allem die Frage nach der Value Proposition und den Prozessen der Wertschöpfung muss infrage gestellt und überarbeitet werden. Auch die Relevanz von dynamischen Geschäftsnetzwerken und Kooperationen wird zunehmen, da Branchengrenzen mehr und mehr aufbrechen. Bisher branchenfremde Unternehmen können zudem zu starken Wettbewerbern werden.

Datengetriebene Geschäftsmodelle mit Smart Data

Ralph Hofman und Arent van’t Spijker von BlinkLane Consulting haben fünf datengetriebene Geschäftsmodelle (Data-driven Business Model Patterns) auf Basis von Osterwalders/Pigneurs bekanntem Business Model Canvas identifiziert. Wie für alle Geschäftsmodellmuster gilt, dass sie sowohl in ihrer idealtypischen Form, als auch kombinatorisch umsetzbar sind.

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Muster 1: Basis-Data-Sales

Unter Basis-Data-Sales versteht man den Verkauf von Daten zwischen Unternehmen. Hierbei handelt es sich um Daten, die sowieso bei der Leistungserstellung anfallen. In der Regel werden die Daten roh, also unverarbeitet (u.U. jedoch anonymisiert) verkauft. Es handelt sich um das simpelste Muster.

Muster für datengetriebene Geschäftsmodelle: Verkauf von Smart Data

Eine Bank bietet ihren Kunden (A) ein Girokonto an und sammelt Transaktionsdaten. Die Bank kann nun (anonymisierte) Daten an Dritte (B), z.B. Einzelhändler verkaufen, damit diese aus den Kundendaten wertvolle Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten schließen können. Die Bank fügt ihrem bestehenden Angebot „Girokonto für Bankkunden“ also ein neues Leistungsangebot (Kundendaten) für eine neue Kundengruppe (an den Kundendaten interessierte Einzelhändler) hinzu.

Muster 2: Product Innovation

Hierbei werden Daten genutzt, die durch den Kauf und die Nutzung eines Produkts generiert werden, um ein neues Produkt oder eine Ergänzung zum Originalprodukt anzubieten. Es lassen sich somit komplett neuartige Produkte herstellen oder bestehende verbessern. Vor allem Ersteres kann zu einer innovativen Value Proposition führen, wobei sich auch bisher fremde Kundengruppen erschließen lassen.

Muster für Geschäftsmodelle: Innovation

Eine Bank kann ihren Online-Banking-Service erweitern, indem sie ein „Haushaltsausgaben-Dashboard“ anbietet. Dieser Service kann erst dank aus Kundendaten gewonnener Erkenntnisse entwickelt und gegen eine geringe Gebühr zusätzlich zum bestehenden Online-Banking vom Kunden (A) wahrgenommen werden. Durch die Nutzung beider Dienste werden diese wiederum – mithilfe von Datenanalyse – permanent weiterentwickelt. Das Dashboard ist auch losgelöst von einem Bankkonto dieses Instituts nutzbar. So können es auch Kunden anderer Banken verwenden, um ihre Ausgaben besser im Blick zu behalten (B).

Muster 3: Commodity Swap

Hierbei werden durch den Kauf oder die Nutzung eines bestehenden Handelswaren-Produkts (oder eines Services) Daten generiert, die wiederum verwendet werden, um ein neues, komplementäres Produkt anzubieten – das untrennbar mit dem bestehenden verknüpft ist – und sich somit von der Konkurrenz zu differenzieren.

Muster für Geschäftsmodelle: Komplentärprodukte

Ein Energieversorger (X) bietet Stromverträge an. Diese Verträge beinhalten auch die Installation von „Smart Meters“, die den Stromverbrauch messen. Durch diese Daten kann der Stromanbieter zusätzlich ein „Smart Thermostat“ anbieten, das den Stromverbrauch nutzungsadäquat regelt.

Muster 4: Value Chain Integration

Hierbei tauschen verschiedene Unternehmen Daten aus, um Kosten zu senken oder ihre Wertschöpfungsaktivitäten zu optimieren.

Muster für Geschäftsmodelle

So können bspw. ein Supermarkt (X) und ein Getränkelieferhandel (Y) mithilfe von Echtzeitdaten ihren Bedarf genau berechnen und die Lieferung (automatisiert) aufeinander abstimmen.

Muster 5: Value Net Creation mit Smart Data

Bei diesem Muster arbeiten mehrere Unternehmen zusammen, um ein identisches Kundenbedürfnis zu befriedigen und ein optimiertes Nutzenerlebnis zu gewährleisten. In der Regel wird bei dieser Kooperation ein identisches Kundensegment bedient. Jedes Unternehmen ist somit Teil eines „Value Creating Systems“ und übernimmt quasi einen Teilaspekt einer großen Wertschöpfungskette. Es werden also verschiedene Geschäftsmodelle unterschiedlicher Unternehmen durch Zusammenarbeit kombiniert.

Muster für datengetriebene Geschäftsmodelle: Smart Data

Bucht ein Fluggast (A) bei einer Airline (Y) einen Flug, werden die Daten an einen Datenverarbeiter (Z) weitergeleitet, der die Bedürfnisse des Fluggastes erkennt und diese an eine Hotelkette (X) sendet. Zimmer dieser Hotelkette können bei der Buchung des Fluges dann direkt mitangeboten werden.

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