Vom Service Manager zum Community Manager

von Team Redaktion
2. Dezember 2010
Die Tugenden eines Community Managers. Smarter Service Talk mit Brian Kling

Neue Trends 2010: Die Kundenversteher auf dem Vormarsch?

Wer in diesen Tagen den Fernseher zur besten Werbezeit anschaltet, wird erkennen, dass die Zeiten von „Geiz ist Geil“ vorbei sind und immer mehr Unternehmen auf den Zug der Serviceorientierung aufspringen: Die ERGO-Gruppe präsentiert sich als der neue Kundenversteher der Versicherungsbranche, 1&1 schickt den Leiter Kundenservice ins Rennen für mehr Kundennähe und beim Kabelnetzbetreiber Kabel BW wirbt direkt das ganze Internet(t) Team für Servicegarantien. Kundenfokussierung kommt in den Marketingabteilungen wieder in Mode. Damit wächst die Rolle des Service als markenbildendes Element.

Eine neue Servicephilosophie: Marketing als Service am Kunden

Damit dieser Trend nachhaltig wirkt und Marketing zukünftig als Service am Kundenverstanden wird, ist eine neue „smarte“ Servicephilosophie gefordert, die unter den veränderten Rahmenbedingungen die Kundensicht zum Ausgangspunkt macht.

Kunden erwarten heute eine permanente Verfügbarkeit von Services in allen Lebenslagen: Von unterwegs, zuhause, im Büro. Der Service muss das Anliegen schnell, einfach und zuverlässig bearbeiten. Und das alles zu fairen und transparenten Kosten. Das erfordert Serviceangebote, mit denen sich Kunden selbst oder untereinander helfen können. Eine aktuelle DeTeCon-Studie kommt zum Ergebnis „die Relevanz von Self Services und Social Media für den Kundenservice wird in Zukunft deutlich zunehmen. Gleiches gilt für den E-Mail-Kanal. Das Telefon wird seinen Stellenwert als höchst frequentierter Service-Kanal weiterhin stabil behaupten, jedoch in seiner Bedeutung stagnieren, während die ‚jüngeren‘ Kanäle zulegen.“

Aus Unternehmenssicht müssen diese Kanäle vor allem effizient und zuverlässig im Zusammenspiel funktionieren, um positive Kundenerlebnisse zu schaffen und so die Weiterempfehlungsquote und damit Umsatz und Ergebnis zu steigern.

Aktuelle Smart Service Innovationen

Smarte Services bieten je nach situativen Anforderungen des Nutzungskontexts eine umfassende Unterstützung des Kunden. Dabei ist der Einsatz neuer Technologien kein Selbstzweck, sondern steht immer im Dienst des Kundennutzens und der Serviceziele. Der von der Smart Service Initiative vergebene Smart Service Award prämiert Dienste in den wichtigsten Kundenkanälen, die persönlichen Service und Automatisierung in perfekter Art und Weise miteinander verknüpfen. Hier drei Beispiele:

Das VWP-CLC ist ein dynamisches Anruf-Routingsystem des Internetproviders 1&1. Es zeichnet sich durch eine außerordentliche Effizienz und Routingintelligenz aus. Der Kunde wird anhand seiner Rufnummer automatisch erkannt, erhält nur die für ihn persönlich relevanten Informationen und wird komfortabel vermittelt. Teilweise kann das Kundenanliegen direkt durch passgenaue Systemansagen fallabschließend bearbeitet werden.

Der DB Navigator ist eine iPhone-App der Deutschen Bahn Vertrieb, die den Kunden der Bahn sowohl eine Fahrplanauskunft, als auch den mobilen Kauf von Fahrkarten ermöglicht. Der Service überzeugt durch eine gute Übersichtlichkeit und eine komfortable Bedienung. Geradezu herausragend sind die Echtzeit-Informationen, die den Nutzer über aktuelle Verspätungen informieren.

Die Online-Beratung von Alice ist im Kern ein simpler Chat und dementsprechend einfach zu bedienen. Der Online-Chat bietet sich kontextsensitiv über ein Popup an, wenn der Kunde sehr lange auf einer Seite verweilt oder gar den Kaufvorgang abbricht. Die Qualität der Beratung ist gleichermaßen freundlich, kompetent und verständlich.

Service Engineering: In Konstruktionsbüros für Dienstleistungen investieren

„Wenn man Services entwickelt, muss man das genauso akribisch und methodisch tun, wie wir das von Hardwareprodukten gewohnt sind. Dazu gehört Entwurf, Evaluierung, Test, Prototyping etc. Aber alle diesen Dinge unterbleiben. Ich kenne viele Unternehmen, die ein Konstruktionsbüro haben, aber ich kenne nicht eines, das ein Konstruktionsbüro für Dienstleistungen hat“, Prof. Spath, Leiter des Fraunhofer IAO und Schirmherr der Smart Service Initiative.

Vom Frauenhofer-Institut wurde der Begriff „Service Engineering“ geprägt. Die Methodik setzt auf die Hardwaregestaltung von Produkten auf und berücksichtigt die Besonderheiten der Dienstleistungsentwicklung

Neues Rollenverständnis: Vom Brandschutzmeister zum Kundenanwalt

Customer-Service hat vielfach die Rolle der Feuerwehr. Bei Produktgestaltung und Marketing-Kommunikation steht er oft am Ende der Nahrungskette und muss das auslöffeln, was andere verbockt haben. Jetzt heißt es, seine Position als „Anwalt des Kunden“ und als Berater im Produktentwicklungsprozess zu stärken und die End-to-end Verantwortung für Kundenprozesse zu erlangen. Einen wichtigen Hebel stellt dabei die Einführung des Verursacher-Prinzips durch Customer Feedbackmanagement über alle Kanäle dar.

