Der deutsche Mittelstand muss nicht zur Nachhaltigkeit gezwungen werden, die Mehrheit der Unternehmen ist bereits aktiv – so ein Ergebnis der ersten empirischen Studie zum Status des Nachhaltigkeitsmanagements im Mittelstand, erhoben von Innofact in Zusammenarbeit mit dem Smarter Service Institut und mind digital.
45 Prozent der 100 befragten Unternehmen geben an, dass ein Nachhaltigkeitsmanagement existiert und die neuen Berichtspflichten der EU bereits jetzt erfüllt werden. Die 49 Prozent, die noch an ihrer Nachhaltigkeitsstrategie feilen, wollen bis Ende 2023 ebenfalls berichtsfähig sein.
Das zeigt: Die Unternehmen bereiten sich intensiv auf die neuen gesetzlichen Anforderungen vor. Beeindruckend ist, dass sie das Thema ganzheitlich betrachten und dabei wissenschaftlichen Methoden folgen.
Fünf zentrale Erkenntnisse lassen sich aus den unsere Untersuchungsergebnissen ableiten:
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Nachhaltigkeit ist ein Teamsport
Nachhaltigkeitsstrategien und Initiativen können nicht von Einzelpersonen bewältigt werden – auch nicht in der Geschäftsführung. Wie bei der digitalen Transformation eines Unternehmens muss es zwar einen Verantwortlichen geben, doch er wird die Transformation des Unternehmens – in diesem Fall zur Nachhaltigkeit – nicht allein stemmen können. Die meisten von uns befragten Unternehmen haben deshalb ein Nachhaltigkeitsteam aufgebaut. Die Teilnehmer rekrutieren sich aus den einzelnen Fachbereichen.
Der Nachhaltigkeitsverantwortliche koordiniert und berät die Fachbereiche. Der Vorstand entscheidet über die Strategie, alle Investitionen werden zentral gesteuert. Die meisten etwas größeren Unternehmen mit verschiedenen Teilgesellschaften oder Niederlassungen setzen hier auf das Subsidiaritätsprinzip: Lokale Aktivitäten werden von den Einzelgesellschaften finanziert, Gemeinkosten wie ESG-Reporting und CO2-Bilanzierung werden dagegen zentral finanziert.
64 %
der befragten Unternehmen haben Zuständigkeiten auf Geschäftsführungsebene geschaffen.
Unternehmen denken Nachhaltigkeit strategisch
Die befragten Unternehmen wollen nicht nur das Notwendige tun, sondern das ESG-Management systematisch angehen. Nachhaltigkeit wird zum Teil ihrer Unternehmensstrategie. Es gibt vier Anspruchsniveaus:
- Vorreiter sind intrinsisch motivierte Überzeugungstäter.
- Effizienzgetriebene Unternehmen wollen einen Schritt voraus sein und Wettbewerbsvorteile gewinnen.
- Defensiv orientierte Absicherer wollen wettbewerbsfähig bleibe. Sie sehen Nachhaltigkeit primär als Kostenfaktor.
- Nachzügler engagieren sich nur, wenn sie müssen.
In Familienunternehmen ist vor allem der Einfluss der Eigentümer entscheidend – selbst wenn sie nicht die Geschäftsführung stellen. Da sie häufig eine längerfristige Perspektive einnehmen, ist für sie Nachhaltigkeit die Pflicht zu einer enkelfähigen Wirtschaft. Insofern wundert es nicht, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch aus dem Privatvermögen der Eigentümer finanziert werden.
79 %
der befragten Unternehmen sehen die größte Herausforderung im ESG-Datenmanagement.
ESG-Performance-Management ist im Fokus
Performance-Management ist der wichtigste Job für die Unternehmen. Für viele Entscheider steht die Umsetzung der CSRD-Richtlinie im Fokus. Der Mehraufwand im Berichtswesen soll durch Einsatz von Software-Tools kompensiert werden. Die wichtigste Aufgabe im Nachhaltigkeitsmanagement ist dabei der Aufbau einer dauerhaften Datenpipeline für die transparente Erfassung – etwa mit einer institutionalisierten Datensammelstelle im Unternehmen. Vertrauensvolle Daten sind die Basis.
Die Anforderungen an die Software variieren mit dem Reifegrad des Nachhaltigkeitsmanagements. Dabei lassen sich Starter, Fortgeschrittene und Experten unterscheiden.
Starter suchen nach einfachen und überschaubaren ESG-Tools, die sie möglichst sofort einsetzen und ohne Schwierigkeiten bedienen können. Für sie ist das Synchronisieren unterschiedlicher Datenquellen die größte Herausforderung.
Fortgeschrittene setzen auf die im Markt verfügbaren Tools für ESG-Management und -Reporting. Ihr Ziel: Sie wollen die Projektlaufzeiten senken und mit hoher Datenqualität eine möglichst halbautomatisch ablaufende Berichterstattung erreichen.
Experten sind erfahren im Datenmanagement und versiert im Einsatz von Data Analytics und Datenplattformen. Für diese Unternehmen ist klar, dass ESG Teil des Performance-Managements wird und die ESG- mit den ERP-Daten zusammenfließen müssen.
9 von 10
der befragten Unternehmen planen den Einsatz digitaler Lösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement.
Co-Creation & Innovation bringen Fortschritt
Zwei Jahre vor Inkrafttreten der CSRD ist eines klar: In vielen Unternehmen ist der Wandel in vollem Gange, es herrscht jedoch Unsicherheit über den richtigen Weg. Neun von zehn Befragungsteilnehmern äußern daher den Wunsch, mit anderen Verantwortlichen und Experten Innovationschancen zu erkunden.
