Customer Experience Exchange: Kundenversteher als Kultur-Revolutionäre

von Bernhard Steimel
5. Dezember 2011
7 Gründe für gutes User Experience Design in der Softwareentwicklung

Customer Experience Manager sind eine besondere Gattung von Menschen. Sie besitzen eine hohe soziale Intelligenz und bringen eine extra Portion Empathie mit. Als Anwalt des Kunden betrachten sie die Prozesse aus Kundensicht, jedoch oftmals ohne eine operative Verantwortung in der Organisation zu haben. Sie tragen das, was Kunden im Kontakt mit dem Unternehmen als Problem erleben, in die Organisation hinein. Beim Customer Experience Exchange vom 29. November bis 1. Dezember in Berlin trafen sich über 200 dieser Fachexperten aus ganz Europa und den USA zum Gedankenaustausch.

Heart, Mind and Soul

„Customer Experience Management ist eine Geschäftsstrategie, die darauf aufbaut, dass die Mitarbeiter vom Servicegedanken erfüllt sind und sich mit Herzblut für die Kundenanliegen engagieren. Wer dazu nicht bereit ist, hat den falschen Job!“, so Jasmine Green, Chief Customer Advocate von Nationwide. VP Customer Engagement & Products, John-Paul Savant von PayPal weist darauf hin, dass alle Abteilungen, deren Verhalten einen Einfluss auf Customer Engagement haben, involviert werden müssen, also zum Beispiel auch Risk Management oder die Rechnungsabteilung. Sie sieht die cross-funktionale Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor für jedes Customer Experience-Projekt. Des Weiteren sei eine Customer Engagement-Segmentierung wichtig, da Kunden mit einer hohen Empfehlungsbereitschaft klare Vorstellung darüber haben, was ihre Lieblingsmarke für sie tun soll.

Wie man Mitarbeiter auf die Reise mitnimmt, demonstrierte Ica Van Eeden, Chief Customer Officer von Sun international eindrucksvoll in ihrem Vortrag. Um ein konsistentes Kundenerlebnis zu erzielen, stellte sie einen Sechsstufenplan vor, der mit Erzählkunst, Inszenierungen und vielen visuellen Elementen arbeitet und einfache, verständliche Verhaltensregeln vermittelt. Für sie steht fest, dass man die Mitarbeiter mit dem Herzen ansprechen muss. Erstdann gewinnt man ihren Verstand.

Trust is must

Die größten Herausforderungen entstehen dort, wo Unternehmen bereits Kundenvertrauen verspielt haben. Ingrid Lindberg kann aus leidvoller Erfahrung berichten. Zu Beginn ihrer Tätigkeit als Chief Customer Experience Officer bei CIGNA stellte sie fest, dass die eigenen Kunden das Unternehmen hassen. Verwirrende Sprache, frustrierende Prozesse und die komplette Ausblendung der Kundenerwartungen haben eine Vertrauenslücke erzeugt, die dadurch geschlossen wurde, dass Frau Lindberg und ihr Team sich auf zwei Kernmaxime konzentrierte: „simple to work with“ und „easy to understand“. Dabei halfen ethnographische Studien die Sprache zu entwirren. Denn jede Sprachverwirrung kostet das Unternehmen Geld und so wurde zusätzlich eine Fünf Dollar Prämie an Mitarbeiter gezahlt, die halfen das eigene Fachchinesisch zu identifizieren.

Speak softly and have a big stick

Für Curtis Bingham vom CCO Council ist die Durchschlagskraft eines jeden Customer Experience-Programmes davon abhängig, ob der Customer Experience Manager die Autorität erlangt, die Unternehmensorganisation im Sinne des Kunden so zu verändern.
Dieses Ansehen erlangt er zu Beginn durch seine Position im Unternehmen, oftmals als Leiter einer Stabsabteilung im Marketing mit einem roten Telefon zum CEO. Durchschlagskraft bekommt die Initiative erst durch die vom Top Management verliehene Autorität. Nachhaltig wird der Erfolg erst durch die Verdienste, die man sich mit der Zeit erarbeitet.

Zu den Erfolgsfaktoren zählt Bingham, dass der CX-Manager sich zunächst an den Prioritäten der Geschäftsführung ausrichtet, und mit einfachen und verständlichen Reports dafür sorgt, dass die Stimme des Kunden auch in den Fluren der Geschäftsführung zu hören ist. Auch wenn man keine operative Verantwortung trägt, sollte der CX-Manager daher den Hut für alle kundenbezogenen Marktforschungstätigkeiten aufhaben. Eine wichtige Überlebensstrategie bestehe darin, sich unübliche Verbündete zu suchen und bei Bedarf unüberwindbar erscheinende Hindernisse mit der Unterstützung des CEO auszuräumen. Dazu müssen sich die Erfolge eines jeden CEM-Programms in den Geschäftskennzahlen messen lassen und kundenfokussierte Verhaltensweisen ausgezeichnet werden.