Unified Service statt Unified Communications

Auch wenn in den letzten Jahren viel getan wurde, um neue Service-Kanäle am Arbeitsplatz der Servicemitarbeiter einzubauen, sind doch die meisten Unternehmen aufgrund überkommener Prozessorganisation und veralteter IT- und Kommunikationssysteme nicht in der Lage konsistente Serviceerlebnisse über verschiedene Kanäle zu bieten. Statt jedoch in die Technikfalle zu tappen, sollten sich Entscheider zunächst damit beschäftigen wie sie aus Kundensicht durchgängige Verantwortlichkeiten schaffen. (Per Jonson)

Servicemitarbeiter als Markenbotschafter

Unternehmen wie Carglass zeigen, wie Servicemitarbeiter erfolgreich zu Markenbotschaftern werden. „Unsere Mitarbeiter sind unsere Werbestars“, sagt Torsten Müller, Mitglied der Geschäftsleitung bei Carglass. Das mache Carglass authentisch und habe den schönen Nebeneffekt: Nach jeder Werbeschaltung steige der Umsatz in der Filiale deutlich an, aus der der Mitarbeiter stammt, der im TV-Spott mitwirkt.

Social Media von der PR-Abteilung zurück erobern

Der Hype um Social Media in diesem Jahr hat zwei Dinge gezeigt. Erstens: Es macht Sinn gut zu zuhören, um die Sprache des Kunden in diesem neuen Medium kennenzulernen, bevor man sich in den Dialogmodus begibt. Zweitens: Die meisten Unternehmensinitiativen werden von Marketing & PR-Abteilungen geführt, obwohl Kunden Social Media vielfach als Servicekanal begreifen. Um den Servicekanal von den PR-Abteilungen zurück zu erobern, muss zunächst gemessen werden, wie viele Servicenanfragen tatsächlich auflaufen und es sollte zumindest ein Verbindungsoffizier sin das Social-Media-Team entsandt werden.

Neues Mitarbeiterverständnis: Vom Callcenter-Agenten zum Dialogmanager

Thomas Dehler, Geschäftsführer von Value5 ist sich sicher: „Es gibt keinen ‚Callcenter-Agenten‘. Das ist ein absoluter Steinzeitbegriff. Es gibt den Dialogmanager. Und der Dialog hat Kommunikationswerkzeuge – ob das jetzt ein Video oder ein Tweet ist. Man muss die Dialogkanäle bündeln und dann wird sich zeigen, dass der eine, der sehr gute E-Mails verfasst, sich nicht für einen Video-Clip eignet und der andere, der sehr gut frei spricht, nicht für redaktionelle Textarbeit geeignet ist. In den Unternehmen müssen die relevanten Profile für den relevanten Kanal gesichtet werden.“

Professionelles Crowdsourcing: Kunden als leidenschaftliche Berater

Innovatoren wie Value5 zeigen, das Modell „Kunden helfen Kunden“ funktioniert auch für das professionelle Servicegeschäft.

„Durch die gezielte Rekrutierung von Menschen, die im Internet bereits durch Expertenbeiträge auf sich aufmerksam machen, nutzt man die Leidenschaft und die Empfehlungen von Kunden, die einer Marke oder einem Produkt treu bleiben, indem man sie als ‚freie Mitarbeiter‘ in Servicestrecken einbindet“, erläutert Dehler.

Neues Managementprofil: Vom Service zum Community-Manager

Der Unterschied zwischen Service- und Community-Manager besteht zum einen darin, dass es die Community den Kunden ermöglicht, auf vielen Kanälen mit dem Unternehmen Kontakt aufzunehmen und man nicht versucht, den Kunden auf einen Supportkanal zu leiten. Gleichzeitig muss man aus den Dingen, die die Kunden einem mitteilen etwas machen.

Mymüsli Gründer Max Wittrock stellt dazu fest, „ich glaube, man wird nicht einfach vom Service- zum Community-Manager, sondern neben den Aspekt des Service-Managers tritt der Aspekt des Community-Managers. Man sollte also beide Rollen einnehmen. Die Gesetze der Old-Economy gelten ja alle nach wie vor. Wenn man es schafft, diese mit neuen Ansätzen zu kombinieren, mit Community-Tools, mit Social-Media-Marketing, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.“

Zukunftsperspektiven für Call Center-Dienstleister

Für die Zukunft der Call Center möchte ich abschließend eine Analogie bemühen. In der Werbewirtschaft haben sich in den letzten 30 Jahren große Agenturnetzwerke gebildet, die ihre ganze Identitäten aus der Bewirtschaftung von großen Werbeetats geschöpft haben und primär Massenkommunikation über TV, Print und Mailings entwickelt haben. Die führenden Werbeagenturen haben in den letzten zehn Jahren alle eigene „Digital“ Ableger gegründet, die den Marken-Dialog in den neuen Medien entwickeln.

Im Jahre 2010 vollzieht sich nun eine bedeutsame Wendung: BBDO beruft den Geschäftsführer der Digital-Tocher Proximity in die Geschäftsführung der Holding und firmiert im nächsten Jahr zu BBDO Proximity um. Ähnliches passiert bei anderen Agenturnetzwerken wie Ogilvy oder Grey. Eine Traditionsmarke wie Springer & Jacoby musste in diesem Jahr schließen, weil sie diesen Zug der Zeit verpasst hatte.

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