Chabuduo oder Chabufutsch? Warum der deutsche Maschinenbau jetzt handeln muss

von Gunnar Sohn
10. Februar 2025

Die Zeit der klassischen Industriepolitik ist vorbei. Wer heute noch auf staatliche Programme setzt, die mit Subventionen und Steuervergünstigungen den deutschen Maschinenbau schützen sollen, hat die tektonischen Verschiebungen der Weltwirtschaft nicht verstanden. Die Konkurrenz kommt längst nicht mehr nur aus den USA oder Japan. Es ist China, das mit „Good Enough“-Produkten, die um dreißig Prozent billiger sind, den deutschen Maschinenbau frontal attackiert. Chabuduo, so nennen sie es dort: Fast perfekt. Perfekt genug. Und die Kunden? Sie greifen zu.

Jahrzehntelang galt „Made in Germany“ als Synonym für höchste Ingenieurskunst. Präzision, Langlebigkeit, Zuverlässigkeit. Ein Qualitätsversprechen, das in den großen Industrienationen ebenso wie in den aufstrebenden Märkten Vertrauen schuf. Doch der Markt hat sich verändert. Perfektion ist nicht mehr das entscheidende Verkaufsargument, wenn „fast so gut“ zum Bruchteil der Kosten zu haben ist. Wer in Asien oder Südamerika eine Maschine kauft, denkt nicht an Generationen, sondern an Amortisation. Die Kosten müssen runter, die Marge muss hoch. Qualität ist gut, aber Wirtschaftlichkeit schlägt Qualität. Und so wackelt die deutsche Vorherrschaft. Wer sich heute auf alte Tugenden verlässt, läuft Gefahr, sich selbst zum Denkmal vergangener Zeiten zu machen.

Der deutsche Maschinenbau kann den Preiskampf nicht gewinnen. Das Rennen um die günstigste Fertigung hat China längst für sich entschieden. Wer dennoch weiter an der reinen Produktstrategie festhält, wird im globalen Wettbewerb verlieren. Die Antwort kann deshalb nur sein, den Mehrwert an einer anderen Stelle zu suchen. Es geht nicht mehr nur um Maschinen, sondern um das, was sie leisten. Smart Services müssen zum Standard werden. Predictive Maintenance, die Ausfälle verhindert, bevor sie auftreten. Flexible Finanzierungsmodelle, die Investitionen erleichtern und planbar machen. Automatische Nachbestellungen von Ersatzteilen, bevor sie benötigt werden. Digitale Zwillinge, die Maschinenlaufzeiten optimieren. Der Kunde kauft keine Maschine mehr, sondern eine Garantie für Effizienz, Betriebssicherheit und Wertschöpfung.

Doch während Unternehmen in anderen Industrien diesen Wandel längst verinnerlicht haben, wartet der deutsche Maschinenbau ab. Zu viele Unternehmen sind zögerlich, klammern sich an bewährte Strukturen und glauben, dass die nächste Konjunkturerholung das Problem von allein lösen wird. Dabei zeigt der Blick in die Branchenzahlen: Es gibt kein natürliches Gleichgewicht, das sich von selbst wieder einpendelt. Die Produktion schrumpft, die Margen sinken, der Wettbewerb wird härter. Die Zeit des Abwartens ist vorbei.

Die neue Bundesregierung muss das erkennen und die wirtschaftspolitischen Leitplanken anpassen. Es reicht nicht mehr, Steuererleichterungen zu gewähren oder klassische Innovationsförderung zu betreiben. Deutschland braucht eine kluge Strategie, die den Maschinenbau in eine digitale Zukunft überführt. Der Staat muss den Umbau nicht nur begleiten, sondern aktiv vorantreiben. Die Infrastruktur für datenbasierte Geschäftsmodelle muss ausgebaut werden. Rechtliche Unsicherheiten, die Investitionen in digitale Services hemmen, müssen beseitigt werden. Anreize für Unternehmen, die den Schritt in die Plattformökonomie wagen, müssen konsequent gesetzt werden. Wer weiterhin nur auf Hardware setzt, wird auf lange Sicht verlieren. Der Markt hat sich verändert, und mit ihm muss sich auch die Industriepolitik verändern.

Deutschland hat noch einen Vorsprung, doch er schmilzt. Es gibt eine letzte Chance, die Weichen neu zu stellen, bevor „Good Enough“ nicht nur als kostengünstige Alternative, sondern als neuer Standard gilt. Chabuduo oder Chabufutsch? Die Entscheidung fällt jetzt.

Siehe auch das Trendbook Smarter Service.

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