Wenn Jensen Huang, Chef des wertvollsten Chipkonzerns der Welt, nach Deutschland reist, geht es selten um Symbolik. Der Gründer von NVIDIA hat gemeinsam mit Telekom-Chef Tim Höttges den Grundstein für ein Projekt gelegt, das Europa technologisch neu positionieren soll: die Industrial AI Cloud, eine milliardenschwere Partnerschaft von Deutsche Telekom, NVIDIA und SAP, flankiert von einem wachsenden Ökosystem aus Start-ups und Industriepartnern.

Ab 2026 soll in München eine der leistungsfähigsten europäischen KI-Infrastrukturen live gehen – mit bis zu 10.000 Blackwell-GPUs und mehr als 1.000 DGX-Systemen. Die Anlage wird die Rechenleistung für Künstliche Intelligenz in Deutschland um rund 50 Prozent erhöhen.

Vom Silicon Valley zur Isar

Was die Telekom und NVIDIA als „Sovereign AI Factory“ bezeichnen, ist mehr als ein Rechenzentrum. Es ist der Versuch, Europas industrielle DNA – Maschinenbau, Robotik, Fertigung – mit der Rechenkraft des 21. Jahrhunderts zu verbinden. Die Telekom stellt die physische Infrastruktur, SAP liefert mit der Business Technology Platform den Software-Unterbau, und Partner wie Siemens, Agile Robots oder PhysicsX entwickeln auf dieser Basis Anwendungen, die von digitaler Produktentwicklung bis zur KI-gestützten Fabrikautomatisierung reichen.

Das Besondere: Die Daten bleiben in Europa, der Software-Stack gilt als souverän. Für Unternehmen, die bisher mit Blick auf Datenschutz und geopolitische Abhängigkeiten zögerten, fällt damit ein entscheidendes Argument gegen den Einstieg in KI weg.

„No excuses left“

„Wir nehmen allen die Ausrede, den Sprung in die Superpower-AI-Welt nicht zu wagen“, sagte Telekom-Chef Höttges bei der Präsentation. NVIDIA-Gründer Huang sprach gar von der „Opportunity of a lifetime“. Und tatsächlich: Nach Jahrzehnten industrieller Stagnation könnte die Verbindung aus Cloud-Infrastruktur und KI-Software zu einer neuen Wachstumsstory werden.

Die Initiative ist zugleich ein Signal an die Politik. Bundesdigitalminister Karsten Wildberger und Forschungsministerin Dorothee Bär lobten das Projekt als Beleg dafür, dass Digital-Souveränität und internationale Kooperation kein Widerspruch sind. Noch in diesem Jahr soll eine nationale Datenzentrums-Strategie folgen.

Vom Datacenter zur Wertschöpfung

Entscheidend wird sein, ob die neue KI-Fabrik nicht nur Strom verbraucht, sondern Wertschöpfung erzeugt. Denn Deutschland leidet seit Jahren unter Produktivitätsstagnation. KI-gestützte Industrieanwendungen könnten diese Lücke schließen – vorausgesetzt, Mittelstand und Maschinenbau greifen zu.

„Made in Germany“ bekommt mit der Industrial AI Cloud eine zweite Bedeutung: nicht mehr nur Präzision in Stahl, sondern Präzision im Code. Wenn der Plan aufgeht, entsteht in München nicht nur ein Rechenzentrum, sondern das Fundament für ein digitales Industrie-Comeback.

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