In der Theorie kennt der Krieg nur zwei Ausgänge: Sieg oder Niederlage. In der Praxis jedoch ist seine Fortsetzung die Wirtschaft. Wer ökonomische Sicherheitspolitik denkt, darf nicht bei der Sicherung von Handelsrouten und kritischen Rohstoffen Halt machen. Er muss erkennen, dass technologische Überlegenheit heute das ist, was früher strategische Hochrüstung war – ein Mittel zur Abschreckung, zur Projektion von Macht, zur Sicherung des eigenen Handlungsspielraums.
Doch wie nähert man sich dieser Aufgabe? Die Antwort liegt nicht im Repetieren von Förderzyklen, Innovationswettbewerben oder Start-up-Rhetoriken. Sie liegt in der strategischen Systematisierung von Unsicherheit. Genau das macht die DARPA – jene amerikanische Institution, die nicht Innovationsmarketing betreibt, sondern operative Zukunftsvorbereitung.
Die DARPA-Doktrin
Die Defense Advanced Research Projects Agency wurde nicht gegründet, um das Silicon Valley zu unterstützen. Sie wurde gegründet, um militärische Verwundbarkeit in technologische Dominanz zu verwandeln. Aus dieser Motivation heraus entstanden Projekte wie das Internet, GPS, Spracherkennung, autonome Systeme – nicht als Produkte, sondern als strategische Optionen.
DARPA handelt entlang von fünf Prinzipien, die für jede ernsthafte ökonomische Sicherheitspolitik in Europa Maßstab sein sollten:
- Konzentration auf den Durchbruch, nicht auf den Kompromiss.
Es wird nicht „gefördert“, was realistisch ist, sondern verfolgt, was notwendig ist – ungeachtet der Wahrscheinlichkeit. - Temporäre Macht durch Exzellenz.
Programmmanager erhalten Autonomie, Budgets, personelle Unterstützung – aber nur auf Zeit. Sie sind nicht Teil eines Apparats, sondern Träger einer Vision. - Keine Ausschreibungsromantik.
DARPA umgeht bürokratische Barrieren. Sie vergibt Mittel direkt, experimentiert offen und scheitert häufig – mit System. - Militärisch gedacht, zivil wirksam.
Fast alle revolutionären Technologien der letzten 50 Jahre hatten eine DARPA-Signatur – nicht weil sie zivil geplant wurden, sondern weil sie strategisch gedacht waren. - Projekt als Kriegsführung.
Jeder DARPA-Ansatz gleicht einem Manöver: Ziel, Ressourcen, Zeitrahmen – keine Dauerförderung, sondern ein Zug auf dem globalen Spielfeld.
Was Europa fehlt
Europa hingegen denkt Innovation oft als Fortsetzung der Subventionslogik mit anderen Mitteln. Programme werden aufgelegt, Förderrichtlinien formuliert, Wettbewerbe durchgeführt – und am Ende gewinnt meist das formal beste Konzept, nicht die gefährlichste Idee. Das ist gut gemeint, aber strategisch blind.
Denn wer Sicherheit will, muss Offensive denken. Technologische Souveränität entsteht nicht allein durch Innovationsfreundlichkeit, sondern durch Risikokompetenz. Sie erfordert eine neue Rolle des Staates – nicht als Förster, der Wachstum pflegt, sondern als Generalstab, der Operationen führt.
Vom Förderstaat zum Strategiestaat
Die europäische Antwort auf geopolitische Erpressbarkeit, technologische Abhängigkeit und ökonomische Zersplitterung kann nur lauten: strategische Institutionen schaffen, die nicht Förderung verwalten, sondern Durchbrüche orchestrieren.
Das bedeutet: Exzellenz temporär bündeln. Entscheidungsgewalt geben. Misserfolge erlauben. Und vor allem: die Zukunft nicht in 10.000 Zeichen Antragslyrik ersticken, sondern in 10 Monaten operativer Umsetzung durchspielen.
Wer ökonomische Sicherheit will, muss handeln, als befände er sich in einem hybriden Gefechtsfeld. Denn genau das ist die neue Realität: Märkte sind Mittel der Macht, Technologien sind Waffen, und wirtschaftliche Abhängigkeit ist Verwundbarkeit.
Es geht nicht um Business Development. Es geht um Verteidigung.
Ein Debattenanstoß für die AFCEA-Fachausstellung, die am 27. und 28. Mai in Bonn stattfindet. Seit ihrer Gründung im Jahr 1986 hat sich die Veranstaltung zur wichtigsten Plattform für die IT-Community der Bundeswehr entwickelt – ein Ort, an dem sich militärische Führungsunterstützung, Nachrichtengewinnung, Aufklärung, IT-Sicherheit und Logistik mit zunehmend zivilen Sicherheitsanforderungen verzahnen. In ihrer Praxisnähe – oft als „Mini-CeBIT in oliv“ bezeichnet – zeigt die Fachausstellung, wie ökonomische und sicherheitspolitische Souveränität zusammenhängen. Wer heute über wirtschaftliche Sicherheitspolitik diskutiert, sollte nicht nur in Kategorien von Märkten und Lieferketten denken, sondern auch in Systemarchitekturen, Interoperabilität und der Fähigkeit, kritische Infrastruktur selbst zu betreiben und zu schützen. Wir berichten über die Ausstellung und über die Sessions.