Ein Traditionsunternehmen transformiert sich: Vom Reinigungsgerät zur vernetzten Dienstleistung, vom Maschinenbauer zum Datenkurator. CTO Marco Cardinale gibt im Smarter-Service-Podcast Einblick in einen Strukturwandel, der tiefer greift, als man zunächst vermutet.
Wo die Zukunft leise putzt
Wer in diesen Wochen eine Lagerhalle betritt, begegnet dort nicht mehr zwangsläufig einem Menschen mit Eimer und Mopp. Stattdessen rollt ein Gerät wie aus einem Science-Fiction-Film durch die Gänge – KIRA heißt es, und es kommt von Kärcher. Es piept nicht, es verkündet keine Disruption, es arbeitet. Präzise, unbeirrt, verlässlich. Die Zukunft beginnt nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit einem Surren. Der Reinigungsroboter ist keine technische Spielerei – er ist Ausdruck eines industriellen Selbstgesprächs: Wer sind wir eigentlich noch, wenn nicht mehr die Hand, sondern der Algorithmus wischt?
Beobachtung schlägt Befragung
Marco Cardinale, CTO von Kärcher, spricht im Smarter-Service-Podcast nicht über Maschinen. Er spricht über Haltungen. Über das Sehen, das Ernstnehmen, das Ableiten. Kunden werden nicht gefragt, was sie wollen – sie werden beobachtet, wie sie arbeiten. Aus dieser Praxis erwächst eine neue Form der Produktentwicklung: ethnografisch, präzise, empathisch. Statt Hochglanzkonzepte zu exportieren, reist Kärcher in die Gerätekammern der Welt. Dort, in engen Räumen, unter prekären Bedingungen, wird die eigentliche Innovation geboren – nicht im Labor, sondern im Alltag.
Technologie darf nicht belehren
Als Kärcher mit der Entwicklung von KIRA begann, wollte man maximale Autonomie erreichen – wie es sich für einen Innovationsführer gehört. Doch die Nutzer dachten anders. Die Idee, dass ein Gerät seine Routen selbst ermittelt, wirkte auf viele nicht entlastend, sondern entmündigend. Also wurde das Prinzip umgedreht: Der Mensch fährt einmal vor – erst dann übernimmt die Maschine. Der Fortschritt kniet sich in die Realität, nicht umgekehrt. Es ist ein Akt technologischer Zurückhaltung – fast schon ein philosophisches Statement: Wahre Innovation imponiert nicht, sie integriert.
Der Vertrieb muss umlernen
KIRA ist erklärungsbedürftig. Und teuer. Zumindest auf den ersten Blick. Wer den Preis nicht in Euro, sondern in Stundenkosten, Ressourceneinsatz und Nachhaltigkeit denkt, erkennt schnell: Die Maschine amortisiert sich. Doch diese Rechnung muss überzeugend erzählt werden – und das verändert alles. Der klassische Produktvertrieb stößt an seine Grenzen, wenn es nicht mehr um Geräte, sondern um Modelle geht. Kärcher trainiert seine Leute deshalb nicht nur technisch – sondern mental. Denn verkauft wird nicht mehr Eisen, sondern Effizienz. Nicht Masse, sondern Maß.
Plattform oder Partner?
In der Agrartechnik sind es längst komplexe Software-Ökosysteme, die Maschinen koordinieren. Auch in der Gebäudereinigung steht eine solche Entwicklung bevor. Kärcher könnte Plattform werden – will sich aber nicht festlegen. Offenheit lautet das Gebot der Stunde. Die eigenen Geräte sind VDA-5050-kompatibel, lassen sich also in übergeordnete Systeme einbinden. Ob man irgendwann selbst Plattformbetreiber wird, bleibt offen. Klar ist: Wer geschlossen denkt, verliert Anschluss. Wer kompatibel bleibt, gewinnt Vertrauen.
Was sauber ist, muss sichtbar werden
Connected Cleaning heißt die Strategie – und meint weit mehr als Digitalisierung. Sensoren messen Besucherströme, Algorithmen entscheiden, ob gereinigt werden muss. Roboter fahren los, senden Bilder, erstellen Protokolle. Der Kunde bekommt nicht nur Gewissheit, sondern Evidenz. Reinigung wird zum datenbasierten Dienst. Der Schmutz ist nicht mehr nur zu entfernen – er ist zu dokumentieren. Sichtbarkeit wird zur Währung. Und Sauberkeit zum KPI.
Reinigung als Erkenntnisprozess
Im Inneren des Unternehmens vollzieht sich ein Wandel, der tief in die DNA reicht. Data Analysts halten Einzug in die Produktentwicklung. Junge Talente kommen nicht wegen des Rufs – sondern weil sie hier am Endprodukt mitarbeiten dürfen. Wer heute bei Kärcher beginnt, landet nicht mehr zwingend im Maschinenbau – sondern in einer Zone, in der Robotik, Ethik, Design und Service verschmelzen. Die Grenzen verschwimmen. Und plötzlich erscheint ein Reinigungsgerät als idealer Kristallisationspunkt für die industrielle Zukunft.
Die Industrie lernt zu hören
Am Ende ist es vielleicht genau diese Bewegung, die den Wandel ausmacht: Nicht das Geräusch der Maschine, sondern das Zuhören. Kärcher hat begriffen, dass Transformation nicht durch Ersetzen, sondern durch Erkennen beginnt. KIRA fährt nicht in eine Welt von morgen – er rollt durch eine Gegenwart, die verstanden sein will. Und wer sich dieser Gegenwart aussetzt, entdeckt nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern eine neue Grammatik des Denkens.
Eine Grammatik, die mit dem Satz beginnt: Der Boden ist nicht einfach schmutzig. Er ist ein Datenfeld.
Saubere Sache: Warum Kärcher zum Lehrstück vernetzter Ökosysteme wird
Was Kärcher vollzieht, ist mehr als eine betriebliche Modernisierung – es ist die praktische Umsetzung einer Industrievision, wie sie in der Studie „Digitale Ökosysteme“ skizziert wird: Produkte sind keine abgeschlossenen Einheiten mehr, sondern „smarte End-to-End-Lösungen“, wie es CTO Marco Cardinale formuliert. Der Reinigungsroboter KIRA B 50 steht exemplarisch für diesen Wandel. Er kombiniert klassische Maschinenbaukunst mit Sensorik, Datenanalyse, Automatisierung – und mutiger Strategie. „Wir gehen weg von starren Reinigungsplänen, hin zu bedarfsgerechter Reinigung“, so Cardinale. Connected Cleaning wird so zur Blaupause für die Industrie im Zeitalter der Plattformökonomie. Was zählt, ist nicht allein das Gerät – sondern die Fähigkeit, es intelligent zu vernetzen, kontinuierlich weiterzuentwickeln und in einem offenen Partnerökosystem global skalierbar zu machen. Wer verstehen will, wie aus analoger Stärke digitale Intelligenz wird, der sollte Kärcher nicht nur reinigen lassen, sondern lesen. Zum Beispiel hier: www.smarter-service.com/studien/digitale-okosysteme/ – kostenlos erhältlich gegen Angabe einer E-Mail-Adresse.
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