Digitale Resilienz: Wie Deutschland 2029 funktionieren muss

von Gunnar Sohn
5. März 2025

Es gibt eine unbequeme Wahrheit – die Dinge, die wir heute Digitalpolitik nennen, sind nicht das Problem. Sie sind das Symptom. Das eigentliche Problem ist, dass wir seit Jahrzehnten Verwaltung und Staatlichkeit als etwas Statisches, als Trägheit in Beamtenstuben denken. Dabei wäre die richtige Frage: Wie organisiert sich ein Staat in einer Welt, in der nichts mehr so bleibt, wie es war? Resilienz ist nicht das schöne Wort für Robustheit, sondern für die Fähigkeit, auf Veränderung nicht nur zu reagieren, sondern sie aktiv zu gestalten.

Deutschland 2029 könnte ein Land sein, das seine Verwaltung nicht mehr als Bürde, sondern als Innovationsraum versteht. Wo digitaler Service nicht nur eine Dateiablage ist, sondern ein Werkzeug für Teilhabe. Wo Technologie nicht nur verwaltet, sondern Ermöglichung bedeutet. Das erfordert ein völlig anderes Verständnis von Staat, von Steuerung und von Verantwortung.

Das Papier „Deutschland 2029“ von Initiative D21, DigitalService und SPRIND formuliert genau diese Notwendigkeit. Es beschreibt, dass die digitale Transformation nicht nur ein technisches Update sei, sondern eine grundsätzliche Neuausrichtung von Verwaltung, politischer Verantwortung und gesellschaftlicher Teilhabe erfordert.

Die Fehlkonstruktion des Status quo

Was heute als Digitalpolitik durchgeht, ist oft nichts anderes als Verwaltungsmodernisierung in PowerPoint-Präsentationen und Umlaufmappen in E-Form. Die Strukturen bleiben dieselben, nur die Interfaces werden aufgehübscht. Digitale Transformation bedeutet aber nicht, Papierformulare in PDFs umzuwandeln, sondern Prozesse neu zu denken.

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Hier ist das eigentliche Problem: Es gibt keine klare Verantwortung. Niemand entscheidet durchgängig über die Verwaltungsdigitalisierung. Jedes Ministerium hat seine eigenen Projekte, seine eigenen Budgets, seine eigenen Blockaden. Eine digitale Verwaltung scheitert nicht an mangelnder Technik, sondern an mangelnder Governance. Wer digitalisieren will, muss entbürokratisieren. Wer Prozesse effizienter machen will, muss zuerst die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellen – nicht die der Behörden.

Auch das Positionspapier „Deutschland 2029“ stellt fest: „Eine zentrale politische Verantwortung auf Ministerialebene für Digitalisierung ist erforderlich, um den Staat als Ermöglicher und Wegweiser zu etablieren.“ Ohne klare Zuständigkeiten bleibt Digitalisierung ein Flickenteppich.

Von analoger Macht zur digitalen Verantwortung

Der Staat muss lernen, digitaler Ermöglicher zu sein. Und das bedeutet: eine Verwaltung, die sich nicht als Regelwerk, sondern als Service versteht. DigitalService, SPRIND und die Initiative D21 fordern genau das: eine Neustrukturierung von Verantwortung, klare Steuerung, ein Digitalbudget, das nicht in einzelnen Ministerien versickert, sondern strategisch gelenkt wird.

Aber es geht um mehr. Technologie allein macht keinen Staat zukunftsfähig. Was es braucht, ist eine Kultur der Offenheit. Statt Aktenberge zu verwalten, müssen Daten so nutzbar werden, dass sie Menschen helfen. Statt Silodenken braucht es Zusammenarbeit. Statt Kontrolle braucht es Vertrauen. Denn Verwaltung ist kein Selbstzweck – sie ist dafür da, den Menschen das Leben einfacher zu machen.

David Gelernter hat bereits vor Jahren angemerkt, dass unser Umgang mit digitalen Dokumenten und Information veraltet ist. „Die Idee, dass wir jedem Dokument einen Namen geben sollen, ist schlicht lachhaft. Wenn Sie drei Hunde haben, ist das sinnvoll. Besitzen Sie aber 10.000 Schafe, ist es Irrsinn.“ Informationen sollten nicht mehr in Ordnern gefangen bleiben, sondern sich dynamisch nach Relevanz, Zeit und Inhalt strukturieren.

Heute erleben wir diesen Paradigmenwechsel in Form von KI-gestützten, kontextabhängigen Systemen. Anstatt sich durch hierarchische Verwaltungsstrukturen zu kämpfen, sollten Daten und Dokumente sich automatisch mit den Lebensereignissen der Bürger:innen vernetzen. Eine digitale Verwaltung muss nicht nur effizienter sein, sie muss intelligenter werden. Warum soll eine Verwaltung nicht in der Lage sein, vorauszudenken, Bedarfe zu erkennen und Anträge proaktiv anzubieten, anstatt auf Formulare zu warten?

Bildung und digitale Souveränität

Eine digitale Verwaltung braucht digitale Bürger:innen. Wenn Menschen nicht verstehen, was mit ihren Daten passiert, wenn sie sich nicht sicher im digitalen Raum bewegen können, dann kann auch die beste Plattform nichts ausrichten. Bildung ist der Hebel. Nicht nur in der Schule, sondern lebenslang. Digitale Kompetenz muss genauso gefördert werden wie Sprach- oder Lesekompetenz. Nur so kann Teilhabe funktionieren.

Das Paper betont, dass „eine Digitale Kompetenzoffensive notwendig ist, um sicherzustellen, dass digitale Kompetenzen zum festen Repertoire der deutschen Bevölkerung gehören.“ Ohne sie bleibt eine digitale Verwaltung ein leeres Versprechen.

Verwaltungsintelligenz statt Bürokratie

Resilienz bedeutet, vorbereitet zu sein. Krisen kommen. Systeme werden angegriffen. Informationen müssen sicher und flexibel nutzbar sein. Doch gerade der Staat hinkt hinterher, wenn es um Cybersicherheit, technologische Souveränität und agile Strukturen geht. Verwaltung muss in Echtzeit funktionieren. Sie muss dynamisch auf Herausforderungen reagieren können.

Deutschland 2029 kann ein Land sein, in dem Verwaltungsservice ein Wettbewerbsvorteil ist. Wo Behördengänge digital mühelos funktionieren, wo Daten genutzt werden, um Bürger:innen zu unterstützen und nicht zu kontrollieren. Ein Land, in dem Politik Gestaltung bedeutet und nicht Verwalten des Status quo.

Das Paper „Deutschland 2029“ schließt mit der Feststellung: „Die Zeit zu handeln ist jetzt.“ Und genau das ist der Punkt: Die Zukunft beginnt nicht 2029. Sie beginnt jetzt. Und sie braucht den Mut, Staat nicht als Institution, sondern als dynamisches System zu denken. Wer will, dass sich etwas ändert, muss loslegen. Denn Transformation ist kein Projekt. Sie ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist.

Beim Thema Resilienz kommt man an unserer Studie nicht vorbei.

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