Warum braucht die digitale Transformation Zukunftsmanagement?

von Bernhard Steimel
22. August 2013

Im letzten Jahr habe ich noch mal die Schulbank gedrückt und war als Berater bei der FutureManagementGroup tätig. Obwohl es der Unternehmensname vermuten lässt, handelt es nicht um Zukunftsforscher, sondern um eine Unternehmensberatung, die sich darauf spezialisiert hat, Führungskräfte dabei zu unterstützen, Chancen in Zukunftsmärkten frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und zu erschließen.

Das Besondere am Zukunftsmanagement ist die langfristig Perspektive und die Frage nach der Existenzfähigkeit des Unternehmens in der Zukunft. Damit ist nicht die strategische Planung für die nächsten zwei bis drei Jahre gemeint, sondern vielmehr der Blick in die nächste Ära eines Geschäfts.

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Die nächste Ära vordenken – die Existenzfähigkeit Ihres Unternehmens in der Zukunft betrachten

Von dem Unternehmensgründer Pero Micic habe ich als erstes gelernt, einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Denn, so Micic, wenn ich etwas über die Effizient eines Unternehmens erfahren will, dann muss ich mir die Organisation vornehmen. Wenn man aber die Existenzfähigkeit eines Unternehmens in der Zukunft betrachten will, dann muss man das Unternehmen als Blackbox, als Teil eines Systems betrachten. Und in diesem System bietet das Unternehmen einen Nutzen bzw. eine Wirkung, für die das Unternehmen bezahlt wird.

Wenn ich an das Unternehmen von der Wirkung her denken will, dann kann ich das nur von außen tun. Die Ist-Analyse muss in das Umfeld und damit in die Zukunft verlegt werden. Und die zentrale Frage wird sein „Wie wird diese Wirkung in Zukunft erzielt werden?“

Was kommt, was geht, was bleibt? Was sind die größten Treiber der Veränderung?

Häufig wird die Suche nach den Faktoren, die den Unternehmenserfolg in der Zukunft bestimmen, mit dem Fokus „Wie entdecke ich die relevanten Trends in meinem Umfeld?“ geführt. Damit können wir nur das Erkennen, was wir schon kennen. Man muss die Frage umdrehen und sich fragen: „Wie könnte etwa ein Trend wie SoLoMo relevant werden bzw. wie kann ich ihn für mein Unternehmen relevant machen?“

Wenn wir in die neue Ära sehen wollen, dann müssen wir den Blick ändern und uns der Welt der Zukunftsforschung öffnen. Dabei macht es Sinn, sich – wie beim Wetterbericht – nicht nur auf eine Quelle zu verlassen, sondern möglichst breit neue Trends, Technologien und Themen aufzuspüren.

Oftmals sind es Dinge, von denen wir zum Teil nicht mal wissen, was sie vom Namen her bedeuten. So erst kommt man auch zu strategischen Innovationen oder kann Zukunftschancen für das Unternehmen durch die digitale Transformation erschließen. Wer sich jedoch nur auf die bekannten Megatrends fokussiert, schließt aus, was irgendwie interessant und neu sein könnte. Megatrends sind per Definition nie neu – sonst wären es keine Megatrends.

Warum ist es so wichtig die Zukunftsannahmen der Entscheidungsträger zum Start auf den Tisch zu bekommen?

Jede unternehmerische Entscheidung basiert auf Annahmen über die Zukunft. Diese Annahmen müssen zum Start eines jeden Zukunftsprojektes auf den Tisch. Oft ist erschreckend, wie unterschiedlich die Vorstellungen der Führungskräfte sind, wie sich der Markt verändern wird. Auf dieser Basis kann man nicht führen oder entscheiden. Das mag ein Grund dafür sein, warum die Zukunftsdiskussion in vielen Unternehmen so schwierig und nicht institutionalisiert ist wie die jährlichen Budgetplanungsrunden.

Wenn ich aber die zentralen Annahmen in einem Führungsteam erfrage, dann kann ich sie an die Oberfläche bringen und kontrollierbar machen. Da für die nächste Ära bereits heute die Grundlagen geschaffen werden, sind diese Annahmen der früheste Zeitpunkt, um Veränderungen zu initiieren.

Ein sinnvoller Weg ist, die potenziell relevanten Trends und Technologien der Zukunft zu betrachten, um diejenigen zu identifizieren, die wahrscheinlich die größten Auswirkungen auf Ihr Geschäft haben und/oder Zukunftschancen bieten.

