Unternehmen müssen darauf achten, dass die Kundenerfahrung durchgehend ist und sich nicht auf isolierte Systeme stützt, betont der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Nils Hafner. Nur so entstehe eine profitable Beziehung, die die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens stärkt – und in der Krise Bestand hat.
"Business-Entscheider wünschen sich eine vertriebsfreie Selbstbedienung. Für die Kunden ist Zeit Geld und Verkaufsgespräche kosten Zeit.“
Nils Hafner
Selfservice ist kundenfreundlich
Im B2C-Sektor ist E-Commerce im Grunde schon Alltag. Stimmt der Eindruck, dass E-Commerce vor allem durch Corona seinen Durchbruch im B2B-Markt erlebt hat?
Ja, die Akzeptanz ist gestiegen. Bei B2B-Sales war es bisher üblich, Verkaufsgespräche auf einer persönlichen Ebene abzuwickeln. Da hat sich durch Corona einiges geändert. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf Selfservice-Portale, wo die Kunden digitale Bestellprozesse auslösen. Das geht bis hin zur Konfiguration von Maschinen.
Bedingt durch die privaten Erfahrungen mit E-Commerce entspricht das auch den Bedürfnissen der Käufer. Zahlreiche Business-Entscheider wünschen sich eine „vertriebsfreie” Selbstbedienung. Für die Kunden ist Zeit Geld und langwierige Verkaufsgespräche kosten halt viel Zeit.
Ich stelle immer wieder fest, dass viele Besteller gerne selbst entscheiden möchten, ob und wann sie mit jemandem direkt sprechen wollen. Das betrifft sogar erklärungsbedürftige Produkte, um die es im Geschäftskundenmarkt sehr häufig geht.
Das Interview ist ein Auszug aus dem Trendbook Business Resilience. Wenn Sie mehr erfahren wollen, können Sie es als kostenloses E-Book herunterladen.
Neue Kanäle konsolidieren
Die Unternehmen haben neue Kanäle wie Teams oder WhatsApp eingeführt. Wie kommen sie damit zurecht? Gibt es da bereits erste Erfahrungen?
In der ersten Corona-Phase haben die Unternehmen die persönlichen Gespräche durch Online-Kanäle ersetzt, etwa Teams oder Zoom. Darüber hinaus gibt es auch CRM-Tools, die so etwas unterstützen. Das sind häufig Insellösungen, die in erster Linie vom Vertrieb genutzt werden.
Dahinter sitzt in vielen Fällen immer noch der alte Service, der überhaupt nicht digitalisiert ist. Die Unternehmen stehen also jetzt, ein Jahr nach dem Beginn der Coronakrise, vor der Konsolidierung. Sie müssen darauf achten, dass die Kundenerfahrung durchgehend ist und sich nicht auf isolierte Systeme stützt.
Schlimmstenfalls wissen die Servicekräfte gar nicht, was die Kunden mit dem Vertrieb abgesprochen haben und müssen sich überhaupt erst mal orientieren. Das kann Kunden abschrecken. Diese Situation ist im Moment in vielen Firmen entstanden.
"Selfservice bedeutet skalierbarer Service. Auch bei großen Volumina kommt es nicht zu einem Engpass oder Rückstau.“
Nils Hafner
Widerstandskraft durch guten Service
Wie wird dann eine solche Plattform zu einem Faktor für erhöhte Resilienz?
Selfservice bedeutet skalierbarer Service. Auch bei großen Volumina kommt es nicht zu einem Engpass oder Rückstau. Denn in jeder Service-Organisation beziehen sich gut 80 Prozent der Serviceanfragen auf etwa 20 Prozent der Probleme – und dafür sind die Lösungen bekannt. Zudem müssen die Unternehmen herausfinden, ob ein Servicefall werthaltig ist.
Dabei hilft die sogenannte Value-Irritant-Matrix (Siehe Abb. unten). Damit können Unternehmen unter anderem feststellen, welche Servicefälle rasch abgewickelt werden sollten. Das ist ein Anreiz zur Automatisierung. Denn von einigen Servicefällen ist der Kunde genervt. Er will nicht mit einem Verkaufsgespräch belästigt werden, er will einfach bloß eine rasche Lösung für seine Probleme.
Lediglich die komplexeren Probleme sind ein Fall für den Service. Hier entstehen wertvolle Gespräche. Sie helfen dem Unternehmen in erster Linie bei der Gewinnung von Informationen, um Probleme in Zukunft zu verhindern. Man sollte niemals denselben Fehler zweimal machen.
Solche werthaltigen Kundengespräche sind ein guter Ansatzpunkt für Cross- und Up-Selling. Dafür müssen die Unternehmen genau wissen, welche Fälle in den Selfservice passen und welche einen direkten Kontakt erfordern. Hilfreich ist dafür ein Scoring der Kunden. Damit können die Unternehmen feststellen, ob Kunden ein Potenzial für Cross- und Up-Selling haben.
Ein Beispiel aus der Softwarebranche: Wer mit einer veralteten Version registriert ist, hat vielleicht zur Problemlösung ein verstärktes Interesse daran, die aktuelle und fehlerfreie Version zu kaufen. Durch das Scoring gibt es nicht nur einen Ist-Wert für den Kunden, sondern auch einen Zukunftswert. Auch das verstärkt die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen.
Das Interview ist ein Auszug aus dem Trendbook Business Resilience. Wenn Sie mehr erfahren wollen, können Sie es als kostenloses E-Book herunterladen.