Ökonomische Sicherheitspolitik: Zwischen Machtinteressen und Kooperation – Wie Deutschland seine Zukunft sichern sollte

von Gunnar Sohn
17. Januar 2025

Die geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart fordern eine Sicherheitspolitik, die wirtschaftliche Stärke und Resilienz miteinander verbindet. Eine integrative Strategie ist erforderlich, die nationale Interessen schützt, ohne die Chancen internationaler Kooperation aus den Augen zu verlieren. Erkenntnisse aus der Resilienzstudie „Digitale Vorreiter im Mittelstand“ sowie die Überlegungen von Gabriel Felbermayr und Martin Braml in ihrem Buch „Der Freihandel hat fertig“ liefern wertvolle Anregungen.

Friendshoring und der Schutz strategischer Interessen

Wie Veronika Grimm vom Sachverständigenrat hervorhebt, erfordert eine kluge Außenwirtschaftspolitik eine Balance zwischen nationalem Schutz und globaler Offenheit. Felbermayr und Braml warnen sogar vor einem exzessiven Autarkismus: Die vollständige Eigenproduktion zur Versorgungssicherheit könne weder vor externen Schocks schützen noch wirtschaftlich sinnvoll sein . Vielmehr sollte Deutschland seine Handelspartner diversifizieren und gleichzeitig auf die Widerstandsfähigkeit internationaler Lieferketten setzen.

Resilienzfaktoren als Fundament

Die Resilienzstudie identifiziert fünf zentrale Faktoren: Anpassungsfähigkeit, Handlungsschnelligkeit, Resonanzfähigkeit, Smartness und Entschlossenheit. Felbermayr und Braml ergänzen diese Perspektive, indem sie die Bedeutung der Substitutionsfähigkeit betonen. Resilienz bedeute nicht die Rückkehr zu einer vormals bestehenden Struktur, sondern die Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten . Für Deutschland bedeutet dies, wirtschaftliche Strukturen so zu gestalten, dass sie flexibel auf globale Schocks reagieren können.

Technologische Souveränität als strategisches Ziel

Die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten und Technologiegiganten macht Deutschland angreifbar. Hierbei plädieren Felbermayr und Braml für eine gezielte Diversifizierung, unterstützt durch finanzielle Anreize wie einen Konzentrationszoll. Dieser würde progressive Zölle auf Güter aus Ländern mit hohen Exportanteilen erheben und so die Lieferketten diversifizieren .

Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Transformation

Ein weiteres Schlüsselelement der ökonomischen Sicherheitspolitik ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft. Impulse aus der Entsorgungsbranche unterstreichen die Notwendigkeit:

1. Einführung eines Rohstofffonds: Dieser Fonds, durch Beiträge der Hersteller finanziert, könnte Innovationen im Recycling und der Rückgewinnung kritischer Rohstoffe fördern. Wie Felbermayr und Braml argumentieren, kann die wirtschaftliche Transformation nur durch kluge Investitionen und klare Anreize gelingen .

2. Förderung geschlossener Stoffkreisläufe: Harmonisierte europäische Rahmenbedingungen sind erforderlich, um Stoffkreisläufe effizient zu gestalten. Eine stärkere europäische Zusammenarbeit würde nicht nur die wirtschaftliche Effizienz steigern, sondern auch die Versorgungssicherheit verbessern.

3. Verteidigungsrelevanz der Kreislaufwirtschaft: Politische Entscheidungsträger sollten die strategische Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die nationale Sicherheit in ihre Agenden aufnehmen. Felbermayr und Braml mahnen, dass Resilienz auch die Fähigkeit einschließt, Lieferketten im Krisenfall schnell und effizient zu ersetzen .

Lehren für die Zukunft

Die Überlegungen von Gabriel Felbermayr und Martin Braml machen deutlich, dass ein übertriebener Fokus auf Autarkie kontraproduktiv ist. Stattdessen muss Deutschland eine resilienzbasierte Politik verfolgen, die globale Abhängigkeiten reduziert, ohne die Vorteile des Freihandels zu gefährden. Dies erfordert eine entschlossene, intelligente und pragmatische Herangehensweise, die wirtschaftliche Stärke mit langfristiger Resilienz verbindet.

Deutschland steht an einem Scheideweg: Die Wahl zwischen symbolischer Geste und substanzieller Reform entscheidet über die Zukunftsfähigkeit des Landes.

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