Dazu müssen Sie zunächst Ihre Zukunftsfragen formulieren:

  • 20XX: Welche Wünsche und Probleme wird unsere Zielgruppe zukünftig haben?
  • 20XX: Welche neuen Bedarfsfelder sind entstanden?
  • 20XX: Wie entdecken die Menschen in Zukunft Produkte?
  • 20XX: Über welche Vertriebswege (Touchpoints) kaufen Kunden die Produkte?
  • 20XX: Mit welchen Zahlungsmitteln bezahlen Kunden ihre Produkte?
  • 20XX: Wie tauschen sich Menschen zu Nutzungserlebnissen von Produkten aus?
  • 20XX: Wie sieht der Customer Service der Zukunft aus?

Die Annahmen-Analyse sollte mit einem kritischen, distanzierten, logischen und erfahrungsbasierten Blick in die Zukunft erfolgen. Dabei ist die Intuition ein schlechter Ratgeber. Immer dann, wenn bahnbrechende Innovationen die Spielregeln grundlegend verändern, funktioniert sie nicht mehr, weil sie auf Erfahrungen basiert, die jetzt nicht mehr gelten.

So haben viele Banken den Trend zum Self-Service unterschätzt und zu lange auf den weiteren Ausbau des Filialnetzes gesetzt. Die großen Elektro-Discounter haben die Convenience-Aspekte des Online-Einkaufs nicht erkannt und zu spät auf die Bedrohung durch Amazon & Co mit eigenen Online-Shops geantwortet. Und Microsoft und Nokia hatten die Wirkung von Touchscreen als intuitive Endgerätesteuerung nicht auf dem Plan.

Die Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen kann als wichtiger Treiber für die Einsicht in die Veränderung wirken und ist oftmals notwendige Voraussetzung dafür, dass der digitale Funke überspringt. Daher kommt der Einstieg in die digitale Transformation nicht ohne Zukunftsmanagement aus.

4 Kommentare

Michael Ammel 22. August 2013 - 12:38

Eigentlich ein begruessenswerter Beitrag, da er eine Tuer in neue Moeglichkeitsraeume oeffnet und zumindest im Ansatz den Versuch unternimmt lineares Denken zu verlassen. Wir alle leben in komplexen adaptiven Systemen, egal ob wir ueber Gesellschaften oder Maerkte reden. Um sich dem zu naehern gilt es zunaechst zwischen Kompliziertheit und Komplexitaet zu unterscheiden. Das passiert leider nicht so oft. Wir ertrinken im Big Data Wahn und wurden dank IT zu Mess – und Analysefanatikern, Ob das systemisch gesehen richtig ist wage ich sehr zu hinterfragen. Ich behaupte diese Aktivitaeten lieferten bislang keinen angemessenen ROI. Es geht aber weniger darum zu messen, sondern darum die Fitness aufrechtzuerhalten und zu steigern, die ist Kriterium No. 1 in Sachen Unternehmenserfolg. Das bedeutet sich partizipierend zu adaptieren und neben den Messdaten die neuen Muster wahrzunehmen, die sich meist aus neunen Netzknotenpunkten in unserer „Landschaft“ entwickeln. Die viel zitierte IST-Analyse, hilft dabei nicht sehr, ist sie doch im Kern eine Analyse der Vergangenheit. Dies bedeutet in der Regel auch einen Kulturwandel im Unternehmen zu vollziehen, um Emergenz zu befoerdern und Potentiale optimal zu nutzen. Niemand kennt die Zukunft, es gibt Trends sicher, aber die erkennt man in der Regel nur in einem stimmigen Umfeld. Umso frueher ich neue Muster wahrnehme und sie in Produkte und Service integiere, umso nachhaltiger ist der Unternehmenserfolg. Anyhow, ein interessantes Thema

Antwort
Bernhard Steimel 24. August 2013 - 7:11

Hallo Herr Ammel, danke für das Feedback – ja die IST-Analyse hilft nicht viel, wenn es um die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens geht. Ich hab mir übrigens Ihre Webseite angeschaut. Online Coaching finde ich einen spannenden Ansatz. Vielleicht haben Sie ja mal Lust ihr Geschäftsmodell in einem Interview für smarter-service zu erläutern? ich beneide sie ein bischen, denn ich hab während meiner Studienzeit in Montepellier gearbeitet und jetzt komm ich nur noch zum Urlaub nach Südfrankreich

Antwort
Services machen Marken: Was machen Sie? | Smarter Service 19. September 2013 - 7:30

[…] digitale Transformation erfordert ein Umdenken. Der Glaube an die bewährten Rezepte, an ein “weiter so” muss nachhaltig erschüttert […]

Antwort
Experten für den digitalen Wandel | Smarter Service 19. November 2013 - 14:26

[…] Thesen und Argumente von Vordenkern und führenden Experten wie Dietmar Dahmen, Dave Gray, Pero Micic oder Prof. Alexander Rossmann wäre es uns nicht gelungen, einen so umfassenden Leitfaden zu […]

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