Rückwärtsgang in die Mottenkiste – Die seltsame Industriestrategie von JD Vance – Shifting into Reverse – JD Vance’s Strange Industrial Strategy @VP @MunSecConf #MSC2025

von Gunnar Sohn
14. Februar 2025

Mister US-Vizepräsident, Deutschland hätte sich also just in dem Moment für die Deindustrialisierung entschieden, als Russland in die Ukraine einmarschierte? Das ist eine interessante These, die Sie auf der Sicherheitskonferenz in München präsentieren. Fast so, als hätten wir hier Jahrzehnte lang in funkelnden Kohlegruben und qualmenden Hochöfen gesessen, nur um dann – zack – mit dem ersten russischen Panzer über die Grenze den Hammer fallen zu lassen: „Sorry, Leute, jetzt machen wir’s anders, back to Stone Age!“

Dummerweise ist die Realität etwas komplexer. Schon in den 1960er Jahren begann Deutschland, sich von der Schwerindustrie zu verabschieden – damals, als Amerika noch mit eigenen Hochöfen kokettierte, bevor sie dann von asiatischen Konkurrenten weggeblasen wurden. Deutschland ist nicht rohstoffreich? Ach was. Wir hatten mal Kohle, aber davon wollten wir loskommen. Warum? Weil es wirtschaftlich sinnvoll war. Hermann Simon, renommierter Wirtschaftsberater, hat es treffend formuliert: Der Rückbau des Bergbaus hat Deutschland nicht geschadet – er hat das Land nach vorn gebracht.

Schumpeter hätte seine Freude. Deutschland ist kein Land der rust belt-Nostalgie. Es lebt von der Transformation, von der ständigen Erneuerung und Neuerfindung – eine Lektion, die man in den USA wohl nicht mehr so auf dem Schirm hat. Zumindest in der Trump-Gefolgschaft. Während dort die Diskussion um Subventionen für die heimische Industrie schwelgt, wissen wir längst: Ein Standort ist nicht deshalb gut, weil er alt ist, sondern weil er sich anpasst.

Deutschland und Energieabhängigkeit? Sie sagen, wir seien vor zehn Jahren unabhängiger gewesen? Nun ja, damals floss russisches Gas in Strömen. Die Abhängigkeit war absolut. Heute sind wir diversifizierter. Dass LNG-Importe nicht die ultimative Antwort auf Energieautarkie sind? Geschenkt. Aber soll die Alternative wirklich sein, noch mehr Fracking-Gas aus den USA zu importieren? Wäre das wirklich „unabhängig“?

Und jetzt? Ein Blick nach vorn. Während die USA überlegt, ob es eine kluge Idee ist, das 21. Jahrhundert mit den Methoden des 20. zu bestreiten, sollte sich JD Vance dringend ein wenig Lektüre gönnen. Vielleicht das Trendbook Smarter Service. Das könnte ihm aufzeigen, dass wir nicht in der Rückwärtsbewegung stecken, sondern längst in der digitalen, service-orientierten Ökonomie angekommen sind. Deutschland kann sich ein bisschen Deindustrialisierung leisten – weil es auf Deep Tech und vernetzte Servicewirtschaft setzt.

Lesen bildet, Mister Vance.

Mr. Vice President of the United States,

So, according to you, Germany conveniently decided to embrace deindustrialization the moment Russia invaded Ukraine? An interesting theory to present at the Munich Security Conference. Almost as if we had spent decades basking in the glow of coal mines and towering smokestacks, only to suddenly—bam!—drop the hammer the second the first Russian tank rolled across the border: “Sorry, folks, time for something new. Back to the Stone Age!”

Unfortunately, reality is a little more complex. Germany started phasing out heavy industry in the 1960s—back when America was still flirting with its own blast furnaces before they got wiped out by Asian competitors. Germany isn’t rich in natural resources? No kidding. We used to have coal, but we moved on. Why? Because it made economic sense. Hermann Simon, a renowned business strategist, put it best: dismantling the mining industry didn’t hurt Germany—it pushed the country forward.

Schumpeter would be thrilled. Germany is not a land of Rust Belt nostalgia. It thrives on transformation, on constant reinvention—a lesson that seems to have slipped off the radar in the U.S., at least among Trump’s loyalists. While Washington is still debating subsidies to prop up its domestic industry, we’ve long understood: a country’s economic strength doesn’t come from clinging to the past but from adapting to the future.

Germany and energy dependence? You claim we were less dependent ten years ago? Well, back then, Russian gas was flowing freely. Dependence was absolute. Today, our energy sources are more diversified. Sure, LNG imports aren’t the ultimate answer to energy autonomy—but is the alternative really to import even more fracked gas from the U.S.? Would that make us truly “independent”?

And now? A look ahead. While the U.S. is still pondering whether running the 21st century with 20th-century methods is a smart idea, JD Vance should really pick up a book. Maybe Trendbook Smarter Service. It might help him realize that Germany isn’t in reverse gear—we’ve long arrived in the digital, service-oriented economy. We can afford a little deindustrialization—because we’re investing in deep tech and interconnected service economies.

Reading is enlightening, Mr. Vance.

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