In einer Welt, in der Produkte sich gleichen wie ein Ei dem anderen, bleibt den Unternehmen nur eine Möglichkeit, sich aus der grauen Masse zu lösen: Sie müssen mit ihren Kunden sprechen – und sie müssen es richtig tun. Doch während Gespräche im Alltag fließen, klemmt es in den Servicekanälen vieler Firmen noch immer. Dialoge ersticken in Warteschleifen, Anliegen versanden in Formularen, und wer ein Problem lösen will, muss sich oft durch digitale Labyrinthe kämpfen.
Tobias Müller-von Bloh, Head of Salesforce Service & Sustainability Experience bei der Telekom, beschreibt eine Zeitenwende. „Wir bewegen uns von starren Systemen hin zu einer echten Verständigung“, sagt er. Was er meint, ist eine neue Generation von digitalen Helfern, die nicht nur auf Befehle reagieren, sondern Kontexte erfassen und absichtsvolle Gespräche führen. Die sogenannte Conversational AI verspricht, den Austausch mit Unternehmen weniger mechanisch und stattdessen so geschmeidig zu machen wie ein Gespräch zwischen Menschen.
Wenn Maschinen zuhören lernen
Die alte Ära der Sprachcomputer war eine Geduldsprobe und ist es immer noch: „Drücken Sie die Eins für…“ – und wer Pech hatte, landete in einer Sackgasse. Die neue Generation versteht nicht nur Worte, sondern auch deren Bedeutung. Ein digitaler Assistent kann inzwischen ein Foto von einem beschädigten Gerät auswerten, einen Fehlercode entschlüsseln oder eine komplexe Anfrage präzise zusammenfassen. Müller-von Bloh beschreibt es als eine Form des Zuhörens, die weit über das hinausgeht, was bisher möglich war.
Doch Technologie allein macht noch keinen guten Dialog. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, sie sinnvoll in die Strukturen eines Unternehmens einzubetten. Denn noch immer arbeiten Service, Vertrieb und Produktentwicklung vielerorts wie Nachbarn, die sich nie grüßen. Wer Kunden wirklich verstehen will, muss ihre Anliegen als wertvolle Nachrichten begreifen – nicht als lästige Störungen.
Service als unterschätzte Goldmine
Ein Anruf beim Kundenservice kann ein Ärgernis sein, aber er ist auch ein Fenster in die Gedankenwelt des Kunden. Er verrät, was nicht funktioniert, was gebraucht wird, wo es hakt. Müller-von Bloh spricht von einem ungehobenen Schatz. In den Daten aus Servicegesprächen liegt verborgen, was viele Unternehmen verzweifelt in Marktforschungsstudien suchen: ehrliches, ungefiltertes Feedback.
Doch was passiert mit diesem Schatz? Allzu oft bleibt er ungenutzt. Kundenservice wird getrennt vom Vertrieb betrachtet, Beschwerden versickern in Ticketsystemen, und Innovation entsteht anderswo. Dabei könnte es so einfach sein: Wer mit seinen Kunden spricht, erfährt, was sie wollen. Wer zuhört, kann sein Angebot verbessern.
Jenseits der Automatisierung
Natürlich ist Automatisierung ein wichtiges Werkzeug. Doch Müller-von Bloh plädiert für einen anderen Blickwinkel: Nicht Maschinen sollen den Menschen ersetzen, sondern ihnen Raum verschaffen, sich um das zu kümmern, was Maschinen nicht leisten können. Das Ziel ist kein Service, der „effizienter“ wird, sondern einer, der besser wird – einer, bei dem Kunden nicht als Vorgang, sondern als Gesprächspartner behandelt werden.
Vielleicht beginnt genau hier die nächste Stufe der Kundenbeziehung. Dort, wo Unternehmen nicht nur sprechen, sondern auch wirklich zuhören.
Siehe auch:
Trendbook Smarter Service: Wertschöpfungsquellen erschließen