Save money to invest in Customer Experience

VP Worldwide Support & Customer Experience Stefan Osthaus von Symantec weist darauf hin, dass Kunden ihr Unternehmen nicht mit dessen Wettbewerbern vergleichen, sondern mit anderen Unternehmen, die ihnen wichtig sind. Er rät jedem zunächst dort anzusetzen, wo offensichtliche Missstände existieren, die nachhaltig das Kundenerlebnis negativ beeinflussen. Für sein Unternehmen bedeutete es zum Beispiel die Installationszeiten sowie den benötigten Arbeitsspeicher zu reduzieren, auch mit der Konsequenz die Microsoft-Zertifizierung zu verlieren.

Sein Credo lautet „Save money to invest in Customer Experience“. Allein durch die Besserung der Selfservice-Quote, von 95 auf 98 Prozent, konnten entscheidende Einsparungen im Call Center erzielt werden, die in den Aufbau einer modernen Service-Infrastruktur investiert wurden.

Digital touch points – Social can rescue me

Der Customer Experience Strategist John Perez von Rightnow stellt die These auf, dass Unternehmen, die keinen Kundenservice im Social Web anbieten, am Ende vom Tag die höheren Kosten im Contact Center akzeptieren. Für ihn tritt Social Media, neben Web und Call Center als der dritter Kanal, der für das Nutzererlebnis zunehmend entscheidend ist. Laut einer aktuellen Gartner Studie wird die Bedeutung von Peer to Peer Support gegenüber Serviceanrufe zu 40 Prozent ersetzen.

Die größte Herausforderung sieht er im „right channeling your interactions“, wenn Firmen damit beginnen die Kundenanliegen dort zu klären, wo sie auflaufen. Aus seiner Sicht wird der Bedarf nach Echtzeit-Support wachsen und es entsteht Notwendigkeit je nach Endgerät und Kontext zu personalisieren. So müssen zum Beispiel Norton Nutzer nicht mehr selbst feststellen, welche Softwareversion sie nutzen, sondern die Prüfung findet automatisch im Hintergrund statt. Um die „Support Experience“ zu verbessern, rät er auch dazu, durch Co-Kreation Kunden in das Interaktions-Design zu involvieren. Auch solle man den Kunden die Möglichkeit bieten ihre soziale Intelligenz durch den Austausch in Foren und Communities zu nutzen. Unternehmen müssen Social Media als Teil ihres Geschäftes verstehen.

From Dell hell to a leading social business company

Bei Dell ist Social Media mittlerweile Teil der Geschäftsstrategie und Treiber einer organisatorischen Transformation des Unternehmens geworden, nachdem Micheal Dell auch durch leidvolle Erfahrung den Einfluss sozialer Netzwerke auf Kaufentscheidungen erfahren hat.
Im Social Media Listing Center werden täglich 26.000 Post zu Dell Produkten und Services verfolgt und auf dieser Basis Interaktionen gestartet.

Aus der Sicht von Michael Buck, Director Online Marketing bei Dell wird klar, „die Kunden wollen uns nicht am Telefon, sondern dort, wo soziale Austauschprozesse stattfinden. Sie beobachten, wie wir mit User Feedback umgehen“. Der besondere Wert des Social Media Monitoring liegt für ihn in der Möglichkeit schon nach Stunden eines weltweiten Produktstarts festzustellen, wie das Produkt aufgenommen und diskutiert wird. „Ein Produkt, das nicht über ein Rating von zwei Sternen kommt, nehmen wir aus dem Katalog“ so der Digital Marketing-Manager.

Alligne the company to one metric: customer feedback

Entscheidend für den Erfolg der Social Media-Strategie ist es, Verhaltensmuster im Social Web zu identifizieren, sie messbar zu machen und darauf Entscheidungen in Echtzeit treffen zu können.
Auch Dell hat sich für den Net Promotors Score als die EINE Kennzahl entschieden, um unternehmerische Entscheidungen am Kunden-Feedback auszurichten. Und es wurden bereits 10.000 Mitarbeiter bei Dell in Sachen Social Media geschult, um eine Kultur der Partizipation in das Unternehmen hinzutragen. Um kundenzentrierte Entscheidungen treffen zu können, müssen Kundenfeedback-Metriken fester Bestandteil der Erfolgskennziffern für Marketing, Vertrieb, Produkt Management und Service gleichermaßen werden. „Wir wissen zum Beispiel, dass unsere Facebook Fans 27 Prozent mehr ausgeben, als unsere Durchschnittskunden“, so Buck.
Für ihn liegt die Zukunft des E-Commerce in der Einbindung von User generierten Inhalten. „Kunden kommen 7-8 Male auf unsere Webseite, bevor sie bei uns kaufen“. Für ihn steht fest, dass in Zukunft 80 Prozent der Inhalte User generiert sein werden.

Mein Fazit: Social Media und Customer Experience Manager sollten sich besser vernetzen, da die Kundenerfahrungen immer mehr von den digitalen Kontaktpunkten geprägt werden und beide Seiten im besonderen Maße das eigne Unternehmen aus der Kundenbrille bewerten und die gleichen Ziele verfolgen, nämlich die Weiterempfehlungsrate und damit den Unternehmenserfolg zu steigern.

2 Kommentare

gunnarsohn 5. Dezember 2011 - 17:37

Reblogged this on Ich sag mal and commented:
Interessant!

Antwort
Peter. 13. Dezember 2011 - 22:14

Sehr interessante Denkansätze – vielen Dank für die ausführliche Zusammenfassung!

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