Manchmal ist der Wandel nicht laut. Er vollzieht sich nicht in Umbrüchen, sondern in Anschlussstellen. Nicht als Bruch, sondern als neuer Zusammenhang. So auch in der Wirtschaft. Der Wechsel von isolierten Produkten zu vernetzten, intelligenten Systemen geschieht leise – aber mit weitreichenden Folgen.

Die Telekom-Studie „Digitale Ökosysteme – Wie Vernetzung Produkte, Services und Geschäftsmodelle verändert“ eröffnet einen faszinierenden Blick auf das, was möglich wird, wenn Produkte Teil lernfähiger, vernetzter und vorausschauender Systeme werden. Sie zeigt, wie sich wirtschaftliches Handeln neu ausrichten kann – von der Produktion einzelner Dinge hin zur Gestaltung intelligenter Beziehungen im digitalen Raum.

Die Wirtschaft wird relational. Und mit ihr verändert sich das Denken.

Eine neue ökonomische Grammatik

Künstliche Intelligenz wird zur Basistechnologie – so grundlegend wie einst Elektrizität. Frank H. Witt spricht in seinem Kommentar zur Studie von einer General Purpose Technology, die quer durch alle Branchen wirksam wird. Ihre besondere Kraft liegt nicht in der Spezialisierung, sondern in ihrer universellen Anschlussfähigkeit. KI ist kein Werkzeug unter vielen – sie wird zur grammatischen Struktur vernetzter Systeme.

Doch der technische Fortschritt allein erklärt nicht, was passiert. Um zu begreifen, wie tiefgreifend der Wandel ist, muss man einen Schritt zurücktreten.

Von Platon zu Plattformen

Winfried Felser brachte es jüngst auf den Punkt:
„Wir müssen die Dinge nicht nur vernetzen, sondern sie wie vieles andere auch als Illusion erkennen.“

Das ist mehr als ein technologischer Hinweis. Es ist eine Einladung, unsere Kategorien zu überdenken. Denn viele Denkformen der Wirtschaft sind – oft unbemerkt – von einem platonischen Weltbild geprägt: dem Glauben an feste Identitäten, stabile Substanzen, ewige Wahrheiten. Doch digitale Ökosysteme funktionieren anders.

Sie sind fließend, prozesshaft, emergent. Ihre Ordnung ist nicht vorgegeben, sondern ergibt sich aus der Beziehung ihrer Teile. Es sind Systeme, in denen sich Wertschöpfung aus Interaktion ergibt – nicht aus Besitz.

Hans Küng und die Ethik des Miteinanders

Hans Küng, der große Denker des Weltethos, hat früh erkannt, dass eine global vernetzte Welt auch eine neue Ethik braucht. Eine Ethik, die sich nicht auf Substanzen, sondern auf Beziehungen gründet. Seine späte Annäherung an die Kritik an Platon, die er lange zurückgewiesen hatte, zeigt, wie tief der Wandel auch die geisteswissenschaftlichen Grundlagen betrifft. Siehe auch die Anmerkungen von Winfried Felser.

Was Küng für die Religion forderte, wird in der Ökonomie spürbar: Eine Ethik des Miteinanders, nicht der Abgrenzung. Eine neue Verantwortung für Systeme, die wirken, lange bevor wir sie im Griff haben.

Karl Popper und die Offenheit der Systeme

Karl Popper war einer der schärfsten Kritiker des platonischen Denkens – nicht, weil er bloß Vergangenes anklagte, sondern weil er die Offenheit der Zukunft betonte. Er glaubte an evolutionäre Lernprozesse, an die Kraft von Versuch und Irrtum, an den Fortschritt durch Kritik.

Gerade im Zeitalter digitaler Ökosysteme ist dieser Gedanke aktuell: Offenheit, Anpassungsfähigkeit, Kritikfähigkeit – das sind keine Schwächen, sondern Grundvoraussetzungen für Systeme, die in Echtzeit lernen und sich verändern.

Von der Betriebswirtschaft zur Beziehungswirtschaft

Was bedeutet all das für Unternehmen?
Wer vernetzte Produkte entwickelt, gestaltet keine starren Lieferketten mehr, sondern bewegliche Ökosysteme. Die betriebswirtschaftliche Frage lautet nicht mehr: Was verkaufen wir? Sondern: Wie schaffen wir Beziehungen, die tragfähig, lernfähig und wertvoll sind?

Frank H. Witt nennt das die Hybridisierung der Realität: Mensch und Maschine, Intuition und Algorithmus, Service und Infrastruktur verschmelzen zu einem neuen Handlungsraum. Die klassische Trennung von Markt und Organisation, von Produkt und Service, von Kunde und Anbieter – sie löst sich auf in einem fließenden, datenbasierten Austausch.

Der homo connexum

Was daraus folgt, ist keine Verabschiedung des Menschen aus der Wirtschaft – im Gegenteil. Aber es ist eine neue Gestalt: Der homo oeconomicus wird abgelöst durch den homo connexum. Er denkt in Beziehungen, nicht in Besitzverhältnissen. Er handelt in Netzwerken, nicht in Silos. Er sieht Wert nicht als Ergebnis, sondern als Prozess.

Die Telekom-Studie „Digitale Ökosysteme“ ist kein Zukunftsszenario. Sie ist ein Leitfaden für Gegenwart und Gestaltungsspielräume.


📥 Hier geht es zur Studie:
👉 https://www.smarter-service.com/studien/digitale-okosysteme

Ein Text für alle, die nicht nur die Technik verändern wollen, sondern das Denken, mit dem wir sie betrachten.

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