Autodidaktische TV-Produzenten: Ein Blick in die Streaming-Wundertüte

von Gunnar Sohn
7. November 2013
Autodidaktische TV-Produzenten: Ein Blick in die Streaming-Wundertüte

Eine Welt verändert sich, wenn sich die Medien ändern, meinte der Schriftsteller Walter Benjamin.

Und vielleicht sind es gar nicht so gravierende Veränderungen, die zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitragen. Zu dieser Auffassung neigt auch der Philosoph Peter Sloterdijk im Gespräch mit Hubert Burda – veröffentlicht in dem Band „IN MEDIAS RES – Zehn Kapitel zum Iconic Turn”:

„Die Griechen haben ja bekanntlich zu den orientalischen Schriftsystemen, die reine Konsonantenschriften gewesen sind, eine kleine Erfindung hinzugefügt, die aus der historischen Entfernung genauso geringfügig erscheinen könnte wie der Übergang bei Gutenberg zum Druck mit den beweglichen Lettern.”

Es geht um die Erfindung des autonom lesbaren Textes, weil man zum ersten Mal die Stimme des Autors rekonstruieren konnte – es geht eben um Vokale. Für die Entzifferung der Konsonantenschrift brauchte man immer einen Vorleser, der sagt, wie der Text gesprochen werden muss – „ein Sachverhalt, der im Hebräischen bis auf den heutigen Tag fortbesteht”, so Sloterdijk. Tendenziell sei der europäische Leser also ein autonomer Leser.

„Oder anders ausgedrückt, ein Autodidakt, der auf eigene Faust die Stimme der Ahnen entziffern kann”, erklärt Sloterdijk.

Und das beschränkt sich schon lange nicht mehr auf das Lesen. Selbst für bewegte Bilder steht das Handwerkszeug für den digitalen Autodidakten bereit, der heute ohne Ü-Wagen, ohne Ausbildung zum Kameramann oder zur Kamerafrau und ohne schweres technisches Gerät Fernsehen machen kann. Zu jeder Zeit, an jedem Ort.

Videokommunikation ist spätestens seit den Erfolgen von Diensten wie Skype oder Google-Hangout ein beherrschendes Thema für Beruf und Freizeit: Die Popularität dieser Angebote führt auch zu einer stärkeren Nachfrage nach technischen Lösungen, die speziell auf Unternehmen zugeschnitten sind. Davon ist Produktmanager Johannes Nowak vom ITK-Spezialisten Aastra überzeugt:

„Vor allem die Erfahrungen aus der privaten Nutzung übertragen sich auf die Wirtschaftswelt.“

72 Stunden Videomaterial pro Minute

Pro Minute werden auf Youtube mittlerweile 72 Stunden Videomaterial hochgeladen, so Google-Sprecher Stefan Keuchel. 77 Prozent der Internet-Nutzer in Deutschland schauen Online-Videos. 50 Prozent sehen Filme und 47 Prozent schauen bei Live-Events über das Internet zu, in beiden Fällen etwa 12 Prozent auf mindestens wöchentlicher Basis. Das ist das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW).

Bei der jüngeren Bevölkerungsgruppe geht es dabei weniger um reine Download-Angebote, sondern um Streaming-Dienste.

„Diese Entwicklung wird durch Social Media und Social TV weiter gesteigert, so dass rund um Bewegtbildinhalte die zwischenmenschliche Kommunikation begünstigt wird“, sagt Holger Schöpper, Sprecher des Forums Bewegtbild im BVDW.

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@Videopunk

„Video ermöglicht eine persönlichere Kommunikation, als es das geschriebene Wort jemals bieten kann. Und anders als beim geschriebenen Wort, benötigt Video keine Vorbildung, keinen Duden und keine Schönschrift. Video ist kein Abbild, sondern ein echter Einblick in unser Leben. Video ist gelebte Kulturtechnik”, so Markus Hündgen (@videopunk).

Angriff auf die Bastion des klassischen Fernsehens

Streaming-Dienste wie Hangout on Air sind die technische Basis für Jedermann-TV. Selbst die massenmediale Bastion des klassischen Fernsehens ist vor der Eigendynamik der autonomen TV-Produzenten nicht mehr sicher. Was bewirkt die Graswurzel-Talkultur? Bislang wird ja das so genannte Social TV in der Kategorie des “Second Screen” gesehen – also als Begleitmedium für TV-Sendungen, wo etwa über Twitter „Wetten, dass” mit Markus Lanz hoch und runter kommentiert wird. In der Streaming-Wundertüte steckt mehr drin.

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Hangout-Experte Gerhard Schröder

Wo die Reise hingeht, diskutierten wir im Bloggercamp.tv mit dem StreamCamp-Mitorganisator Gerhard Schröder: “Inhalte und Konzepte beim Livestream”.

Kein Gespräch über die Streaming-Technik, sondern über Anwendungsmöglichkeiten von Literaturlesungen, Live-Podcasting bis zu Sportveranstaltungen. Ein Ausblick auf das StreamCamp am 16. und 17. November in Köln.

Interessant auch: ARD: Alte. Rentner. Doofe? 6 Utopien für die ARD.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf: www.ne-na.de.

1 Kommentar

gsohn 7. November 2013 - 10:18

Viele gute Gründe, um am 16. und 17. November zum StreamCamp nach Köln zu kommen.
Tickets unter http://www.streamcamp.de. Hoffe, man sieht und hört sich nächste Woche 🙂

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