Auf Ressourcen und Produktlebensdauer ausgerichtete Geschäftsmodelle reichen nach Ansicht vieler Experten nicht aus, um die Kreislaufwirtschaft umfassend zu verwirklichen. Vereinfacht ausgedrückt: Weniger Müll ist immer noch zu viel Müll. Aus diesem Grunde denken erste Unternehmen bereits ihre Produkte neu – mit Blick auf Lebenszyklus, Nutzen, Design und die Services um das Produkt herum.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem „Trendbook Nachhaltigkeit mit Digitalisierung“. Einen Überblick über den Inhalt gibt der Artikel Nachhaltigkeit mit Digitalisierung beschleunigen. Sie können das Trendbook außerdem direkt kostenlos herunterladen.
Das Produktleben verlängern
In der Kreislaufwirtschaft sollen Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise verlängert sich der Lebenszyklus der Produkte.
Der wichtigste Begriff in diesem Zusammenhang ist „Cradle to Cradle“. Gemeint ist damit die Gestaltung und Steuerung des gesamten Produktlebenszyklus vom Gewinn der Rohstoffe über möglichst umfassende „Re-Use“-Schleifen und das Weiterverwerten von Abfällen bis hin zur endgültigen Lagerung nicht mehr verwertbarer Reste.
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Nachhaltiges Design für die Kreislaufwirtschaft
Unternehmen ersetzen den reinen Produktverkauf nach dem Motto „Verkaufen und Vergessen” durch eine Produktverantwortung, die sich über den gesamten Lebenszyklus des Produktes erstreckt. Nachhaltigkeit im Sinne von ”Cradle to Cradle” spielt bereits bei der Auswahl des Materials und der Gestaltung der Lieferkette eine Rolle. Dazu entstehen Wertschöpfungsnetzwerke, die Produzenten, Lieferanten und Reparateure einen Teil der Produktverantwortung abgeben.
Kreislaufwirtschaft mit digitalen Produktionsplattformen
In Wertschöpfungsnetzwerken bündeln digitale Produktionsplattformen die Prozesse. Ganz unterschiedliche Hersteller können auf diese Plattformen zugreifen und sie als Orte für ihre Produktion nutzen. Wertschöpfungsfaktoren und Produktionsdaten werden geteilt und gemeinsam genutzt. So entstehen flexible, modulare, regionale und resiliente Produktionsnetzwerke.
So sind digitale Produktionsplattformen wie der Online-Fertiger Facturee eine mögliche Strategie gegen Lieferkrise und Abbrüche der Lieferkette. Im Vergleich zur herkömmlichen Auftragsfertigung kann sich der Online-Fertiger schneller an aktuelle Gegebenheiten anpassen und dadurch Lieferengpässe minimieren. Das Produktionsnetzwerk besteht aus mehr als 2.000 Fertigungspartnern für CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung, 3D-Druck und Oberflächentechnik. Über 15.000 Maschinen garantieren freie Kapazitäten und kurze Lieferzeiten.
Nachhaltigkeit mit Digital Twin und Materialpass
Der Sustainable Twin erweitert die Idee des digitalen Zwillings auf Aspekte der Nachhaltigkeit. Wie der digitale Zwilling ist auch der Sustainable Twin das virtuelle Ebenbild eines physischen Produktes. Über Daten- und Informationsverbindungen sind beide Objekte, also Original und Zwilling, miteinander verbunden. Der Sustainable Twin sammelt über den gesamten Produktionszyklus hinweg Informationen zum Produkt und begleitet sein physisches Gegenstück während des gesamten Wertschöpfungsprozesses.
Alle Produktinfos auf NFC-Chip
Zu jedem Bauteil gehört eine Dokumentation, oft im umständlichen Papierformat. Die IDEAL Fensterbau Weinstock GmbH nutzt dafür einen NFC-Chip im Fenster. Er kann über ein NFC-fähiges Smartphone mit einer App ausgelesen werden. Der Chip zeigt die genauen Fenstermaße und Informationen über Einbau, Wartung und Reparatur an.
Damit können beispielsweise Fachhändler oder Handwerker ihre Prozesse beschleunigen. Einen Schaden zu begutachten dauert für Fachhändler statt einem ganzen Arbeitstag beispielsweise nur noch zehn Minuten. Denn der Endkunde scannt den Chip mit seinem Smartphone und leitet alle Daten per App an den Händler weiter.
