KfW-Studie zur Digitalisierung im Mittelstand: Wer transformiert, wächst – wer zögert, verliert

von Gunnar Sohn
11. Juni 2025

Die neue Untersuchung der KfW zur Digitalisierung im Mittelstand ist eine Zäsur in der Betrachtung unternehmerischer Transformationsfähigkeit in Deutschland. Sie zeigt nicht nur, was bereits erreicht wurde – sie offenbart vor allem, wo die neuen Bruchlinien verlaufen: zwischen pragmatischer Modernisierung und strategischer Erneuerung, zwischen Nachzüglern und Vorreitern, zwischen digitaler Kosmetik und strukturellem Wandel.

Der zentrale Befund: Der Anteil der Unternehmen, die innerhalb von drei Jahren Digitalisierungsprojekte umgesetzt haben, ist auf 35 Prozent gestiegen – eine Zunahme um ein Drittel gegenüber dem Zeitraum 2014 bis 2016. Doch nicht alle Projektarten profitieren gleichermaßen. Besonders stark wuchs laut KfW die Digitalisierung der Angebotspalette (+20 Prozent), also die Entwicklung digitaler Produkte und Services. Unternehmen, die Hochschulabsolventen beschäftigen, treiben diese Entwicklung besonders dynamisch voran – mit einem Zuwachs von 59 ProzentFokus-Nr.-502-Juni-2025….

Auch die Digitalisierung der Schnittstellen zu Kunden und Zulieferern legte zu (+9 Prozent). Diese Entwicklung wird jedoch überwiegend von regionalen und deutschlandweit aktiven Unternehmen getragen. FuE-intensive und international agierende Unternehmen hingegen haben in diesem Bereich sogar rückgebaut. Der Grund: Sie hatten solche Projekte bereits frühzeitig umgesetzt.

Ebenfalls gewachsen ist die Zahl der Unternehmen, die ihre Workflows digital reorganisieren (+7 Prozent). Dieses Feld ist laut KfW klar von Vorreiterunternehmen geprägt: FuE-Treiber (+19 Prozent), international tätige Mittelständler (+31 Prozent) und wissensbasierte Dienstleister (+23 Prozent) investieren verstärkt in tiefgreifende Prozessveränderungen. Besonders auffällig: Im Baugewerbe – lange als Digitalnachzügler abgestempelt – gab es bei der Workflow-Digitalisierung einen Anstieg um 33 Prozent. Ursache ist vor allem die Einführung von Building Information Modelling (BIM).

Gleichzeitig zieht sich ein ernüchternder Trend durch die Analyse: Die allgemeine Modernisierung der IT – also der technologische Unterbau – ist deutlich rückläufig (-10 Prozent). Nur zwei Gruppen zeigen hier Zuwächse: das FuE-intensive Verarbeitende Gewerbe (+17 Prozent) und regionale Anbieter (+4 Prozent). Offenbar wird IT zunehmend nur dort modernisiert, wo konkrete Notwendigkeiten oder Effizienzvorgaben es erfordern.

Was jedoch am deutlichsten ins Auge sticht: Die Kluft zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern vertieft sich bei den komplexeren Vorhaben. Während einfache Digitalisierungsschritte wie Social-Media-Präsenzen oder Webshop-Erweiterungen inzwischen vielerorts realisiert wurden, konzentrieren sich anspruchsvolle Projekte – etwa datenbasierte Marketingstrategien oder interne Kompetenzaufbauten – fast ausschließlich auf die Spitze. Der Aufbau von Digitalisierungsknowhow etwa nimmt bei FuE-treibenden Unternehmen um 43 Prozent zu – bei Unternehmen ohne Forschung und Entwicklung jedoch um 11 Prozent ab.

Die KfW-Analyse bestätigt damit eindrucksvoll die These, die wir in unserer eigenen Studie „Resilienzmeister im deutschen Mittelstand“ formuliert haben: Nicht die schiere Größe oder Branche entscheidet über digitale Wettbewerbsfähigkeit, sondern die strategische Ausrichtung und das vorhandene Wissen. Während einfache Projekte eine gewisse Nivellierung ermöglichen, verstärken komplexe Digitalisierungsvorhaben strukturelle Unterschiede – sowohl bei den Kompetenzen als auch beim Zugang zu neuen Märkten.

Diese Differenzierung hat reale Folgen. Denn laut KfW zeigt sich, dass Unternehmen mit Hochschulabsolventen signifikant häufiger alle sechs Digitalisierungsarten umsetzen – unabhängig von Größe oder Region. Digitalisierung, das wird hier deutlich, ist kein Tool, sondern ein systemisches Projekt. Wer nur punktuell agiert, wird kaum vom Fleck kommen.

Es braucht also eine neue Balance: zwischen Skalierbarkeit einfacher Digitalmaßnahmen für Nachzügler und gezielter Förderung komplexer Transformationspfade bei den Vorreitern. Es reicht nicht mehr, Digitalisierung allgemein zu propagieren. Entscheidend ist, welche Art von Projekten umgesetzt wird – und mit welchem Anspruch.

Die KfW liefert die Landkarte. Nun ist es an Wirtschaftspolitik, Verbänden und Beratern, die Wege zu bereiten. Andernfalls droht dem Mittelstand nicht nur ein Digitalisierungsrückstand, sondern ein Wettbewerbsgefälle, das sich in den nächsten Konjunkturzyklen dramatisch zuspitzen könnte.

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