Aus der Reihe: (K)Eine Standleitung zum Kunden.
Den Schritt vom CRM zum Customer Experience Management zu gehen heißt, konsequent die Kundenperspektive einzunehmen und in Erfahrung zu bringen, wie die Kunden über Produkte und Dienstleistungen denken und was sie empfinden.
Unternehmen müssen genau dieses Kundenverständnis entwickeln, um angemessen auf Marktveränderungen reagieren zu können. Wie sie das erreichen? Hier eine Antwort:
Verschiedene Arten der Kundenbefragung
Als Kristallisationspunkte der Erlebniswelt eines Kunden dienen „Moments of truth“. Es sind diese Momente der Wahrheit, die das Verhältnis zum Unternehmen nachhaltig prägen. Somit lohnt es sich also, Kundenmeinungen entlang der erfolgskritischen Touchpoints systematisch aufzuspüren. Für jedes Verhaltensmuster stehen spezielle Erhebungsmethoden zur Verfügung:
Muster und Zweck | Frequenz der Erhebungen | Methodik |
Frühere Verhaltensmuster Erfasst vergangene Erfahrungen der Kunden
| Kontinuierlich:
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Beispiele: Check von Installations- und Kundenservice oder Neuproduktbestellungen |
Gegenwärtige Verhaltensmuster Tracking aktueller Kundenbeziehungen und deren Erfahrungen
| Periodisch:
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Beispiele: Halbjährliche Kundengruppenreviews, „follow them home“-Userstudien |
Potenzielle Verhaltensmuster Zukünftige Optionen aufzeigen, enthüllen und testen
| Ad hoc (anlassgetrieben):
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Diese Analysen können segmentspezifisch ausgewertet werden. Im Ergebnis lassen sich Kundensegmente evaluieren und Cross Selling-Potenziale einschätzen, wobei interne Segmentierungen wie „Nutzer vs. Nichtnutzer“ oder „Heavy User vs. Light User“ eine wesentliche Grundlage der Analyse darstellen.
Gleichermaßen wichtig wie die saubere Erhebung der Daten sind die Ableitung von Handlungszielen, die Zuweisung von Verantwortlichkeiten, die Einleitung von Maßnahmen und schließlich das Monitoring derselben. Nach der Diagnose darf keinesfalls Schluss sein! Denn sonst wird das teuer erkaufte Wissen um Handlungserfordernisse weder abgeleitet noch umgesetzt.
Aus Kunden-Feedback lernen
Interne Statistiken spiegeln selten die wahren Beweggründe der Kunden wider, deshalb sollten Churn-Analysen nicht nur auf dem Reporting aus dem Customer Service oder ähnlichen Datenquellen beruhen. Die Schwächen interner Statistiken leiten sich wie folgt ab:
- Sie sind nicht repräsentativ (nur ein kleiner Teil der Anrufer gibt Gründe an).
- Die Churn-Gründe werden nicht vollständig erfasst (Precodes statt offene Frage).
- Verwechslung von Anlass (interne Reports) und Gründen (externe Befragung).
Die Erfahrung hat gezeigt, dass externe Befragungen Ergebnisse liefern, die deutlich näher an den Wahrheiten liegen.
Marke und Image
Die Markenpolitik ist ein zentrales Element des Marketing und jeder Verantwortliche weiß, welche Rolle die Marke spielt. Basisaufgabe der Marktforschung ist mithin die Messung der Bekanntheit und des Images von Marke und Produktangebot.
Die subjektive Wahrnehmung eines Anbieters oder der Marke dieses Anbieters durch den Kunden beeinflusst seine Kaufentscheidung und damit auch seine Neigung, den Anbieter zu wechseln. Während sich funktionale Produkteigenschaften mit Zeitverzug kopieren lassen, bleibt die Identität und Persönlichkeit einer Marke, sofern es sie wirklich gibt, über längere Zeiträume in einzigartiger Form erhalten.
Wesentliche Kennzahlen zur Marke sollten deshalb regelmäßig gemessen werden: Wahrnehmung der Marke, welche Assoziationen/Werte/Kernkompetenzen werden transportiert? Wo ist sie im Wettbewerbsumfeld positioniert? Welchen funktionalen/emotionalen Nutzen empfinden die Kunden? Welche Kontaktpunkte zwischen Mensch und Marke haben den größten Einfluss auf das Markenerlebnis?
Advertising Pre-Testing
Es ist dringend zu empfehlen, Werbekampagnen im Vorfeld zu testen, denn schließlich erfordern sie ein erhebliches Maß an Manpower im Zuge der Entwicklung. Auch verschlingen Kreation und Produktion hohe finanzielle Mittel, ganz abgesehen von den Schaltkosten in den verschiedenen Medien.