Der Materialpass (Digital Product Pass, DPP) begleitet das Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg von Station zu Station. Er wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette kontinuierlich um Formen erweitert, die Nachhaltigkeit betreffen: Details zu Material, Recyclingvorgaben oder Angaben zum ökologischen Fußabdruck. Gemeinsame Standards sorgen dafür, dass die Informationen zwischen Materialpass und Sustainable Twin ausgetauscht werden. So lässt sich der Lebenszyklus eines Produktes mit digitalen Lösungen nachverfolgen.
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Eco-by-Design: Die Kreislaufwirtschaft benötigt langlebige Produkte
Ecodesign (auch ökologisches Design oder Sustainable Design) minimiert den Ressourceneinsatz und die Umweltbelastung eines Produktes, und bietet gleichzeitig den maximalen Nutzen. Dies geschieht beispielsweise durch die Fokussierung auf Langlebigkeit und einfachere Reparierbarkeit. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt, beispielsweise auch die Ver- und Entsorgung des Materials oder der soziale Umgang mit den Mitarbeitern.
Gebrauchte Elektronikgeräte erneuern
Das Startup Refurbed hat sich zum Ziel gesetzt, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und zur wirksamen Bekämpfung der Umweltverschmutzung beizutragen. Im Fokus stehen Services rund um Reparatur und Wiederaufbereitung. So soll eine längere Produktlebensdauer gefördert werden. Auf einer Online-Plattform verbinden sich Konsumenten und Händler. Vertrieben werden über den Marktplatz ausschließlich gebrauchte Elektronikgeräte zu Reparatur und Refurbishing. Der Kunde erhält vollständig erneuerte Geräte mit einer Zwölfmonatsgarantie.
Rückführungslogistik und Remanufacturing in der Supply Chain
Für Nachhaltigkeit im ganzen Produktlebenszyklus muss auch die Supply Chain reorganisiert und um die Aspekte Rückführung und Wiederverwertung erweitert werden. Die übliche Einweglogistik wird zu einem Mehrwegsystem und idealerweise zu einem Kreislauf – eine Closed-Loop Supply Chain. Das Ende einer der Schleifen ist nicht unbedingt das Ende des Produktlebenszyklus. Rund um Rückführung, Wiederaufbereitung, Reparaturen und Weiternutzung gibt es ein großes Potenzial für digitale Geschäftsmodelle.
Büromöbel mieten statt kaufen
Das dänische Startup NORNORM kombiniert nachhaltige Produktion, Aufbereitung und ein Service-Modell zu einem B2B-Geschäftsmodell. Es bietet Unternehmen attraktive Arbeitsplatzlösungen auf der Grundlage eines nachhaltigen Abonnementmodells für den aktuellen Bedarf.
Im B2B-Markt geht es um kontinuierliche Wartungssysteme über die gesamte Wertschöpfungskette. Hier steht am Ende des Lebenszyklus oft das automatisierte Re-Manufacturing. Bei dieser „Refabrikation“ werden gebrauchte Geräte auf den Qualitätsstandard von Neugeräten gebracht. So nutzt die Flugzeugindustrie häufig aufbereitete Teile.
Vollständige Produktkreisläufe sind in der Wirtschaft im Moment noch die Ausnahme. Allerdings gibt es in vielen Branchen und bei einigen Vorreiter-Unternehmen zahlreiche Elemente solcher Kreisläufe. Ein bekanntes Beispiel ist das Pfandsystem für Mehrwegflaschen. Es wird dank Standardisierung von vielen Herstellern unterstützt. Laut Umweltbundesamt (UBA) kann eine Glasflasche bis zu 50-mal befüllt werden, eine PET-Flasche 25-mal. Anschließend müssen auch diese Flaschen entsorgt werden, da sie nicht mehr für den Wiederverkauf geeignet sind.
Recycling: Abfälle werden zu Material
Einige Geschäftsmodelle haben sich rund um das Recycling von Abfällen etabliert. Hier gibt es smarte Mülltonnen oder Roboter für Abfallsortierung. Einige Startups arbeiten an neuen Methoden, um Abfall zu wieder verwendbarem Material zu machen. So stellt Worn Again neue Kleidungsstücke aus nicht wieder verwendbaren Textilien, PET-Flaschen und Verpackungen her.
QR-Code mit Recycling-Informationen
Das britische Startup Polytag stattet Produkt- und Umverpackungen mit einem QR-Code aus, sodass beim Recycling die genaue Zusammensetzung des Verpackungsmaterials bekannt ist.
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