Die Zahlen sind da. Und sie sind erwartbar schlecht.
–0,1 Prozent im zweiten Quartal 2025.
Das Statistische Bundesamt spricht nüchtern von einem leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Aber der Sachverhalt ist alles andere als leicht. Denn dieses Minus ist mehr als eine Quartalsbewegung – es ist ein Symptom. Ein leises, aber deutliches Signal dafür, dass das Land, das sich lange für die Hochburg der industriellen Vernunft hielt, ökonomisch den Anschluss verliert.
Die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten sind zurückgegangen. Die staatlichen und privaten Konsumausgaben stiegen leicht, als wollte man sich mit Konsum über den strukturellen Schmerz hinwegkaufen.
Und während Deutschland sich – erneut – mit sich selbst beschäftigt, blicken andere längst nach vorn. Oder besser: Sie handeln. Schnell, radikal, ungeduldig.
Frank H. Witt, Vordenker, Unternehmer, Wissenschaftler, bringt es auf LinkedIn auf den Punkt:
„Der Trend ist bekannt – aus den USA, China oder Japan – und folgt der Logik von Märkten und Kapitalmärkten: Lean AI wird mit Höchstbewertungen belohnt.“
Er nennt Beispiele, die wirken wie aus einer anderen ökonomischen Galaxie:
Telegram – 30 Mitarbeitende, 30 Milliarden Dollar Bewertung.
Base44 – ein Entwickler, 80 Millionen Dollar.
Keine Fiktion, sondern Realität.
Die Gleichung ist einfach – und brutal:
KI + Kapital + Geschwindigkeit = Produktivität ohne Personal.
Witt weiter:
„KI kann eine sanfte Revolution ermöglichen – deutlich mehr Produktivität bei massiv sinkendem Bedarf an marktförmig handelbarer menschlicher Arbeit.“
Und damit hat er Recht. Diese Revolution ist nicht laut. Sie kommt nicht mit Barrikaden. Sie kommt mit Code. Mit automatisierten Prozessen. Mit Agenten, die nicht krank werden. Nicht kündigen. Keine Lohnerhöhung fordern.
Die politische, institutionelle und kulturelle Antwort darauf?
Bislang: Schweigen. Oder – schlimmer – Rückgriff auf Denkfiguren aus dem letzten Jahrhundert.
„Ach, Kinder kriegen die Leute doch immer.“
So antwortete Adenauer einst auf Warnungen vor dem demografischen Wandel. Ein Satz, der wie ein Fossil wirkt – und doch bis heute symptomatisch ist für das inkrementalistische Denken der deutschen Verwaltung, Politik und Wirtschaft.
Frank H. Witt bringt die Diagnose in einem Satz unter:
„Solches, inkrementalistisches, auf Bewährtem aufbauendes Denken funktioniert im KI-Zeitalter nicht mehr.“
Das Problem ist nicht die KI. Es ist die Kultur drum herum.
Während in Israel Ein-Personen-Startups den Weltmarkt angreifen, braucht man in Deutschland für die Gründung eines KI-Startups drei Monate, ein Steuerbüro und zehn Schriftsätze.
Larissa Holzki, Redaktionsleiterin des KI-Teams beim Handelsblatt, hat mit ihrem Bericht über Tiny Teams wie StrategyFrameAI eine Debatte losgetreten, die zeigt, wie groß die tektonischen Verschiebungen sind – und wie reflexhaft die Abwehrmechanismen.
„Von 30 auf 3 Berater, bei 100 Kunden.“
Ein Consultingunternehmen, das mit einem Zehntel der ursprünglichen Belegschaft dieselbe Leistung bringt. Und was passiert in den Kommentaren? Skepsis, Misstrauen, Verteidigung der alten Ordnung.
Stefan Milz nennt es „Clickbait“.
Maximilian Zoller zweifelt die Daten an.
Monika Heimann fragt nach der Vergleichbarkeit.
Ralf Weisser bringt die Gegenrealität:
„Ich führe meine Kanzlei seit 2,5 Jahren komplett KI-gestützt allein – inklusive 8-stelliger M&A-Deals.“
Was sich hier vollzieht, ist eine tektonische Verschiebung in der Semantik von Arbeit.
Wo früher Größe, Masse und Präsenz zählten, zählt heute Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Präzision.
Die Führungskraft der Zukunft ist nicht mehr der Manager. Sondern derjenige, der seine Arbeit mit Maschinen orchestriert.
Tobias Kollmann, Professor für digitale Ökonomie, spricht von Artificial Leadership – einer neuen Führungskategorie, in der nicht mehr Menschen entscheiden und Maschinen unterstützen, sondern umgekehrt. Die KI trifft Entscheidungen, der Mensch kontextualisiert.
Es ist ein Konzept, das sich nur schwer mit der deutschen Vorstellung von Verantwortung verträgt. Denn hierzulande muss jede Entscheidung begründet, rückversichert, abgezeichnet und abgeheftet werden. Doch der Markt wartet nicht.
Das Minus von 0,1 Prozent ist kein Konjunkturtief. Es ist ein Kulturdefizit.
Die entscheidende Frage lautet nicht mehr: „Wie viele Menschen braucht es für ein Produkt?“
Sondern: „Wie viel Wirkung kann ein Mensch mit einer KI entfalten?“
Europa – und Deutschland im Besonderen – hat dafür noch kein Betriebssystem.
Aber es wäre höchste Zeit, eines zu entwickeln.
Deshalb läuft auch dieser Ansatz ins Leere:
Wir können darüber diskutieren am 28. August in Köln im Startplatz.
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