Steht genügend Zeit zur Verfügung, was vergleichsweise selten der Fall ist, kann die gesamte „Klaviatur“ des Pre-Testing gespielt werden. Aber auch reduzierte Verfahren zugunsten von Drafts oder Storyboards können wichtige Hilfestellungen leisten und Aufschluss darüber geben, ob der richtige Weg eingeschlagen wurde, um die Kommunikationsziele zu erreichen.
In diesem Kontext existiert eine Fülle bewährter Verfahren, die Marktforscher über Jahre entwickelt haben. Die Wahl der jeweiligen Detailtiefe beeinflusst den Zeitbedarf und die Kosten.
Erfahrungen von Experten machen deutlich, dass nur jede dritte Kampagne wirklich zur Schaltung empfohlen werden kann. Diese Entscheidungssicherheit sollte sich jedes Unternehmen leisten.
Advertising Post-Testing
Wirklich aufschlussreiche Ergebnisse erhalten Unternehmen, die nach Schaltung von Kampagnen messen lassen, in welchem Ausmaß die Botschaft bei der Zielgruppe angekommen ist.
Die kontinuierliche Werbeerfolgskontrolle kann alle gewünschten Variablen quantitativ durch Befragung bei der Zielgruppe ermitteln: Bekanntheit, Image, Recall, Werbeinhalte, Prägnanz und Alleinstellungsmerkmal, medienspezifische Bewusstseinsgrade, Werbeeffizienz, Einfluss auf Markenpräferenz und etliche andere.
Auch hier stehen viele bewährte Verfahren bereit, die zum Teil auch zusätzliche Benchmarks anbieten, da eine Fülle von Daten zum Vergleich vorliegen, die zumeist nach der gleichen Methode erhoben worden sind.
Distribution und Vertrieb
Die Verfahren der Marktforscher können auch den Vertrieb sowohl bei der Distributionsstrategie als auch im Zuge operativer Maßnahmen unterstützen.
Oft gehen Markt- und Wettbewerbsübersichten nicht genügend auf vertriebliche Aspekte ein. Deshalb sollte eine Marktübersicht über genutzte Vertriebskanäle und Aktivitäten wesentlicher Player im Markt erstellt werden. Die Mittel sind Desk Research, Expertengespräche sowie der professionelle Dialog mit Händlern und Kunden.
Hilfreich sind Marktforschungsansätze wie Handelsbefragungen (Wie sehen Händler den Vertriebsstatus im Markt?), Handels-Panels (Abverkäufe im Handel), ein Preisbarometer (aktuelle Preise im Handel) und Mailing-Beobachtung (In welchem Ausmaß sind die Player im Direktmarketing aktiv?).
Sofern der Einzelhandel ein wichtiger Vertriebskanal ist, hat sich Mystery Shopping als informative Methode bewährt: Hier kann unter anderem die Empfehlungspräferenz bei beratungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen gemessen werden, und es kann überprüft werden, ob vereinbarte Vermarktungsstrategien von dem Vertriebspartner eingehalten werden.
Zur Unterstützung des Database-Marketings und der Direktvertriebe eignen sich mikrogeographische Potenzialanalysen (Geomarketing), die eine flächendeckende Zielgruppenlokalisierung ermöglichen. Eine regionale Marktplanung und die Spiegelung gebietsbezogener Vertriebserfolge an den Potenzialen der entsprechenden Vertriebsgebiete erleichtern die Beurteilung von Potenziallücken.
Exkurs: Prozess-Check
Seit Jahren bewähren sich Marktforschungsmethoden auch in der Hinsicht, dass Fragen „im Umfeld des Serviceangebotes und der unternehmerischen Prozesse beantwortet werden.
- Mystery Calls beim Call Center: Ergänzend zu hausinternen Analysen bieten extern durchgeführte, wirklich unabhängige Mystery Calls wertvolle Einsichten in die Qualität der Hotline. Wird das angesprochene Problem gelöst? Wie ist das Kundenerlebnis insgesamt zu bewerten?
- Website Assessment / Usability: Beurteilung der Website inklusive Check auf CIKompatibilität, Testen der Funktionalität der Prozesse in Hintergrund, Navigation mit Blickaufzeichnung.
- Überprüfung von E-Mail-Anfragen: Messung der Reaktionszeiten und des Inhalts der Antworten. Erhalten Kunden auf Anfragen keine, verspätete oder unbefriedigende Antworten, kann sich das sehr negativ auf die Kundenbindung und das Image auswirken.
- Response-Analysen für Mailings: Herausarbeiten der Gründe bei Nichtreagieren auf Mailings. Ist das Produkt nicht attraktiv, wurde der Text nicht verstanden? Lag es an der Kreation? Sind es die Kunden der Wettbewerber, die nicht reagiert haben? Oder stimmt der Adressatenkreis nicht mit der eigentlichen Zielgruppe überein?
