Warum Deutschland in der Verteidigung mehr technologische Innovationssprünge wagen muss

von Gunnar Sohn
11. März 2025

Es gibt eine unausgesprochene Wahrheit, die sich durch die Verteidigungsdebatten Europas zieht: Wer technologisch nicht führt, wird abhängig. Jahrzehntelang haben sich Deutschland und Europa auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen. Doch diese Garantie gerät ins Wanken, und damit auch die Bequemlichkeit, die eigene technologische Unterlegenheit mit politischer Diplomatie auszugleichen. Es ist Zeit für eine neue Strategie – eine, die sich nicht in rhetorischen Floskeln über „strategische Autonomie“ erschöpft, sondern durch technologische Sprünge ihre Realität beweist.

Die neue Ordnung: Digitalisierung als Waffe – Eine Agenda für die Bundesregierung

„Wir brauchen eine massive Beschleunigung des Technologietransfers in der Verteidigungsforschung“, forderte Professor Christian Hummert, Forschungsdirektor der Cyberagentur, schon vor drei Jahren. Seine Worte sind keine wohlfeilen Appelle, sondern eine Diagnose des systemischen Defizits, das Deutschland seit Jahrzehnten plagt. Die Bundesregierung muss endlich anerkennen, dass die Verteidigungsindustrie und die zivile Forschungslandschaft viel stärker zusammenarbeiten müssen. Die bisherige Trennung bremst Innovationen aus und verhindert eine schnellere technologische Aufholjagd. „Zivile und militärische Forschung müssen sich stärker vernetzen“, so Hummert.

Die moderne Kriegsführung erfordert neue Ansätze: Vernetzte Sensornetzwerke, militärische Cloud-Plattformen und kognitive Unterstützung durch KI müssen zu Kerntechnologien deutscher Verteidigungsstrategien werden. Hier kann sich Deutschland nicht länger auf Drittstaaten verlassen. Sie ist eine Frage von Algorithmen, Vernetzung und digitaler Resilienz. Die Ukraine demonstriert, was passiert, wenn Drohnen, Satelliten, künstliche Intelligenz und elektronische Kriegsführung in Echtzeit zusammenarbeiten.

Von der Nachahmung zur eigenen Innovationsführung

Anstatt nur die amerikanische DARPA als Vorbild zu beschwören, muss Deutschland seine eigene Innovationsagentur mit klarer sicherheitspolitischer Zielsetzung nach vorne bringen. Dies erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch eine radikale Reform des Vergaberechts und der Entscheidungsstrukturen., die das Internet, GPS und viele weitere disruptive Technologien hervorgebracht hat. Was fehlt, sind vor allem die richtigen Rahmenbedingungen.

Das deutsche Vergaberecht, geprägt von zähen Prozessen und Bürokratie, steht Innovation im Weg. „Wir brauchen mehr schlanke, innovative Regeln, nicht nur mehr Geld“, mahnt Hummert. Die starre Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung, die in Deutschland dogmatisch verteidigt wird, blockiert dringend notwendige Synergien. Andere Länder gehen offener mit dem Konzept des Dual Use um, nutzen militärische Entwicklungen für zivile Innovationen und umgekehrt. „Wir verordnen uns selbst zu viele Denkverbote“, sagte Hummert.

Vernetzte Kriegsführung: Die Revolution hat begonnen

Die Zukunft der Verteidigung gehört nicht mehr allein mechanischen Systemen. Sie ist vernetzt, autonom, flexibel. Multidimensionale Resilienz, also die Fähigkeit, auch bei Teilausfällen oder Angriffen funktionsfähig zu bleiben, wird zur zentralen Herausforderung. Die künftige Bundesregierung muss in resiliente, dezentrale Systeme investieren, die auch unter feindlichen Angriffen operieren können. Redundanz, Autonomie und Echtzeit-KI-Analysen müssen das Rückgrat der digitalen Verteidigung bilden. Dezentrale Systeme, in denen Entscheidungen autonom auf unteren Ebenen getroffen werden, erhöhen die Widerstandsfähigkeit.

Doch Deutschland hängt zurück. 5G-Campusnetze an Militärstandorten, vernetzte Sensorik für Landstreitkräfte oder satellitengestützte Datenverarbeitung – all das existiert oft nur als Konzept, nicht als einsatzfähige Realität. Es reicht nicht, Breitband an Kasernen zu verlegen und das Digitalisierung zu nennen. Der eigentliche Technologiesprung muss in der Verzahnung von Sensorik, KI und schneller Entscheidungsfindung erfolgen.

Souveränität als Handlungsmaxime

Wer Souveränität will, muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass es reicht, existierende Technologien nur effizienter zu beschaffen. Es geht um eigene Innovationssprünge, nicht um eine optimierte Verwaltung des Status quo. Die Zukunft wird nicht von denjenigen geprägt, die bestehende Systeme kaufen, sondern von denen, die neue erschaffen.

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