Green Monday: Die digitale Vermessung der Nachhaltigkeit

von Gunnar Sohn
7. März 2025

Es gibt Momente, in denen man spürt, dass sich ein Thema aus der experimentellen Phase in den Stand der Notwendigkeit verwandelt hat. Der Green Monday, organisiert vom Smarter Service Institut, hat sich als solche Instanz etabliert – eine Plattform, die nicht nur über Nachhaltigkeit spricht, sondern sie vermisst, digitalisiert und in ihrer ganzen Komplexität begreifbar macht. In der aktuellen Ausgabe des begleitenden Podcasts geht es um die Rolle von Daten, ihre Erhebung, ihren Wert und ihre Funktion als strategisches Instrument einer neuen ökologischen Rationalität. Ein Gespräch mit Markus Bade, Chief Business Development Officer der Siegenia Gruppe, zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht allein eine Frage der Moral, sondern eine der Informationsqualität ist.

Von Referenzwerten zu realen Daten

Die Baubranche, seit jeher ein Hybrid aus Ingenieurskunst und pragmatischem Kostenkalkül, steht vor einer ihrer größten Herausforderungen: Wie lässt sich das Versprechen der Nachhaltigkeit mit den realen Bedingungen der Produktion und des Marktes vereinen? Markus Bade und sein Unternehmen setzen auf Datenanalyse. Die Digitalisierung ermöglicht es, den CO2-Fußabdruck eines Produkts nicht mehr nur über generische Werte aus Datenbanken zu bestimmen, sondern über Echtzeitdaten, die das gesamte Produktleben begleiten. Die Differenz ist signifikant: Echtdaten zeigen in vielen Fällen, dass die Emissionen eines Produkts um bis zu ein Drittel niedriger liegen als die branchenüblichen Referenzwerte.

Die Konsequenzen sind weitreichend. Unternehmen, die auf diese Form der Datenerhebung setzen, verschaffen sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern schaffen eine neue Form der industriellen Transparenz. Wo früher geschätzt wurde, wird nun gerechnet. Wo bisher Zertifizierungsverfahren auf Schätzungen basierten, ermöglichen digitale Produktpässe erstmals eine nachvollziehbare Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts.

Nachhaltigkeit als Infrastrukturprojekt

Dass dies nicht nur ein technologisches, sondern auch ein kulturelles Projekt ist, zeigt sich an der Art und Weise, wie Unternehmen diese Transformation vollziehen. Nachhaltigkeitsmanagement ist keine isolierte Disziplin mehr, sondern ein Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Siegenia Gruppe setzt auf IoT-Technologien und vernetzte Softwarelösungen, um die Erfassung von Energieverbrauch, Materialströmen und Emissionen in Echtzeit zu ermöglichen. Sensoren an Produktionsanlagen messen kontinuierlich den Energiebedarf einzelner Maschinen, während smarte Metering-Systeme in Verwaltungsgebäuden den Strom- und Heizverbrauch analysieren. Diese Daten erlauben es, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, sei es durch die Optimierung von Produktionsprozessen, die bedarfsgerechte Steuerung von Heiz- und Lüftungssystemen oder die automatische Anpassung der Beleuchtung an Tageslichtverhältnisse. Maßnahmen wie die Umstellung auf LED-Beleuchtung, die Senkung der Heiztemperaturen oder die Investition in Solartechnologie sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch betriebswirtschaftlich messbar.

Ein weiteres Beispiel für die Nutzung von IoT ist die Integration von Datenloggern, die die Materialverbräuche in Echtzeit erfassen und mit den Produktionszahlen verknüpfen. So kann exakt berechnet werden, welche Rohstoffe in welchen Mengen benötigt werden, um Überproduktion und Abfall zu reduzieren. In der Logistik sorgen IoT-gestützte Tracking-Systeme dafür, dass Transporte effizient geplant und unnötige CO2-Emissionen vermieden werden.

Der Finanzmarkt als Katalysator

Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen für die Finanzierungsstrategien der Unternehmen. Banken beginnen, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in ihre Risikobewertungen zu integrieren. Wer keine belastbaren Nachhaltigkeitsdaten vorlegen kann, wird künftig mit höheren Kapitalkosten rechnen müssen. Was als freiwillige Maßnahme begann, wird zum systemischen Imperativ: Ohne evidenzbasiertes Nachhaltigkeitsmanagement geraten Unternehmen in eine strukturelle Wettbewerbsnachteile.

Der Green Monday hat sich als Forum dieser Entwicklung etabliert. Er ist nicht mehr nur eine Veranstaltung, sondern ein kollektives Experiment der Community, die sich um das Smarter Service Institut gebildet hat. Hier treffen sich Unternehmen, Forscher, Praktiker und Vordenker, um aus der Summe ihrer Erfahrungen ein Modell für die Zukunft zu formen.

Die nächste Stufe dieser Entwicklung ist absehbar: Die Verbindung von Nachhaltigkeitsdaten mit KI-gestützten Entscheidungssystemen, die nicht nur messen, sondern auch vorausschauend steuern. Der Green Monday hat bewiesen, dass die Debatte über Nachhaltigkeit längst keine moralische ist. Sie ist eine Frage der Daten – und derjenigen, die sie zu nutzen wissen.

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