Fazit: Vom CRM zum Customer Experience Management
Marktforschern ist klar, dass mit den Daten und Informationen der gängigen CRM-Systeme die Kundenbeziehungen nicht ausreichend und damit nicht zufriedenstellend gemanagt werden können. Die notwenige Voraussetzung dafür wäre, dass der Datenbestand Informationen über Kundenbedürfnisse und -erwartungen sowie über die Kundenzufriedenheit an den Customer Touchpoints enthält. Das ist jedoch meistens nicht der Fall.
„CRM konzentriert sich auf unternehmenszentrierte Transaktionen, nicht auf Beziehungen. Die Firmen fischen aus der Datenflut nur das heraus, was sich leicht messen und aufzeichnen lässt. Weniger gut quantifizierbare, aber entscheidende Informationen, die ein genaueres Bild vom Kunden zeichnen könnten, werden nicht erhoben.“, bemerkt Bernd Schmitt in seinem Buch „Kundenerlebnis als Wettbewerbsvorteil„.
CRM versus CEM
Customer Relationship Management (CRM) | Customer Experience Management (CEM) | |
Was | Erfasst und verarbeitet, was eine Firma über ihre Kunden misst | Erfasst und verarbeitet, was ein Kunde über eine Firma denkt |
Wann | Nachdem eine Kundeninteraktion vorliegt | An Punkten der Kundeninteraktion: „Touchpoints“ |
Wie | Point of Sale-Daten, Marktforschung, Website, Klickrate, automatisiertes Tracking der Verkaufszahlen | Umfragen, gezielte Studien, Beobachtungsstudien, „Voice of customer“-Forschung |
Wer | Gruppen mit Kundenkontakt wie Vertrieb, Marketing, Außendienst und Kundenservice, um deren Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten | GF und andere Führungskräfte, um erfüllbare Erwartungen und bessere Erfahrungen mit Produkten und Service zu entwerfen |
Relevanz für künftigen Geschäftserfolg | Verzögert „lagging“: Intensiviert Cross-selling durch das „bundling“ von Produkten mit hoher Nachfrage mit Produkten mit niedriger Nachfrage | Führend „leading“: Identifiziert Stellen, an denen neue Angebote hinzugefügt werden können, um die Lücke zwischen Erwartungen und Erfahrungen beim Kunden zu schließen |
Die gängigen CRM-Initiativen sind zu IT-lastig, und sie sind organisatorisch bei IT oder Kundenservice nicht optimal angesiedelt. Dass trotzdem auf CRM als Allzweckwaffe gesetzt wird, könnte daran liegen, dass Unternehmen bereits erhebliche finanzielle Mittel in die Anschaffung der Systeme investiert haben.
Vonnöten ist jedoch die Konzentration auf Informationen, die wirklich relevante Aussagen über die Kunden und ihre Meinungen enthalten. Dazu muss bereits bestehendes Wissen über Kundenerwartungen und Kundenzufriedenheit, das aus anonymisierten Befragungen stammt, mit berücksichtigt werden.
Zusätzlich muss die Erlebnisdimension stärker als bisher einbezogen werden. In vielen Fällen wird es notwendig sein, neue Daten zu erheben, oft auch mit qualitativen Methoden. Dies wirft für viele Marktforscher methodische und konzeptionelle Fragen auf.
In vielen Märkten ist es noch nicht gelungen, die Bedürfnisse vollständig zu erfassen. Zu wenig Augenmerk hatte man bisher auf emotionale Aspekte gelenkt, auch weil es (quantitativ) viel einfacher war, die funktionalen Bedarfe zu erfassen. Unstrittig ist inzwischen, dass hier Nachholbedarf existiert.
Den Erkenntnissen über die emotionalen Bedürfnisse, die losgelöst sein sollten vom eigenen Produkt, folgt die Customer Experience. Sie summiert sämtliche Erfahrungen und Signale, die der Kunde im Zusammenhang mit dem Produkt empfängt. Die dafür in Frage kommenden Touchpoints, an denen die Signale ausgesendet werden, gilt es zu identifizieren. Neben naheliegenden direkten Kundenkontaktpunkten (Shop, Produkt, Billing, Hotline, etc.) müssen auch indirekte Touchpoints einbezogen werden.
Tatsächlich hinterlässt jede Marke täglich 30-100 Brand-Touchpoints, die auf die ein oder andere Art einen Eindruck in Kopf oder Herz hinterlassen. An den identifizierten Kontaktstellen muss nun die praktische Erfahrung kontinuierlich gemessen werden.
Lesen Sie im nächsten Beitrag zur „Standleitung zum Kunden“: Wissensmanagement in Sachen Marktforschung.