Wenn in Deutschland heute von Zeitenwende gesprochen wird, geschieht das oft im Ton behördlicher Verwaltung. Auf dem AFCEA-Anwenderforum im Alten Plenarsaal des Deutschen Bundestages klang es anders. Dort, wo einst über Wiederbewaffnung, NATO-Doppelbeschluss und europäische Sicherheitsarchitektur gestritten wurde, hielt Nathanael Liminski eine Eröffnungsrede, die das Wort „Zeitenwende“ aus seiner bürokratischen Erstarrung befreite – und ihm den Ernst einer republikanischen Verpflichtung zurückgab.
Als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen erinnerte Liminski nicht nur an die strategische Rolle seines Bundeslands in Rüstung, Raumfahrt und Digitalisierung. Er adressierte vor allem eine mentale Schwäche: die Unfähigkeit, strategisches Denken nicht nur zu fordern, sondern zur Grundlage politischen Handelns zu machen.
Deutschland, so Liminski, müsse seine sicherheitspolitische Zurückhaltung ablegen und wieder in Abschreckungsfähigkeit investieren – nicht aus Eskalationslust, sondern aus der schlichten Erkenntnis, dass Abschreckung kein Akt der Aggression ist, sondern der Friedenssicherung. Wer verhindern will, dass andere Tatsachen schaffen, muss selbst in der Lage sein, Optionen offen zu halten.
In diesem Kontext verwies Liminski explizit auf Großbritannien – nicht als nostalgisches Gegenbild, sondern als funktionierendes Beispiel dafür, wie strategische Weitsicht und infrastrukturelle Gestaltungskraft Hand in Hand gehen können. Deutschland hingegen habe sich zu lange in einer Kultur der sicherheitspolitischen Selbstgenügsamkeit eingerichtet. Der Preis dafür: mangelnde Handlungsfähigkeit, verwaltete Unsicherheit, wachsende Abhängigkeit.
Besonders deutlich wurde Liminski beim Thema Raumfahrt. Wer heute über Aufklärung, Navigation oder Kommunikation spricht, kommt an Satellitensystemen nicht vorbei. Sie sind längst kein abstrakter Technikzweig mehr, sondern das Nervensystem moderner Militär- und Sicherheitsarchitektur. Und genau hier müsse Europa endlich eigene Wege gehen, so der Minister – jenseits der Dominanz amerikanischer Privatkonzerne. Die strategische Souveränität in der Erdumlaufbahn sei kein PR-Thema für Tech-Messen, sondern eine politische Notwendigkeit für Staaten, die nicht von außen verwaltet werden wollen.
Dass Liminski diese Position im Alten Bundestag formulierte, verleiht seinen Worten zusätzliche Wucht. Der Ort erinnerte daran, dass politische Stärke immer auch mit dem Willen zur Verantwortung beginnt. Liminski machte klar: Wer die Grundlagen der Verteidigungsfähigkeit nicht ernst nimmt, verspielt die politische Souveränität.
In seinen Worten lag kein Alarmismus – aber auch kein Zweifel an der Richtung. Sicherheit ist kein Zustand, sondern eine Strukturleistung. Und diese beginnt mit Investitionen in kritische Infrastruktur, in industrielle Tiefe, in strategisch geführte Forschung. Nordrhein-Westfalen, das machte Liminski unmissverständlich deutlich, sei bereit, dabei mehr zu sein als nur Mitläufer. Es gehe um Führungsfähigkeit – technologisch, politisch, europäisch.
Diese Rede war keine Rede des Rückzugs, sondern des Aufbruchs – nicht triumphal, sondern durchdrungen von der Einsicht, dass Frieden politisch nicht verwaltet, sondern nur aktiv bewahrt werden kann. Liminski sprach als Christdemokrat. Aber sein Ton hätte auch aus der Feder eines Republikaners kommen können, der um die Fragilität der Freiheit weiß – und um die Notwendigkeit, sie zu sichern, bevor andere sie abschaffen.