Wer die Übersicht des Bundeskanzleramts über die Vorhaben der Bundesregierung für die kommenden drei Monate liest, erkennt rasch: Von einem Innovationsjahr ist die Bundesrepublik weit entfernt. Es ist ein Katalog der Verwaltung, kein Programm des Aufbruchs.
Da stehen Gesetze zur Digitalisierung von Führerschein, Zwangsvollstreckung und Visumverfahren, flankiert von Berichten über Bürokratieabbau, Renten, Kohleausstieg und Gleichstellung. Es wird reguliert, evaluiert, nachjustiert. Doch kaum ein Projekt trägt das Versprechen von Zukunft oder Wachstum in sich. Innovation wird in Aktenordnern verwaltet.
Die wenigen Lichtblicke – etwa die nationale Umsetzung des EU-KI-Gesetzes (AI Act), das Daten-Governance-Gesetz oder der Masterplan Ladeinfrastruktur 2030 – zeigen, dass Fortschritt nur dort entsteht, wo Brüssel drängt oder die Industrie drängelt. Fast alles, was unter „Innovation“ firmiert, ist eine Reaktion, keine Idee. Es fehlt der Wille, aus Technologiepolitik Wachstumspolitik zu machen.
Während die USA in KI und Quantenforschung investieren, arbeitet Deutschland an der Einführung elektronischer Fußfesseln oder der Aufnahme des Wolfes ins Jagdgesetz. In der Wirtschaftspolitik dominiert der Reflex des Misstrauens: Kassenpflicht, Fondsrisikobegrenzung, Steuerverordnungen, all das atmet Kontrollbedürfnis statt Aufbruch.
Zukunftspolitik aber verlangt mehr als Verwaltungseffizienz. Sie braucht Risikokapital, Forschungsfreiheit, Experimentierräume. Was als Bürokratierückbau verkauft wird, ist in Wahrheit die Verwaltung des Mangels. Deutschland ist nicht innovationsfeindlich, es ist innovationsmüde.
Das wird zum Problem: Denn selbst dort, wo Digitalisierung voranschreiten soll – etwa bei Work-and-Stay-Agenturen für Fachkräfte, im Visumverfahren oder bei der Digitalisierung des Immobilienvollzugs – fehlen strategische Leitbilder, wie daraus Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit erwachsen sollen. Die Programme sind administrativ, nicht ökonomisch gedacht.
Die Bundesregierung liefert damit das Bild einer Republik, die glaubt, sich aus der Krise herauserklären zu können. Doch Erklärungen schaffen keine Märkte, und Paragraphen ersetzen keine Ideen. Wenn Innovation zur Fußnote der Verwaltung wird, bleibt vom großen Versprechen des Fortschritts nur ein Aktenzeichen übrig.
Die Bundesregierung reformiert ihre Verfahren, nicht ihre Zukunft.
