Tech rettet die Welt: Mit digitaler Innovation das Virus bekämpfen

von Bernhard Steimel
9. Juni 2020
Top-Digitalisierungstrends-in-Corona-Zeiten

Digitalisierung in der Corona-Ära heißt: schnelle Lösungen entwickeln, um Leben zu retten, ohne langfristige Überlegungen aus den Auge zu verlieren.

Improvisationskunst und innovatives Um-die-Ecke-Denken zeigen sich vor allem in der Krise. Denn dort gelten viele alte Regeln nicht mehr. Wer sie über Bord wirft und sich Neues ausdenkt, kann sogar die Welt retten. Eine Vielzahl an jungen und alten Unternehmen haben in der Corona-Krise interessante und oft auch verblüffende Ideen umgesetzt, die dabei helfen, das Virus zu bekämpfen und die Pandemie zu überwinden.

Mit smarten Produkten Leben retten

In vielen Ländern gab es einen großen Materialmangel in Krankenhäusern. So fehlten unter anderem Beatmungsgeräte, aber auch Ersatzteile für vorhandene Geräte. Startups und Plattformen aus der Digitalwirtschaft boten innerhalb kürzester Zeit Lösungen an.

Viele basieren auf Additive Manufacturing oder 3D-Druck. Mit diesem Verfahren werden innerhalb kurzer Zeit Bauteile aus Metall, Kunststoff und Keramik hergestellt. Vor allem Geräte für den Druck mit Kunststoffen sind leichtgewichtig und können an jedem beliebigen Ort aufgestellt werden.

Kostenlos bereitgestellte 3D-Drucker halfen Krankenhäusern in der besonders stark betroffenen Region Lombardei in Italien. Sie konnten damit dringend benötigte Ventile für Beatmungsgeräte herstellen. In anderen Fällen gelang es, durch den Ausdruck von modifizierten Anschlüssen geschlossene Sporttaucher-Atemmasken zu medizinisch wirksamen Atemmasken umzurüsten.


Maker-Szene macht mobil: Beatmungsgeräte im Eigenbau

Unter dem Oberbegriff Maker-Szene werden Do-It-Yourself-Enthusiasten und Startups zusammengefasst, die sich mit 3D-Druck und offener (nicht patentgeschützter) Hardware beschäftigen. Einige Projektgruppen arbeiteten sofort nach Beginn der Corona-Krise an einfachen Beatmungsgeräten, die auf dem Prinzip einer „Motorisierung“ der manuellen Notarzt-Blasebälge basieren.


Zahlreiche andere Technologieunternehmen beschäftigten sich ebenfalls mit der Mangelsituation in Krankenhäusern. So entwickelte der Hersteller Dyson in nur zehn Tagen ein Beatmungsgerät speziell für Covid-19-Patienten. Bosch Healthcare Solutions hat einen COVID-19-Schnelltest entwickelt. Er ist an die Vivalytic-Plattform von Bosch angepasst, mit der Labortests schnell und vollständig automatisiert durchgeführt werden.


Beatmungsgerät in 10 Tagen

Dyson verdient sein Geld eigentlich mit Staubsaugern und Luftreinigern. In der Corona-Krise eilt das Tüftler-Unternehmen der britischen Regierung zu Hilfe: In nur zehn Tagen haben die Ingenieure ein Beatmungsgerät entwickelt, das auf die Bedürfnisse von Covid-19-Patienten angepasst ist.


Mit Social Software & Apps das Virus bekämpfen

China nutzt zur Virusbekämpfung eine Tracking-App, die Aufenthaltsorte von Infizierten meldet. Der Health Index in der Payment-App Alipay berücksichtigt den selbst erklärten Gesundheitszustand, die Reisegeschichte und die Interaktion mit anderen. Er weist jedem eine Risikostufe zu, die über die Dauer der Quarantäne entscheidet – rot bedeutet 14 Tage, gelb sieben. Zudem übermittelt die App Informationen an die Polizei und andere Behörden. Südkorea hat sich für eine andere Vorgehensweise entschieden. Menschen, die in regelmäßigem Kontakt mit Infizierten standen, müssen sich zwei Wochen selbst in Quarantäne begeben. Mit einer App wird überwacht, ob diese Selbstisolierung eingehalten wird.

Die europäischen Regierungen setzen auf Contact Tracing. Das Funktionsprinzip: Die App zeichnet über die Bluetooth-Schnittstelle in Smartphones anonym alle Kontakte in der Nähe auf. Wird eine Person später positiv getestet, erhält der Nutzer einen Hinweis. Damit wird anonym nachvollzogen, wer mit einem Corona-Infizierten in Kontakt gestanden hat.

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So soll die deutsche Tracing-App funktionieren (Quelle)

Die Entwicklung der deutschen Contact-Tracing-App verzögert sich bis mindestens Ende Mai. Aufgrund der Kritik von Datenschützern musste das ursprüngliche Konzept verändert werden. Sie speichert Daten jetzt dezentral auf den Geräten der Nutzer und setzt die Software-Architektur DP-3T ein. Mit der Entwicklung wurden die Deutsche Telekom und SAP beauftragt.

Zudem verfolgt die App einen freiwilligen Ansatz. Laut den beteiligten Epidemiologen müssten rund 60 Prozent der Bürger die App downloaden und davon 60 Prozent die App korrekt und konsequent anwenden, damit sich die Seuchenverbreitung effektiv eindämmen lässt.

