Anpassungsfähigkeit bringt Unternehmen nach vorne – auch in der Krise

von Ingo Steinhaus
20. April 2021

Bei Business Resilience geht es um Anpassungsfähigkeit, nicht um die Abschirmung gegen negative Einflüsse von außen, sagt Anne M. Schüller, die führende Expertin für Customer Touchpoint Management und kundenzentrierte Unternehmensführung.

„Resilienz ist mir zu passiv: Die Unternehmen schützen sich, bauen Schutzschilde auf und werden dadurch starr.“

Anpassungsfähigkeit in der Krise

Der Begriff „Business Resilience” ist durch die Coronakrise in der Diskussion. Es ist aber nicht immer klar, was damit gemeint ist. Wie würden Sie diesen Begriff definieren?

Oft wird unter Business Resilience lediglich Widerstandsfähigkeit verstanden. Sehr viele Unternehmen streben danach, sind dabei aber stark nach innen fokussiert. Da geht es dann um Selbsterhaltung, Effizienz und Kostensenkung.

Man hat sogar häufig den Eindruck, dass die Kunden dabei eher im Weg stehen. Doch das ist heutzutage nicht mehr zukunftsfähig. Resilienz als Begriff ist mir zu passiv: Die Unternehmen schützen sich, bauen Schutzschilde auf und werden dadurch starr.

Junge Unternehmen aus der Digital- und Technologie-Szene erreichen Krisenfestigkeit durch etwas anderes: Durch Adaptivität oder Anpassungsfähigkeit. Das liegt daran, dass diese Unternehmen in einem völlig neuen Stil denken. Ihnen geht es um Offenheit, Dynamik, Flexibilität, Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit – also die Fähigkeit, sich rasch an ständig verändernde Umgebungen anzupassen.

Dafür nutzen diese Unternehmen Digitalisierung, Schnelligkeit und als wichtigstes den „Pivot”, den schnellen Wechsel des geschäftlichen Fokus. Start-ups geben dabei ihre bisherigen Absichten auf und richten den Fokus auf etwas anderes.

Ein Beispiel: Ein Gaming-Start-up scheitert an der Entwicklung des Spiels, die Geschäftspartner interessierten sich jedoch für die interne Kommunikationsplattform der Entwickler. Das Ende der Geschichte: Slack wurde geboren, ein erfolgreicher Business-Messenger.

Diese verschiedenen Merkmale sorgen dafür, dass zahlreiche Start-ups eine hohe Adaptivität und damit Widerstandsfähigkeit erreichen.

Das Interview ist ein Auszug aus dem Trendbook Business Resilience. Wenn Sie mehr erfahren wollen, können Sie das Trendbook als kostenloses E-Book herunterladen.

Erfolgreicher Wandel in Unternehmen

Ist es vorstellbar, dass ein traditionelles Unternehmen, etwa ein Großkonzern, eine solche Wende hinbekommt? Gibt es Tanker mit Schnellbootqualitäten?

Herkömmlichen Unternehmen mit ihren Silos und Top-down-Strukturen fällt das schwer. Um die Anpassungsfähigkeit der Technologie-Unternehmen zu erreichen, müssen sie ihre eigenen Strukturen ändern. Andernfalls werden sie über kurz oder lang von den Märkten verschwinden.

Theoretisch weiß das jeder Manager und jeder Vorstand – als Lippenbekenntnis. Ich nenne das gerne verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre. Das liegt oft daran, dass mit den vorhandenen Strukturen auch Karrieren und Karrierepläne verbunden sind.

Aber es gibt auch Unternehmen, denen tatsächlich der Wandel gelungen ist. Ein Beispiel ist ein Hersteller im von Kristallglas, er vertreibt Schmuck, aber auch Industriekristalle. Die Kunden in diesem B2B-Bereich waren unzufrieden mit den bürokratischen und langsamen Strukturen. Kurz gesagt: Sie brauchten schnelle Reaktionen ihres Zulieferers, um ihrerseits schnell auf Kundenanforderungen reagieren zu können.

Das Unternehmen ist auf die Kundenanforderung eingegangen – um sie nicht zu verlieren. Der Schlüsselmoment war die Erkenntnis des Managements: Wir und unsere umständlichen Entscheidungswege stehen dem Ganzen im Weg, wir müssen in den Hintergrund treten. Anschließend ist es gelungen, sämtliche Prozesse neu zu organisieren und die Kunden damit besser zu bedienen.

„Um die Anpassungsfähigkeit der Technologie-Unternehmen zu erreichen, müssen Firmen ihre eigenen Strukturen ändern. Andernfalls werden sie über kurz oder lang von den Märkten verschwinden.“

Anpassungsfähigkeit erreichen

Wie können Unternehmen den Wandel beschleunigen und Adaptivität erreichen?

Die hierarchische Organisation muss sich zu einer wandeln, die um einen Unternehmenszweck und die Kunden herum angeordnet organisiert ist. Ich nenne diese Form das Orbit-Modell. Das Management „umkreist” die Kunden, die ins Zentrum rücken. Auch die Mitarbeiter haben eine andere Rolle, sie sind nicht mehr „unten”, sondern gleichrangig mit Partnern und Management.

Das Orbit-Modell

Solche Wandlungsprozesse sind schwierig, deshalb sollten die Unternehmen sie nicht auf einmal sondern in Angriff nehmen. Und sie sollten in einem Bereich beginnen, in dem es bereits Interesse am Wandel gibt, etwa durch Kritik am Management oder den Wunsch, anders zu arbeiten.

Dieser Bereich erhält nun neue, agile und adaptive Prozesse. Letztlich wird in einem Teil der Organisation experimentiert. Dadurch entsteht eine Gruppe von Mitarbeitern, die gerne in der neuen Art selbstorganisiert arbeiten. Das gibt erste Erfolgserlebnisse und andere Mitarbeiter werden auf den Wandel aufmerksam. Anschließend folgen die Skeptischen und Vorsichtigen.

Ein wichtiger Aspekt dabei: Unternehmen sollten nicht gegen Widerstand ankämpfen. Die Mehrheit kommt nach einiger Zeit freiwillig mit, weil die Neuorganisation einfach besser ist. Am Ende wird es zwar noch Blockierer geben, doch sie werden das Unternehmen freiwillig verlassen.

Das Interview ist ein Auszug aus dem Trendbook Business Resilience. Wenn Sie mehr erfahren wolenn, können Sie das Trendbook als kostenloses E-Book herunterladen.

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