Auf dem Weg in die Gesundheitsökonomie mit digitalen Ökosystemen

von Bernhard Steimel
23. November 2020
Auf dem Weg in die Gesundheitsökonomie mit digitalen Ökosystemen

Ohne Datenfluss keine erfolgreiche Digitalisierung, diese Grundregel gilt für alle Branchen und für das Gesundheitswesen ganz besonders. Dabei müssen sich die einzelnen Akteure untereinander vernetzen und Datenflüsse aufbauen, um gleichermaßen von der Digitalisierung zu profitieren.

In der Gesundheitsbranche handelt es sich hierbei häufig um Gesundheitsdaten, die ausgetauscht werden. Ein typisches Beispiel ist ein Datenfluss von einem Hausarzt zu einem Facharzt und später zu einer Klinik.

Entscheidend für die Digitalisierung des Gesundheitssystems ist das Denken in Ökosystemen. Dafür müssen sich die Workflows der Akteure an Versorgungspfaden orientieren. Dabei wird ein Patient vom Zeitpunkt des ersten Arztbesuches digital bis in die Nachsorge begleitet.

Demokratisierung der besten Behandlung

Digitale Plattformen sind wichtige Akteure der Digitalisierung, sodass häufig von einer so genannten Plattformökonomie die Rede ist. Zentraler Aspekt ist dabei, dass sich auf einer Plattform unterschiedliche Akteure einer Branche oder eines Marktsegments treffen. Im einfachsten Fall ist das ein zweiseitiger Markt, bei dem der Plattformbetreiber zwischen Anbietern und Nachfragern vermittelt.

Übersetzt in die Gesundheitsbranche bedeutet das: Patienten haben nun die Möglichkeit, die beste Behandlung für eine Krankheit auf der Plattform zu finden. Dabei kann es sich um den Zugang zu einem entsprechenden Facharzt handeln, aber auch um telemedizinische Angebote oder Online-Therapien. So bietet die Plattform TeleDoctor24 ein Großteil der Dienstleistungen eines niedergelassenen Arztes inklusive Rezept und Krankschreibung, aber sieben Tage die Woche von acht Uhr morgens bis 21 Uhr abends.

Doch auch für andere Akteure in der Gesundheitsbranche gibt es spezifische Plattformen mit unterschiedlichem Fokus. So bietet Coliquio ein exklusives Netzwerk für Ärzte, das dem Austausch in der Community dient. GRYT Health verbindet geheilte Krebskranke und erfahrene Pflegekräfte für gegenseitigen Austausch und Unterstützung. Etwas ähnliches leistet auch die in.kontakt-App: Sie unterstützt pflegende Angehörige von Schwerkranken mit Informationen, Ratschlägen und gegenseitigem Austausch.

Elektronische Patientenakte: Mit dem Gesundheitskonto den Datenfluss aufbauen

Der erfolgreiche Aufbau eines Data Flow hat bestimmte technische Voraussetzungen. Wichtig ist vor allem ein Gesundheitskonto, im deutschen Gesundheitssystem also die Elektronische Patientenakte, wie sie von der Gematik GmbH umgesetzt wird. Dieses digitale Patientenkonto ist der Anker für die Beziehung zwischen allen Akteuren, also Patienten, Einrichtungen und der Krankenkasse. Sie wird ergänzt durch eÜberweisungen und eRezepte, also die digitalen Alternativen der jeweiligen Papierformulare.

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Entscheidend für den Aufbau eines leistungsfähigen Datenflusses sind Programmierschnittstellen sogenannte Application Programming Interfaces, kurz API. Sie ermöglichen es beliebigen Anwendungen untereinander Daten auszutauschen. In der Gesundheitsbranche entwickeln Innovatoren mit APIs neuartige, smarte Services und Produkte. In erster Linie sind das flinke Digitalunternehmen, die sehr stark die Bedürfnisse des Verbrauchers in der Gesundheitsbranche in den Blick nehmen.

Ein gutes Beispiel ist das Startup Health Navigator (jetzt bei Amazon). Es arbeitet an entscheidenden Schnittstellen im Gesundheitswesen und bietet eine Integrationsplattform für telemedizinische Anwendungen: Sie sorgt mit ihrer API dafür, dass Digitalpraxis, Online-Apotheke und Krankenversicherung Hand in Hand arbeiten. Der Kauf dieses Startups ist ein neues Beispiel für das strategische Vorgehen von Amazon, diesmal in der Gesundheitsversorgung.

Datensouveränität im Gesundheitssystem

Bereits vor zwei Jahren hatte Amazon das Patent für ein KI-gestütztes Diagnosesystem erhalten, mit dem der Sprachassistent Alexa Krankheitssysteme wie Husten oder einen trockenen Hals sowie Anzeichen ernsthafter Erkrankungen erkennen kann. Anschließend erhält der Verbraucher freiverkäufliche Medikamente angeboten. Mit dem Health Navigator will Amazon seine bisherigen Insellösungen (Arzneimittelversand, Amazon Care, Alexa) zu einer integrierten Lösung verbinden, die Daten entlang der gesamten „Patient Journey” zusammenführt.

André T. Nemat

An diesen Daten haben viele Akteure großes Interesse. Deshalb stellt sich die Frage, wem die Daten gehören: Dem Patienten? Dem Unternehmen? Oder der gesamten Gesellschaft? Für den Chirurgen und Digitalisierungsexperten André T. Nemat ist die Antwort klar: Er fordert die Datensouveränität jedes einzelnen Bürgers.

Mit dem Begriff Datensouveränität meine ich, dass jeder bestimmen kann, wer seine persönlichen Daten zu welchem Zweck erhebt. Sie gehören der Person und sie kann frei entscheiden, wem sie diese Daten zur Verfügung stellt. Sie könnte ihre Daten verkaufen, der Forschung spenden oder sie einfach nur irgendwo horten. Es gehört zur persönlichen Freiheit, mit seinen Daten souverän umgehen zu können. Und bei sehr privaten Daten wie dem eigenen Genom oder Behandlungsdaten zu einer Krankheit könnte die Person dann auch sagen: Nein, diese Daten gebe ich nicht weiter.


Dies ist ein Auszug aus unserer neuen Studie „Trendbook Smarter Health“. Hier geht‘s zum Download.

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