Ältere Unternehmer leben von der Substanz und investieren wenig
Jürgen Stäudtner hat in seinem neuen Buch „Deutschland im Innovationsstau“ auf einen Tatbestand hingewiesen, der belegt, warum sich die Deutschland AG so schwertut mit mutigen Investitionen in den digitalen Wandel: Es gibt nur wenige Vermögende, die mutig investieren. Deutsches Geld sei relativ altes Geld. Man lebt von der Substanz.
Schaut man sich das aktuelle KfW-Mittelstandspanel an, sieht die Lage sogar noch etwas dramatischer aus. Mit zunehmenden Inhaberalter sinkt die Bereitschaft für Investitionen und für mutige Innovationen.
Während KMU jüngerer Inhaber zu 57 Prozent Investitionen vornehmen, liegt die Bereitschaft Investitionen zu tätigen bei den Unternehmen älterer Inhaber lediglich bei 37 Prozent. Investitionen älterer Inhaber dienen in erster Linie der Pflege des bestehenden Kapitalstocks, was die Stäudtner-Analyse untermauert.
„Investitionen zur Kapazitätserweiterung spielen eine untergeordnete Rolle. Stärker risikobehaftete und kapitalbindende Vorhaben – beispielsweise Erweiterung der Auslandsaktivitäten oder Anschaffung einer weiteren Produktionsstraße – werden zurückgestellt. Dass dieses Muster Neuinvestitionen insgesamt bremst, ist bekannt: Nimmt ein Investor Erweiterungsinvestitionen vor, fallen die Ge- samtinvestitionen rund viermal höher aus als bei reinen Ersatzanschaffungen“, schreiben die KfW-Analysten.
Die geringe Investitionsneigung habe Folgen für die Unternehmenssubstanz.
„Bei fast acht von zehn mittelständischen Unternehmen mit älteren Inhabern übersteigt der Wertverlust des Kapitalstocks (Abschreibungen) das Volumen der Neuinvestitionen: 2004–2013 haben im Mittel lediglich 22 Prozent der älteren Inhaber jährlich positive Nettoinvestitionen. Auch hier ist der Zusammenhang offensichtlich: Je älter der Inhaber, desto wahrscheinlicher ist ein Substanzverlust aufgrund negativer Nettoinvestitionen. Auch dies ist kein Trend der jüngsten Vergangenheit; seit 2004 bewegt sich der KMU-Anteil mit positiven Nettoinvestitionen bei über 60-jährigen Inhabern auf einem nahezu unveränderten Niveau von knapp über 20 Prozent.“
Ein erschreckender Wert, der erklärt, warum wir in Deutschland bei der Digitalisierung von Unternehmen nicht von der Stelle kommen.
Ein zentraler Grund für die mit dem Alter abflauende Investitionsbereitschaft liege im Planungshorizont der Inhaber. Investitionen müssten sich aus Investorensicht rentieren. Je älter ein Inhaber, desto unsicherer wird die Amortisationsdauer eingeschätzt. Das gilt umso mehr für längerfristige, also stärker finanzmittelbindende, aber dafür wettbewerbsstärkende Zukunftsinvestitionen.
Aufs Digitale übertragen sagen sich wohl viele Unternehmer: „Online? Bringt uns nichts mehr.“ (in Abwandlung des republica-Vortrags von Marco Petracca).
Ein starkes Indiz für diese Unsicherheit sehen die KfW-Analysten bei den geäußerten Geschäftserwartungen. Ältere Inhaber sind deutlich pessimistischer gestimmt als jüngere Unternehmensinhaber.
„In der Gruppe der über 60-Jährigen übersteigt sogar der Anteil negativer Erwartungen den Anteil positiver Erwartungen. Bekannt ist diesbezüglich, dass es einen starken Zusammenhang zwischen positiven Zukunftsaussichten und Investitionsbereitschaft gibt. Bereits für Innovationstätigkeiten konnte dieses Muster nachgewiesen werden: Während Absatzchancen durch Produktinnovationen unabhängig vom Alter des Inhabers ergriffen werden, werden Anstrengungen bei Prozessinnovationen mit zunehmendem Alter häufiger unterlassen – auch hier kommt die Anreizminderung durch zu lange Amortisationszeiten zum Tragen.“
Ein stetiges Nachwachsen junger Unternehmer wäre erforderlich, um der verstärkten Alterung mittelständischer Inhaber entgegenzuwirken. Das aktuelle Gründungsgeschehen lässt aufgrund niedriger Gründerzahlen aber mittelfristig wenig Raum für Hoffnung.
In Anlehnung an das republica-Motto von Sascha Lobo muss man sich wohl verstärkt mit der Frage beschäftigen „WAS WÜRDE ÄLTERE UNTERNEHMER ÜBERZEUGEN?„.
Diese Beitrag ist zuerst erschienen auf: Ich sag mal.