Künstliche Intelligenz und Robotik unterstützen Lebensretter

Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) beschleunigen viele Abläufe. Eine der besonderen Stärken von KI ist die Mustererkennung. So benötigen Ärzte für die Analyse der Bilddaten einer Computertomografie bis zu einer Viertelstunde. Die KI des chinesischen Startups Yitu Technology schafft dieselbe Aufgabe innerhalb von 20 Sekunden. Dadurch kann sie den Druck auf die überlasteten Krankenhäuser mildern.


Bessere Corona-Diagnose dank KI

Die Symptome von fortgeschrittenen Erkrankungen lassen sich auf Computertomografien der Lunge besser erkennen. Eine Künstliche Intelligenz (KI) des Wiener KI-Labors Deep Insights erzielt bei COVID-19-CTs eine Sensitivitätsrate von mehr als 90 Prozent. Die KI erkennt COVID-19 auch auf einfachen Röntgenbildern, die aufgrund geringer Kosten häufiger eingesetzt werden. Hier ist die Erkennungsrate allerdings noch nicht ganz so hoch.


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Auch in anderen Bereichen hilft Automatisierung zum Beispiel bei der Erkennung von Kranken. So bieten Smart digital und Atos eine Lösung an, die mit Wärmesensoren vor dem Eingang von öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern die Temperatur von Besuchern misst. Bei erhöhter Temperatur wird der Zutritt beschränkt.

„Robotic Process Automation“ (RPA) automatisiert eine Vielzahl unterschiedlicher Prozesse und kann ohne langwierige Vorbereitung eingesetzt werden. Irische und israelische Krankenhäuser nutzen eine RPA-Lösung, um die Labortests automatisch an die jeweiligen Meldebehörden zu übergeben. Dadurch reduziert sich der bürokratische Aufwand und die Tests sind innerhalb weniger Minuten gemeldet.


In nur 48 Stunden half das israelische Startup-Unternehmen Kryon, Maccabi Health, einer der größten israelischen HMOs, bei der Implementierung ihrer RPA-Lösung zur Übertragung von Labortests zu COVID-19 vom Gesundheitsministerium in das Maccabi-System, wodurch der Prozess beschleunigt und der Kampf gegen diese weltweite Pandemie unterstützt wurde. Sie begannen am Freitag und hatten bis Sonntag eine vollständig in Produktion befindliche Technologie.


In China haben einige Drohnenhersteller und Transportunternehmen Drohnen genutzt, um die Lieferung von medizinischen Hilfsgütern und den Transport von Proben für Tests zu vereinfachen. Die Drohnen ermöglichen eine ebenso schnelle wie „kontaktlose“ Lieferung.

Eine Variante der automatisierten Lieferung ist ebenfalls in China erstmals genutzt worden: Autonome Roboter von Lieferdiensten wie JD.com lieferten Mahlzeiten an Personen in Quarantäne und Mitarbeiter von Krankenhäusern. Zudem setzten einige Restaurants diese Roboter zum Servieren von Speisen ein. Eine andere Art von Robotern mit UV-Lichtstrahlern wurde genutzt, um Flächen zu sterilisieren.

Telemedizin und Blockchain verbessern das Gesundheitssystem

Fernkonsultationen und -diagnosen mit Videounterstützung ermöglichen es Ärzten, infizierte Patienten zu behandeln, ohne sich selbst zu gefährden. Chinesische Telekommunikationsunternehmen haben in Rekordzeit ein System aufgebaut, das 27 Krankenhäuser verbindet. Die Remote-Technologie erlaubt es, Ressourcen über große Entfernungen zu teilen.

Die Blockchain-Technologie ist hilfreich, um medizinische Daten effektiv zu verwalten und und Materialflüsse bei Desinfektionsmitteln oder Masken zu überwachen. Sie kann die Transparenz in der gesamten Lieferkette gewährleisten und so Betrug, Diebstahl oder Preiswucher verhindern. In China sind in kürzester Zeit unterschiedliche Blockchain-Anwendungen entstanden, die sich diesen Problemen widmen.


Wuhan: Krankenhaus mit zehn Tagen Bauzeit

Bauunternehmen haben in Wuhan innerhalb von nur 10 bzw. 12 Tagen zwei neue Krankenhäuser gebaut – mit digitaler Unterstützung. Digitale Tools wie BIM (Building Information Modeling) brachten Hunderte von Designern zusammen, die Entwurfspläne innerhalb von 24 Stunden und Bauzeichnungen innerhalb von nur 60 Stunden erstellten. Beim Bau vor Ort wurden Tausende von Maschinen in Echtzeit mit einer industriellen Internetplattform überwacht und koordiniert.


In Nordrhein-Westfalen eröffnet ein virtuelles Krankenhaus für Intensivmedizin. Es soll die Intensivmediziner an Universitätskrankenhäusern mit anderen Intensivstationen verknüpfen. Dadurch erreichen auch die 3.000 Intensivbetten in Krankenhäusern der Grundversorgung das Behandlungsniveau der Maximalversorger – so sind alle 5.500 Intensivbetten in NRW für Schwerstkranke nutzbar.

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Baustelle Krankenhaus Wuhan

Das ist ein Auszug aus unserer neue Studie: Trendbook Smarter Enterprise – X-Mal schneller aus der Krise. Die Studie steht ab sofort zum Download bereit.

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