Wir sprechen viel über Mitbestimmung in Organisationen. Aber was, wenn neue Machtverhältnisse durch KI unbemerkt entstehen?
Von außen wirkt alles gleich: flache Hierarchien, agile Teams, Empowerment-Rhetorik auf jedem Townhall-Slide. Doch wer genauer hinsieht, erkennt eine neue Tiefenstruktur der Macht – unsichtbar, aber wirkmächtig: Algorithmen, Modelle, neuronale Netzwerke. KI bestimmt zunehmend, was als relevant gilt, wer Empfehlungen bekommt, welche Datenflüsse zählen und wie Entscheidungen vorbereitet werden. Nicht offen, sondern hinter Interfaces, Dashboards und automatisierten Vorschlägen. Eine Schatten-KI entsteht.
Die stille Umverteilung: Macht durch Modelltraining
In der vernetzten Serviceökonomie wird Macht nicht mehr über Titel ausgeübt, sondern über die Kontrolle von Plattformen, Datenströmen und Entscheidungsvorlagen. Wer die Trainingsdaten auswählt, hat bereits einen Vorsprung. Wer die Modelle baut, entscheidet, welche Welt als wahrscheinlich erscheint – und welche als abseitig verworfen wird.
„Empowerment“ klingt gut. Aber wer bestimmt, was empfohlen wird? Welche Lösung als „smart“ gilt? Welche Anomalie ignoriert wird? Die eigentliche Macht liegt nicht in der Meetingkultur, sondern in der Gestaltung der KI-Architektur. Das ist keine dystopische Zukunft – das ist Gegenwart.
Der Aufstieg der Schatten-KI
Schatten-IT kennt man: parallele Tools und Systeme, die abseits der offiziellen IT-Infrastruktur laufen. Doch Schatten-KI geht tiefer: Sie erzeugt eine zweite Ebene organisationaler Realität, gesteuert von Prompt-Engineering, Modellen und stillen Automatismen. Entscheidungen werden vorbereitet – aber von wem? In wessen Interesse?
Die Führungskraft fühlt sich souverän, dabei agiert sie längst im vorstrukturierten Möglichkeitsraum einer KI-gestützten Vorschlagslogik. Das betrifft Personalentscheidungen genauso wie Produktentwicklung oder Kundenkommunikation. KI ist nicht neutral – sie ist ein Machtmittel.
Was tun? Drei Prinzipien für echte Mitbestimmung in der KI-Ökonomie
Transparenz über die Modelllogik
Wer trifft die Trainingsentscheidungen? Welche Datenbasis? Welche Ausschlüsse? Modelle brauchen ein Impressum.
Kollaboratives Prompting & Testing
Nicht nur Spezialisten im KI-Lab, sondern diverse Teams sollten mitgestalten: Was bedeutet „Empfehlung“ in Vertrieb, HR, Service?
Technologie als Verfassungsfrage
Empowerment heißt, dass Mitarbeitende auch über die Architektur der Werkzeuge mitentscheiden dürfen. Nicht nur über ihre Anwendung.
Schlussfrage an unsere Community:
Wie kann Empowerment gelingen, wenn die Macht längst algorithmisch verlagert wurde?
Was brauchen Organisationen, um nicht nur mit, sondern durch KI demokratischer zu werden?
