Künstliche Intelligenz gibt dem Internet der Dinge neuen Schub

von Bernhard Steimel
13. Mai 2025

Das Internet der Dinge (IoT) ist erwachsen geworden – und wirkt fast unsichtbar. Es hat sich stillschweigend in Fabriken, Logistikzentren und städtischen Infrastrukturen verankert. Der technologische Pioniergeist ist Routine gewichen. Doch genau in diesem Stadium der Unsichtbarkeit liegt eine neue Kraft: Die stille Revolution bekommt durch Künstliche Intelligenz (KI) neuen Antrieb.

„Das Internet der Dinge ist längst Alltag, auch wenn niemand mehr darüber spricht“, sagt Knud Lasse Lueth, Gründer des Analysehauses IoT Analytics. Ein Satz, der auf den ersten Blick wie eine Feststellung klingt – und sich auf den zweiten als dringlicher Appell entpuppt. Denn obwohl Sensoren, Maschinen und Geräte längst miteinander kommunizieren, bleibt der Wert dieser Vernetzung vielfach ungenutzt. Die Gründe sind vielfältig: fragmentierte Datenarchitekturen, strategische Orientierungslosigkeit, ein Mangel an verbindenden Infrastrukturen.

Nachhaltigkeit: Ein Versprechen mit Umsetzungsdefizit

Dabei bietet das IoT einen Hebel, der weit über Prozessoptimierung hinausreicht. Es könnte ein zentraler Baustein für die grüne Transformation der Industrie sein. Smarte Energieverbräuche, vorausschauende Wartung und ressourcenschonende Produktionsketten – all das lässt sich datenbasiert realisieren. „IoT ist ein großer Hebel für Nachhaltigkeit, aber die Realität hinkt hinterher“, sagt Lueth.

Vor allem in Europa herrscht ein regulatorisches Umfeld, das die grüne Nutzung datengetriebener Technologien begünstigt. Doch der Weg von der ESG-Vision zur Umsetzung ist steinig. Datensilos und Systeminkompatibilitäten bremsen Fortschritte. Ohne harmonisierte Datenstrukturen bleibt das Ziel, CO₂-Emissionen transparent zu messen oder Lieferketten nachhaltig zu optimieren, ein Stückwerk.

KI als Katalysator: Drei Trends zeigen, wohin die Reise geht

Was fehlt, ist nicht die Technologie – sondern ihre Orchestrierung. KI bringt hier die notwendige Intelligenz, um aus Daten verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Drei Entwicklungen zeigen, wie sich das Zusammenspiel von IoT und KI derzeit konkret verändert:

1. Remaining Useful Life: Die neue Wartungslogik
Predictive Maintenance ist längst kein Buzzword mehr, sondern Standard in vielen Branchen. Doch der Anspruch ist gestiegen. Es geht nicht mehr nur darum, Maschinenausfälle zu vermeiden, sondern präzise zu berechnen, wie lange ein Bauteil unter realen Bedingungen noch einsatzfähig bleibt. Dazu werden verschiedenste Parameter – von Schwingungsdaten bis zu Umgebungswerten – in KI-Modelle eingespeist, die in Echtzeit analysieren und Prognosen liefern. Besonders in der Öl- und Gasbranche entstehen auf dieser Grundlage neue Wartungsprotokolle, die Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit vereinen.

2. Edge Computing: Intelligenz direkt an der Quelle
Die Zeiten, in denen Sensoren lediglich Rohdaten an zentrale Server schickten, sind vorbei. Rechenleistung wandert an den Rand des Netzwerks – auf Maschinen, Gateways, Industrie-PCs. Dort übernehmen KI-Algorithmen erste Analyseaufgaben, treffen Entscheidungen und entlasten zentrale Systeme. Möglich machen das leistungsfähige Chipsätze, etwa auf NVIDIA-Basis, die in industriellen Umgebungen eine neue Generation smarter Maschinen hervorbringen. Die Vorteile: geringere Latenzen, höhere Resilienz, bessere Datensouveränität.

3. Data Ops: Ohne integrierte Daten kein Fortschritt
Wirklich smart wird das IoT erst, wenn Daten nicht nur gesammelt, sondern sinnvoll verknüpft werden. Data Ops entwickelt sich zum organisatorischen Rückgrat dieser Entwicklung. Statt Daten in starren Pipelines zu verwalten, ermöglichen moderne Plattformen eine dynamische, kontextbezogene Integration – oft in Form von Data Lakes, die mit Konnektoren angereichert werden. So entsteht eine „Single Source of Truth“, auf der KI-Modelle zuverlässig trainiert und eingesetzt werden können.

Die strategische Leerstelle

Doch alle technischen Fortschritte nützen wenig, wenn die strategische Klammer fehlt. „Ohne Datenstrategie bleibt KI ein Luftschloss“, warnt Lueth. Viele Unternehmen verfügen zwar über exzellente Ingenieurskunst, aber keine klare Vision für digitale Geschäftsmodelle. Statt sich in Dashboard-Ästhetik zu verlieren, bräuchte es ein Umdenken: weg von der Technologie, hin zur Wirkung.

Das zeigt sich besonders scharf im Maschinenbau. Equipment as a Service, digitale Zwillinge, smarte Serviceverträge – all das sind theoretisch längst etablierte Konzepte. Praktisch bleiben viele Anwendungen fragmentiert, isoliert und damit ineffizient.

IoT wird Ergebniswirtschaft

Was also ist zu tun? Lueth glaubt an eine Verschiebung des Schwerpunkts: „IoT wird sich weg von der Technologie bewegen, hin zu den Ergebnissen.“ Nicht die Sensorik, sondern der Output zählt. Unternehmen, die sich heute auf konkrete Use Cases fokussieren – etwa CO₂-Reporting in Echtzeit, adaptive Produktionslinien oder kundenindividuelle Services –, sichern sich einen Vorsprung in der datengetriebenen Ökonomie.

Das IoT hat aufgehört, ein Hype zu sein. Es ist Infrastruktur. Und genau darin liegt seine Bedeutung. Doch mit der Integration kommt die nächste Herausforderung: Wir müssen die vorhandene Technologie mit Intelligenz, Strategie und Zielorientierung aufladen. KI ist dabei nicht Selbstzweck, sondern Werkzeug – um aus Daten Handlungen zu machen.

„Wir stehen an der Schwelle zu einem IoT, das nicht mehr begeistert, sondern einfach funktioniert“, resümiert Lueth. Vielleicht ist genau das das größte Kompliment, das man einer Technologie machen kann.

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