Flexible Arbeitszeitmodelle statt Tabula rasa

von Gunnar Sohn
19. März 2013
Flexible Arbeitszeitmodelle statt Tabula rasa

Wie Yahoo-Chefin Mayer ihre Mitarbeiter verprellt.

Über Sinn und Unsinn der Entscheidung von Yahoo-Chefin Marissa Mayer, die eigenen Mitarbeiter vom Home Office wieder ins Büro des eigenen Unternehmens zurückzuholen, ist in den vergangenen Wochen heftig gestritten worden. Das Ganze mit einer Tabula rasa-Methode durchzusetzen, ist wohl nicht der richtige Weg:

„Mit Zwang erreicht man eher das Gegenteil. Es gibt sicherlich Mitarbeiter, die die Trennung von Privat- und Geschäftsleben schätzen. Es gibt aber auch Mitarbeiter, die Mischformen favorisieren und sicherlich wird es auch Angestellte bei Yahoo geben, die nur deshalb bei diesem Unternehmen sind, weil sie zu Hause arbeiten können.

Die radikale Entscheidung von Mayer kann die Vertrauensbasis zerstören“, so der Personalexperte Maximilian Nobis vom IT-Beratungshaus Harvey Nash im NeueNachricht-Interview. In einer Zeit mit Fachkräftemangel gehe das zu Lasten der Motivation und führt vielleicht sogar zu einer Abwanderung von Talenten.

Schlechter Stil

„Yahoo ist ein Technologiekonzern und lebt von guten Arbeitskräften. Der Belegschaft so eine Maßnahme per E-Mail mitzuteilen ist kein guter Stil. Es ist wohl der verzweifelte Versuch von Mayer, ihren angeschlagenen Konzern wachzurütteln“, betont Nobis. In der IT-Branche seien eher Mischformen gefragt. Nobis kennt bei den Firmenkunden von Harvey Nash keinen Fall, wo ausschließlich auf die Arbeit in den eigenen vier Wänden gesetzt wird. Es dominieren flexible Modelle.

Ob es Mayer gelingt, auf den Spuren ihres alten Arbeitgebers zu wandeln und eine ähnliche Campus-Kultur wie Google auf die Beine zu stellen, sei schwierig. „Die Leute zurückzuholen ist erst einmal mit hohen Investitionen verbunden. Grundsätzlich ist ein Home Office-Arbeitsplatz wesentlich günstiger. Und wenn man dann noch den Anspruch hat, ein Wohlfühl-Klima wie bei Google zu schaffen, dann muss man noch mehr ausgeben. Marissa Mayer wird mit dieser Aktion kein Geld sparen“, erläutert der Harvey Nash-Manager in München.

Google-Kultur bei Yahoo?

Um eine ähnliche Arbeitskultur wie beim Netz-Giganten Google zu entwickeln, braucht man nach Ansicht von Nobis einen langen Atem. „Das wird Mayer nicht so schnell bewerkstelligen, schon gar nicht mit radikalen E-Mails. Auch Schwarz-Weiß-Denken führt hier nicht weiter. In der IT-Branche dominieren flexible Arbeitszeitmodelle. Und das ist sehr sinnvoll – etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Reine Home Office-Arbeit wird sehr häufig abgelehnt, denn viele Ideen und Innovationen entstehen nicht in Meetings, sondern auf dem Flur im direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen“, betont Nobis.

Eine Umkehr in der Technologiebranche nach dem Modell von Yahoo sieht er nicht. Es gebe verschiedenste Formen bei den Arbeitszeiten: Vertrauensarbeitszeit, Kernzeiten, Kombination von Präsenztagen im Büro und Möglichkeiten für das Arbeiten zu Hause. „Da hat sich eine Menge getan – auch bei den technologischen Möglichkeiten, an fast jedem Ort der Welt arbeiten zu können. Einen Rückfall in alte 9 to 5-Zeiten wird es nicht geben“, so das Resümee von Nobis. Eine Wende konnte Mayer als Vorstandschefin bislang nicht einleiten. Der Marktanteil von Yahoo am Suchmaschinenmarkt ist weiterhin rückläufig.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf Neue Nachricht.

1 Kommentar

gsohn 19. März 2013 - 8:37

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