„Ich glaube, wir kommen jetzt in eine Phase, in der Management durch Technologie ersetzt werden kann.“ Ein Satz wie ein Sprengsatz, abgeworfen von Marc Wagner in die wohlige Runde der Zukunftsdenker. Sein Gegenüber, Bernhard Steimel, ein erfahrener Analyst digitaler Transformationen, hebt die Augenbrauen. Die digitale Revolution frisst ihre Kinder – und diesmal sind es die Organigramme. Was einmal als Stabilitätsanker galt, erscheint heute als Klotz am Bein. Die alten Hierarchien, die feinen Gliederungen von Abteilungen und Zuständigkeiten – sie haben ausgedient. Oder doch nicht?
Die Unternehmen stehen vor einem Dilemma. Wer sich nur auf Effizienzsteigerung konzentriert, scheitert, weil er Innovationen blockiert. Wer Innovationen isoliert, baut hübsche, aber nutzlose Labore. Also was tun? „Wir brauchen Netzwerke, keine Silos“, fordert Steimel. Die Unternehmen, die überleben, sind nicht die mit den besten Quartalszahlen, sondern jene, die Komplexität produktiv machen.
Gunnar Sohn, der Moderator, rührt im Gebräu dieser Gedanken mit seiner eigenen Skepsis: „Wird am Ende nicht doch wieder das Organigramm geändert? Mal wird zentralisiert, dann dezentralisiert. Heute Inkubatoren, morgen Holding-Strukturen. Alles schon mal gesehen.“ Marc Wagner schüttelt den Kopf: „Diesmal ist es anders.“ Die Technologie schafft Fakten. Künstliche Intelligenz kann Management ersetzen, aber nicht Leadership. Wer nicht motivieren kann, wird ersetzt. Das ist kein Trend – das ist ein Umbruch.
Eine Renaissance der Unternehmenskultur?
Steimel hebt an, die Debatte weiterzudrehen. Er spricht von der Renaissance des Mittelstands, vom Unternehmertum, das nicht in Shareholder-Value erstickt, sondern langfristig denkt. „Was fehlt, ist die Perspektive, Unternehmen nicht nur zum Exit zu führen, sondern zur nächsten Generation“, sagt er. Die Gegenwart der Wirtschaft ist eine Gegenwart des Übergangs. Die Zukunft gehört jenen, die Strukturen schaffen, die Lernen ermöglichen. „Paradoxien managen, Performance verankern“, lautete das Motto der Diskussion. Klingt nach Berater-Deutsch? Vielleicht. Aber es ist auch eine Notwendigkeit.
Das deutsche Problem sei nicht, dass es keine Innovationen gebe. Es werde nur nicht darüber gesprochen. „Wir brauchen mehr Positivnarrative“, ruft Wagner in den digitalen Äther. Der Mittelstand hat längst begonnen, sich neu zu erfinden – nur in den Wirtschaftsredaktionen der großen Blätter scheint das niemand zu bemerken.
Steimel hakt nach: „Das Problem ist nicht der Wille zur Veränderung. Das Problem sind die Strukturen, die verhindern, dass Veränderung entsteht.“ In den Führungsetagen deutscher Unternehmen sei „Sicherheit“ oft wichtiger als Mut. „Aber genau dieser Mut ist es, der heute zählt.“
Was bleibt?
Es ist eine Diskussion über ein Wirtschaftssystem am Scheideweg. Wird Deutschland die Renaissance der Innovation erleben? Wird es sich aus der Bürokratie-Schlinge befreien, die Steimel als eine der größten Wachstumsbremsen identifiziert? „Weniger bestrafen, mehr fördern“, fordert Wagner. Doch wer hört zu? Wer setzt um?
Die Zukunft gehört denen, die tun. Und die Vergangenheit? Sie bleibt eine Blaupause des Scheiterns.
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