Wirtschaft ohne Zukunft? Warum Deutschland eine neue Wachstumsstrategie braucht #BTW2025

von Bernhard Steimel
2. Februar 2025

Robert Habeck hat den Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt, die Erwartungen sind ernüchternd: Von den ursprünglichen 1,1 Prozent Wachstum bleiben nur noch 0,3 Prozent. Die Wirtschaftsweisen warnen: Die nächsten zehn Jahre werden von einer drastischen Verlangsamung geprägt sein. Deutschland, das Land der Ingenieure und Denker, scheint in der Wachstumssackgasse zu stecken. Ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger sind nicht bloß eine Zahlenspielerei – sie entscheiden über Arbeitsplätze, Innovationen, letztlich über den Wohlstand der Gesellschaft. Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf, doch erstaunlich wenig geht es um Wirtschaftsthemen. Die Debatte kreist um Umfragen, persönliche Angriffe und Symbolpolitik – dabei wäre jetzt der Moment für eine ernsthafte wirtschaftliche Standortbestimmung.

Stillstand als Schicksal?

Der „Wirtschaftswarntag“ am Brandenburger Tor versickerte im politischen Alltagslärm. Dabei ist die Forderung der Unternehmen glasklar: weniger Bürokratie, niedrigere Energiekosten, weniger Steuern, bessere Infrastruktur, mehr Fachkräfte. Die Vertreter der traditionellen Wirtschaftspolitik – von Wirtschaftsverbänden über politische Entscheidungsträger bis hin zu manchen Ökonomen – wiederholen diese Forderungen gebetsmühlenartig. Doch die eigentliche Frage bleibt unbeantwortet: Ist dieses Modell, das auf Effizienzsteigerung und Kostenreduktion setzt, noch zeitgemäß? Oder braucht es eine völlig neue Definition von Wachstum?

Die Illusion endlicher Ressourcen

Die klassische Wirtschaftswissenschaft denkt Wachstum fast ausschließlich in materiellen Kategorien: Rohstoffe, Produktionsgüter, Flächen. Doch genau diese Ressourcen sind endlich. Die Klimakrise erzwingt eine radikale Abkehr von fossilen Energien, Lieferketten brechen unter geopolitischen Spannungen zusammen. Die Politik kann versuchen, alte Rezepte mit neuen Subventionen zu retten – oder sie stellt die Wirtschaft auf eine grundlegend neue Grundlage. Eine Wissensökonomie, die Wachstum nicht durch Verbrauch, sondern durch Skalierung von Ideen erzeugt, wäre ein solcher Paradigmenwechsel.

Das Wissen als neue Währung

Wissen verhält sich grundlegend anders als materielle Ressourcen: Es wird mehr, wenn man es teilt. Eine datenbasierte Wirtschaft kann exponentiell wachsen, ohne dass sie an natürliche Grenzen stößt. Unternehmen wie Amazon oder Google haben gezeigt, dass digitale Infrastruktur nahezu unbegrenzt skalierbar ist. Doch Deutschland diskutiert immer noch über Datenschutz, über die Risiken von KI und den vermeintlichen Schutz alter Industrien.

Was, wenn der eigentliche Engpass nicht die Rohstoffe sind, sondern der politische Wille, ein neues Wirtschaftsmodell zu etablieren? Der Wahlkampf bietet eine Gelegenheit, diese Debatte endlich zu führen. Eine Wissensökonomie setzt nicht auf staatlich subventionierte Brücken, die ins Nirgendwo führen, sondern auf offene Plattformen, kollaborative Innovationsnetzwerke, digitale Infrastruktur. Wo steht Deutschland in diesem Wettlauf? Die Antwort wird über seine wirtschaftliche Zukunft entscheiden.

Die Relationale Ökonomie als Chance

Die Verknüpfung von Wissen, die Nutzung von Netzwerkeffekten, die Skalierung durch digitale Technologien – all das deutet auf eine Relationale Ökonomie hin, die nicht mehr von Produktionskapazitäten abhängt, sondern von der Fähigkeit, Wissen in Wert zu verwandeln. Doch dafür braucht es eine politische Agenda, die sich nicht in Umverteilungsdebatten erschöpft, sondern die wirtschaftlichen Strukturen grundlegend modernisiert. Die kommenden Jahre entscheiden darüber, ob Deutschland in der neuen Wirtschaftsordnung eine Rolle spielt oder zum Hochlohn-Industriepark für andere Länder degradiert wird.

Die politische Verantwortung

Deutschland steht am Scheideweg: Sollen wir die Reste des alten Wirtschaftswunders verwalten oder den Mut aufbringen, eine neue Wachstumsform zu definieren? Wächst eine Wirtschaft, die sich auf endliche Ressourcen stützt, oder eine, die in Wissen und digitalen Technologien ihre Zukunft sieht? Die nächste Bundesregierung wird eine Antwort darauf geben müssen. Gefragt sind aber auch die Protagonisten des Sachverständigenrates und der Wirtschaftsforschungsinstitute.

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