#Bloggercamp.tv zum Thema Content Marketing
Content sagt alles und nichts. Marketing sagt alles und nichts. Was kommt denn nun bei der Wortkombination Content Marketing heraus? Ein semantisches Nullsummenspiel und ein kommunikatives Trauerspiel. So könnte man die Bloggercamp.tv-Gesprächsrunde in erweiterter Formation zusammenfassen.
Die tägliche Begriffshuberei mit 50 oder 60 verschiedenen Definitionen führt jedenfalls nicht zur Klärung, moniert Kommunikationsexperte Frank Michna. Da werden Worte atomisiert, pulverisiert und wieder zusammen gebaut:
“Jede Woche wird ein neues Chart entwickelt, um zu zeigen, dass es nun doch eine Daseinsberechtigung für Content Marketing gibt. Es ist ein wenig jämmerlich, dass man sich so weit von Kommunikation entfernt.”
Die Verbindung mit Kommunikation und Information führe zu einer undurchschaubaren Wurstproduktion, die dem Verkaufen dienen soll.
“Wir müssen so langsam die Entscheidung treffen, was wir denn in den sozialen Netzwerken eigentlich machen. Marketing ist Preis, Distribution, Produkt und letztlich Absatzförderung”, erläutert Michna bei seinem Bloggercamp.tv-Debüt.
Content Marketing sei letztlich nur eine viel geprügelte Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Es führe auf der Unternehmensseite eher zur Verunsicherung und bringt keinen Erkenntnisgewinn. Zudem werden Erwartungen geweckt, die überhaupt nicht erfüllt werden können. Die Vermengung von verschiedenen Organisations-Disziplinen bewirkt mehr Schaden als Nutzen.
Paradox: Im Wort „Content“ ist nichts drin.
— Christoph Kappes (@ChristophKappes) 12. August 2014
Ähnlich verhält es sich mit der Vermischung von PR und Marketing. Es entwertet die Rolle der Unternehmenskommunikation und unterstützt Geisteshaltungen, die auch heute noch die Tagesordnung vieler Organisationen prägen:
“Schalten Sie mal wieder eine PR, um die Verkaufszahlen nach oben zu bringen. Wir brauchen bessere Werte für den Vertrieb. Platzieren Sie mal einen Artikel, damit unsere Außendienstler Futter bekommen. Sie bringen mir jetzt mehr Clippings, damit wir gegenüber dem Produktmanagement besser dastehen. Ich will den Chef mit einem Porträt auf Seite 5 der Wirtschaftswoche sehen, nur dann erreichen wir über unsere Marketingabteilung die potenziellen Geschäftskunden – alles andere ist Firlefanz.”
Die Kommunikatoren in den Unternehmen tun sich nach Ansicht von Michna keinen Gefallen, wenn sie mit einer Verwässerung von Begriffen operieren. “Man macht sich unglaubwürdig.”
Das Ergebnis sei schon bei vielen großen PR-Agenturen zu betrachten, die sich aus einer Mischung von Verkauf und Promotion mit Restbeständen von tatsächlicher PR positionieren. Gleichzeitig gebe es immer weniger PR-Fachleute, die gut schreiben können, die jemanden mitnehmen und in der Lage sind, relevante Informationen aufzubereiten – ohne Schönwetter-Botschaften und aseptisch gestylte Fotos oder Videos.
“Dann klatscht man obendrauf noch die digitale Social Media-Sauce, nennt das Ganze Content Marketing und kommt mit der Stirnlampe vor dem Kopf bei einer Customer Journey hinten raus”, so Michna.
Verfeinert wird der Brei mit Storytelling-Zutaten und Controlling-Werten aus der Rubrik “Malen nach Zahlen”. Das Lead-Generierungs-Conversion-Rate-Reichweiten-Geschwalle packt man dann in bunte Excel-Tabellen. Die werden meistens ausgedruckt, in heiligen Ordnern abgeheftet und danach in heiligen Schränken aufbewahrt, schließlich könnte der Unternehmensboss ja mal nachfragen, ob man auf das Konto des Unternehmenserfolgs eingezahlt hat.
Mit der pseudo-rationalen Controlling-Huberei verliere man die ganze Leichtigkeit und Leichtigkeit, die das Mitmach-Web bietet.
“Wir verspielen viele Möglichkeiten im Social Web, weil wir uns in Definitionen von irgendwelchen Begriffen aufhängen”, meint Frank Michna.
Statt Content Marketing-Nebelkerzen zu zünden, sollte Unternehmen demonstriert werden, wie man die Plattformen des Social Webs sinnvoll einsetzen kann, um bestehende Aktivitäten im Marketing, im Kundenservice und in der Kommunikation zu unterstützen. Eine gut organisierte und interessante Kundenveranstaltung könnte live ins Netz übertragen werden, um auf das Konto “Kommunikation für Abwesende” einzuzahlen. Der technische Service eines Herstellers könnte Kundenanfragen in sozialen Netzwerken kuratieren und über Videos beantworten, damit weitere Anfragen gar nicht mehr auflaufen. Die Kommunikationsabteilung könnte Fachblogs entwickeln, um Partner und Händler mit wichtigen Informationen zu versorgen. Man könnte mit Power-Usern auf Youtube ins Gespräch kommen, die die Produkte des Unternehmens besser kennen als Hotline-Mitarbeiter. Und, und, und.
Keinen Social Web-Weihrauch verbreiten, um Eindruck zu schinden, sondern operativ aufzeigen, was im Netz alles möglich ist. Also nicht mit Powerpoint-Rhetorik glänzen, sondern die eigenen Vorschläge selbst umsetzen, demonstrieren und beweisen. Siehe meine Antworten bei einer Mittelstandsrunde auf der Cebit.
Frei nach dem Motto: Eat your own dog food.
Die Neujustierung von Bloggercamp.tv scheint in den ersten Reaktionen gut anzukommen:
Heike Stiegler: Super Sendung, super Thema, super offen !!! Ihr habt hier endlich mal laut und offen ausgesprochen, was ich mir auch schon so oft gedac habe, immer in dem Gefühl, ich liege falsch, denn der große Chor singt ja anders. Ich kann nur gar keinen Punkt herausgreifen, denn es trifft auf jedes Thema zu, das ihr diskutiert habt, egal ob es um “contentmarketing”, “Social-Media” oder die “neue Elite” geht. Normal hab ich nicht die Geduld für so lange Formate, aber ihr habt es diesmal geschafft, dass ich echt dran geblieben bin, bis zuletzt. Hoffentlich sehen es sehr viele!
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf: Ich sag mal.