Die neue Innovationspraxis: Vom Einfall zum tragfähigen Geschäftsmodell

von Bernhard Steimel
20. Mai 2025

Ein Gespräch mit Giordano Koch über gescheiterte Lenkradheizungen, fehlende Ownership und die Kunst der Fokussierung

Von außen betrachtet wirkt Innovation oft wie Magie: Eine gute Idee, ein agiles Team, ein Pitch – und schon läuft das neue Produkt vom Band. Doch wer mit Giordano Koch spricht, Geschäftsführer der Innovationsberatung HYVE, merkt schnell: Der Zauber liegt woanders. „Ideation allein ist nicht mehr der Kern“, sagt er. Die wahre Herausforderung liege im Spannungsfeld aus Kundennutzen, technologischer Machbarkeit und regulatorischer Vernunft. Es ist diese „Dreifaltigkeit der Innovation“, wie Koch sie nennt, die über Erfolg oder Scheitern entscheidet.

Wenn das Lenkrad glüht, aber keiner will’s: Das Dilemma der halben Ideen

Koch illustriert das mit einem Beispiel aus der Automobilindustrie: BMWs On-Demand-Feature, bei dem sich Lenkradheizungen per App-Abo freischalten lassen. Technisch brillant, wirtschaftlich vielleicht sogar effizient – und trotzdem ein Rohrkrepierer. Warum? Weil der Service in der App isoliert steht, keine Systematik, keine Erlebniswelt, kein Ökosystem. Die Kunden wissen nicht, was sie mit der Möglichkeit anfangen sollen. Die Idee ist da – doch ihr Kontext fehlt. Und ohne Kontext kein Nutzen.

Der Double Diamond ist tot. Es lebe der Double Diamond.

Der methodische Unterbau von HYVE bleibt dennoch dem Altbewährten treu: dem Double Diamond-Modell. Problemraum, Lösungsraum – das klingt einfach, wird aber selten richtig gelebt. „Viele Projekte scheitern,“ sagt Koch, „weil Kundenbedürfnisse nur oberflächlich verstanden und technische Limitierungen ignoriert werden.“ In anderen Worten: Unternehmen träumen von Jetpacks, während ihre Kunden noch am Papierflieger basteln.

Daten: Hoffnungsträger und Stolperstein zugleich

Daten, das Gold des digitalen Zeitalters, helfen – oder auch nicht. Proof-of-Concepts glänzen, skalieren aber nicht. Die Gründe? Schlechte Datenqualität, fehlendes strategisches Verständnis, technische Hybris. „Datenbewusstsein“ sei entscheidend, so Koch. Und das meint nicht bloß Dashboards, sondern ein tiefes Verständnis dafür, welche Daten wie, wann und warum in ein Geschäftsmodell einzahlen.

Wenn keiner verantwortlich ist, bleibt nur die gute Idee

Innovationsprojekte scheitern nicht nur an Technologie – sondern an Menschen. Der „Paket Butler“, eine mobile Box zur Annahme von Lieferungen, ist laut Koch das Mahnmal fehlender Ownership. Eine gute Idee, versenkt im Silodenken. Niemand fühlte sich zuständig. Das Ergebnis: Investition versenkt, Erkenntnisgewinn minimal. Noch schlimmer: Die Organisation lernt nichts daraus.

Tesla als Gespenst im Rückspiegel

Besonders schonungslos ist Koch, wenn es um die deutsche Autoindustrie geht. „Vor fünf bis zehn Jahren wurde Tesla belächelt.“ Innovation wurde als Imagepflege gesehen, nicht als Überlebensstrategie. Heute sind die Umsätze unter Druck, neue Player dominieren den Markt – und plötzlich muss alles ganz schnell gehen. Aber wer die Zukunft zu lange ignoriert, wird von ihr überholt.

Die Organisation als Ganzes muss wollen

Deshalb setzt HYVE auf breite Stakeholder-Einbindung – nicht als Alibi, sondern als Prinzip. Innovation ist kein Abteilungs-Hackathon, sondern ein Kulturwandel. Customer Advisory Boards, iterative Feedbackschleifen, strategische Szenarien – Koch denkt in Systemen, nicht in Buzzwords.

Fokus schlägt Feuerwerk

Am Ende bleibt für Koch ein klarer Imperativ: Fokus und Klarheit. Innovation bedeutet nicht, möglichst viele Ideen zu generieren – sondern die richtigen auszuwählen, zur richtigen Zeit, im richtigen Kontext. Eine Lehre, die viele erst nach dem Scheitern verstehen.

Digitale Ökosysteme: Der Kontext entscheidet

Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht im Einzelprodukt, sondern im System. Genau hier setzt auch die Telekom-Studie „Digitale Ökosysteme“ an: Sie zeigt, wie Unternehmen durch die Verknüpfung von Technologien, Daten und Partnern den Sprung vom Feature zur Plattform schaffen – vom Gimmick zur echten Innovation. In einer Zeit, in der alles smart sein will, reicht es nicht mehr, nur digital zu denken. Man muss auch vernetzt denken. Studie jetzt herunterladen.

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