Quellen der Innovation

von Bernhard Steimel
28. Januar 2020
Quellen der Innovation

Ein Kühlschrankhersteller, der plötzlich Notebooks für Gamer baut? In Deutschland unvorstellbar – in einem stark auf Innovation und Selbstorganisation ausgerichteten Unternehmen wie Haier kein Problem. Der Innovationsberater Jürgen Stäudtner erklärt im Smarter-Service-Interview, wie so etwas funktioniert, welche Rolle Menschen dabei spielen und wie sich im Mittelstand Aufbruchstimmung erzeugen lässt.

– Teil 2 des Smarter Service Interviews mit Jürgen Stäudtner –

Herr Stäudtner, Auf welche Weise gelingt der Übergang von externer Innovationseinheit ins Kerngeschäft?

Jürgen Stäudtner: Wenn die innovative Einheit erfolgreich ist und einen eigenen Markt erobert, dann gibt es kaum Gründe für eine Fusion. Denn der wirtschaftliche Erfolg ist ja da: Es gibt ein Tochterunternehmen, das einen eigenen Geschäftsbereich verantwortet. Aber ob auf diese Weise das Stammwerk innovativer werden kann? Meiner Meinung nach schafft es eine hereingeholte Einheit nicht, das normale Geschäft zu transformieren. Das Beharrungsvermögen der alten Strukturen ist zu groß.

Es gibt kaum ein Unternehmen, das lange Zeit mit dem gleichen Geschäftsmodell erfolgreich ist. Auch Marktführer sind keine Ausnahme – auch ihre Geschäftsmodelle sind bedroht. Die Lebensspanne von Firmen sinkt seit Jahren Zeit. Es kann immer jemand um die Ecke kommen, der etwas Neues machen. Deshalb fahren diese Unternehmen eine hochinnovative Strategie, die auf langfristige Wirkung angelegt ist. Amazon macht das momentan hervorragend. Google schafft das ganz gut, siehe etwa das Engagement für autonome Fahrzeuge oder den großen Erfolg bei künstlicher Intelligenz.

Vielleicht hat Google einfach die besseren und innovativeren Mitarbeiter? Denn Studien belegen, dass Unternehmen die geringe Digitalisierungskenntnis ihrer Mitarbeiter beklagen und als großes Hemmnis sehen. Wie lässt sich das ändern?

Das halte ich für eine massive Ausrede: Wenn Digitalisierung oder Innovation für ein Unternehmen sind, dann sollte beides bei der Geschäftsführung beginnen. Sie sollte mit gutem Beispiel vorangehen und selbst etwas Neues ausprobieren und experimentieren. Das ist ein ganz wesentlicher Baustein der Innovation. Denn wenn die Führungskräfte nicht vorangehen, warum sollte sich ein einzelner Mitarbeiter ändern?

Eigentlich sind alle Menschen innovativ und kreativ, aber in einem Unternehmen ist das kein Selbstläufer. Das wird vielfach unterschätzt. Unbedingt notwendig ist eine positive, mitreißende, visionäre Nachricht. Die Mitarbeiter benötigen ein Moonshot-Projekt, mit dem sie sich identifizieren. Es gibt in der Managementtheorie das Konzept des „Big Hairy Audacious Goal (BHAG)“. Dadurch wird die Latte so hochgelegt, dass sich alle anstrengen müssen. Es entsteht eine große Zufriedenheit, weil die Mitarbeiter oder ein Team etwas Besonderes geschafft haben.

Wie kann ein Unternehmen seine Mitarbeiter dabei unterstützen? Kann die 20%-Regel Freiräume für die Mitarbeiter schaffen? Ist das ein gutes Beispiel für den Mittelstand?

Ein erster wichtiger Punkt: Man muss die Leidenschaft und Motivation im Unternehmen stärken. Seit Jahrzehnten untersucht das Meinungsforschungsinstitut Gallup einmal im Jahr, wie viele Mitarbeiter sich stark mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und hoch motiviert sind. Im Durchschnitt kommt in diesem Zeitraum jedes Jahr etwa derselbe Wert heraus – nur 13 Prozent der Mitarbeiter sind wirklich stark engagiert. Hier muss man ansetzen.

Dafür ist es wichtig, die Mitarbeiter auch mal aus dem normalen Tageslauf herauszunehmen. Ein Mittel ist die 20%-Regel: Jeder Mitarbeiter darf ein Fünftel der Arbeitszeit für innovative Projekte und Ideen verwenden. Das hat bei Google gut funktioniert, ist aber abgeschafft worden. Denn es zeigte sich, dass plötzlich sehr viele Ideen entstanden, die aber auf Halde lagen. Selbst Google kann nicht alles verwirklichen und muss sich erfolgversprechende Projekte aussuchen.

Trotzdem würde ich einem Mittelständler eine ähnliche Regel empfehlen. Jeder Mensch hat Ideen und die Unternehmen sollten darauf zurückgreifen, um auf lange Sicht innovativer und erfolgreicher zu werden. Damit können sie ein positives Selbstbild ihrer Mitarbeiter erreichen  und die Lust am Gewinnen stärken.

Herr Stäudtner, vielen Dank für das Gespräch.

=> Teil 1 des Smarter Service Interviews mit Jürgen Stäudtner

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