Das Interesse an Dialog-Plattformen ist hoch. Unternehmen erwarten, dass sie das Lernen und den Austausch ermöglichen und Innovationen fördern. Dabei sind allerdings unterschiedliche Schwerpunkte zu erkennen:
- Starter interessieren sich in erster Linie für Wissenstransfer und Coaching bei der Einführung des ESG-Reporting.
- Fortgeschrittene wollen den nächsten Schritt machen und interessieren sich für Tool-gestütztes ESG-Data-Management mit Automatisierung.
- Experten nutzen bereits ESG-Data-Management und bevorzugen Innovationsworkshops und Co-Creation, um beispielsweise zusammen mit ihren Zulieferern einen Digital Twin für die Lieferkette zu entwickeln.
Unabhängig vom Reifegrad des ESG-Management zeigen die Unternehmen ein großes Interesse daran, möglichst schnell besser zu werden und zu lernen, sich mit Fachleuten auszutauschen und Anregungen für Innovationen zu bekommen.
84 %
der befragten Unternehmen bekunden Interesse an Innovationsworkshops, um neue Lösungen zu entwickeln.
Von den Vorreitern lernen, einen branchenübergreifenden Dialog starten
Jede Branche hat ihre eigenen Herausforderungen. Für diese Studie wollten wir praxisrelevante Erfahrungen aus den Unternehmen präsentieren. Deshalb haben wir 25 Nachhaltigkeitsverantwortliche und Geschäftsführer um ihre Erfahrungsberichte gebeten.
Drei Branchengruppen standen dabei im Fokus:
- Bei Produktionsunternehmen rückt der Product Carbon Footprint in den Fokus.
- Im Handel wird die transparente Lieferkette zum Top-Thema.
- Im Dienstleistungssektor sind Themen wie die Mitarbeitermobilität von zentraler Bedeutung.
Die drei folgenden Beispiele zeigen, wie Unternehmen die Herausforderungen der Nachhaltigkeit bewältigen:
- WKW Automotive ernennt Nachhaltigkeit zum wichtigen Geschäftsprinzip. Unter anderem wird das an der Entwicklung nachhaltiger Aluminiumbauteile mit dem Markennamen NEWTRAL deutlich.
- Bei Gerolsteiner Brunnen ist Nachhaltigkeit neben Innovation, Qualität und Profitabilität fest in der Unternehmensstrategie verankert. Mit digitalen Technologien vereinfacht das Unternehmen die Datenerhebung.
- Die Bauberatung Drees & Sommer bezeichnet Nachhaltigkeit als Grundhaltung. Um die Baubranche zu unterstützen, haben die Berater Produkte für das Nachhaltigkeitsmanagement entwickelt, etwa eine Plattform zur Beschaffung nachhaltiger Baumaterialien.
Diese drei und zehn weitere Unternehmen sind die Protagonisten in unserem Best-Practices-Kapitel mit ausführlichen Erfahrungsberichten. Die Geschäftsführer oder Nachhaltigkeitsverantwortlichen haben uns ihre Erfahrungen mit ESG-Berichterstattung und Nachhaltigkeitsmanagement genauer geschildert. Diese Erfahrungsberichte bieten Einblick in die Unternehmenspraxis und geben anderen Mittelständlern Hinweise zu ihrem Vorgehen.
Einstieg ins ESG-Performance-Management gelingt in 6 Schritten
ESG-Performance-Management betrifft alle Unternehmensbereiche. Das Performance-Rad erleichtert mit seinen sechs Schritten den Einstieg und hilft beim Aufbau eines umfassenden Nachhaltigkeitsmanagements. Dabei entsteht ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der Unternehmen dabei hilft, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
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Über die Studie
Ende 2022 haben wir in einer Online-Befragung Nachhaltigkeitsverantwortliche in 100 mittelständischen Unternehmen mit 250 bis 1.000 Mitarbeitern zum Nachhaltigkeitsmanagement und ESG-Berichterstattung befragt. Im Anschluss haben wir Tiefeninterviews mit 25 ausgewählten CxO durchgeführt, um weitere Einsichten zu gewinnen. Zudem haben wir 13 mittelständische und Familienunternehmen aus den Tiefeninterviews gebeten, mit uns gemeinsam einen Erfahrungsbericht über ihre Best Practices zu erstellen. Dabei haben wir unterschiedliche Branchen und Themenschwerpunkte betrachtet, um die wirtschaftliche Realität möglichst gut abzubilden.
2 Kommentare
Lieber Herr Steimel, ich habe nichts Besonderes – nur fiel mir auf, dass bei dem sonst so perfekten Auftritt auf Ihrer Seite und insgesamt, exakt der erste Satz Ihrer Personenbeschreibung kaputt ist. ich glaub, es fehlt ein „dabei“… Mich würde das ärgern 😉 …
Ansonsten denke ich, dass wir sehr ähnlich denken – vielleicht ergibt sich ja einmal die Chance etwas zusammen zu machen. Schöne Grüße! Susanne Robra-Bissantz
Liebe Frau Robra-Bissantz, vielen Dank für den Hinweis. Tatsächlich ist bisher niemandem aufgefallen, dass sich ein Fehler in mein Gravatar-Profil „eingeschlichen“ hat. Beste Grüße Bernhard Steimel