PS(S) braucht das Land!

von Gastautorin/Gastautor
23. März 2017
PS(S) braucht das Land

Die Rolle produzierender Unternehmen wandelt sich zurzeit grundlegend. Während sie sich bisher vor allem auf Entwicklung, Produktion und den Vertrieb qualitativ hochwertiger Sachprodukte konzentrierten, erwarten die Kunden von ihnen zukünftig mehr Dienstleistungen bis hin zu ganzheitlichen Komplettlösungen. Für die Bereitstellung einer solchen ganzheitlichen Lösung eignen sich Produkt-Service-Systeme (PSS) besonders gut. Sie bestehen aus einer Produkt- und einer Dienstleistungskomponente, deren Gewichtungen sich je nach Anwendungsfall stark unterscheiden können und bei der Gestaltung des Angebots bereits berücksichtigt werden.

Die Transformation zum PSS-Anbieter lässt sich beispielhaft an einem Maschinenbauunternehmen aufzeigen, welches in der Vergangenheit stark produktorientiert war. Durch die Herausforderung zur Wandlung zum Lösungsanbieter sehen sich solche Unternehmen mit der Generierung eines geeigneten Geschäftsmodells konfrontiert. So kann das Unternehmen unter Anwendung eines Vorgehensmodells ein Produkt-Service-System um sein bestehendes Angebot herum aufbauen und dem Kunden problemorientierte Gesamtlösungen offerieren.

Aber auch ein „Grüne Wiese“ Ansatz zur radikalen Geschäftsmodellinnovation ist an dieser Stelle denkbar. Durch die Umsetzung eines solchen Geschäftsmodellansatzes entstehen je nach Intensität der Serviceorientierung verschiedene PSS, die von einfachen Einzeldienstleistungen, über die reine Vermietung einer Anlage bis hin zum Rundum-Service-Vertrag mit entsprechender Bezahlung pro hergestelltem Teil realisiert werden können. Diese Geschäftsmodelle sind zum einen in der Lage langfristig einen höheren Umsatz für den Anbieter zu generieren, zum anderen auch einen höheren Kundennutzen zu erzeugen und somit eine Win-Win Situation, eine stärkere Kundenbindung inklusive dem Aufbau von Wechselbarrieren, sowie einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil entstehen zu lassen.

Dieses Beispiel veranschaulicht nur einen Anwendungsfall einer bestimmten Branche. PSS können jedoch in den meisten Branchen eingesetzt werden. Beispiele lassen sich heute schon in der Automobilindustrie, der Luftfahrt, der Lebensmittelindustrie, der IT und zahlreichen weiteren Bereichen finden. Zudem bietet die aktuell stark voranschreitende digitale Transformation heute viele Möglichkeiten für Unternehmen ihre Produkte mit digitalen Services anzureichern und somit den Schritt in Richtung deines digitalen Produkt-Service-Systems (dPSS) zu gehen.

Die Entwicklung eines solchen Geschäftsmodells ist jedoch für viele rein Produktorientierte Unternehmen eine sehr große Hürde, die das Unternehmen mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Die Initiative für die Änderungen muss von oberster Stelle angetrieben und massiv unterstützt werden. Zudem müssen oft neue Kompetenzen aufgebaut und Mitarbeiter geschult werden. Auch die Anpassung der Unternehmenskultur kann eine Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung eines innovativen Geschäftsmodells sein.

Um Unternehmen auf diesem neuen Weg zu begleiten, entwickelt das Forschungsprojekt „Use-PSS – Usability betrieblicher Produkt-Service-Systeme“ ein Vorgehensmodell, das sich an genau diese Herausforderungen anpasst und Organisationen von der Informationsphase bis zur Umsetzung des neuen Geschäftsmodells unterstützen und leiten soll.

PS(S) braucht das Land

Use-PSS Vorgehensmodell

In der Ersten Phase geht es vor allem um die Sensibilisierung potentieller Unternehmen für die PSS-Thematik. Dabei werden besonders die Vorteile und Herausforderung eines PSS-Geschäftsmodells beleuchtet. Anhand von Best-Practice Beispielen wird hier aufgezeigt, wie eine PSS-Transformation im Unternehmen aussehen kann. Die zweite Phase dient als Vorbereitung auf die Ideengenerierung. Dabei wird das zukünftige Entwicklungsteam methodisch vorbereitet und erlernt unter anderem den Umgang mit Methoden der Geschäftsmodellinnovation und des Service Designs.

Aber auch innovative Ansätze, wie das Design Thinking sind hier ein Thema. In diesem Schritt werden die verwendeten Methoden individuell für die Bedürfnisse der Unternehmen bzw. der Branche kombiniert. Zudem werden Methoden gewählt, aber auch im Projekt entwickelt, um den Veränderungen einer zunehmend digitalisierten Welt gerecht zu werden. Im dritten Schritt des Use‑PSS Vorgehensmodells entstehen im Rahmen eines moderierten Workshops innovative PSS‑Geschäftsmodell‑Ideen. Die entwickelten Ideen werden anschließend bewertet und gehen im Idealfall in die vierte Phase, nämlich die Geschäftsmodellumsetzung über. Hier bietet das Use‑PSS Vorgehensmodel Ansätze zur erfolgreichen PSS-Entwicklung, Umsetzung und Weiterentwicklung.

Das vorgestellte Modell wird zurzeit mit ausgewählten Unternehmen unterschiedlicher Branchen mit dem Ziel getestet, ein detailliertes Best-Practice-Vorgehensmodell zu definieren. Die Projektergebnisse können ab Spätjahr 2017 auf der Use-PSS Website abgerufen werden.

Förderinitiative Usability

Das Projekt Use-PSS ist Teil der Förderinitiative „Einfach intuitiv – Usability für den Mittelstand“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.


Unser Gastautor

Prof. Dr. Bernhard Kölmel Prof. Dr. Bernhard Kölmel lehrt und forscht im Fachgebiet Global Process Management an der Hochschule Pforzheim. Einen besonderen Schwerpunkt legt er dabei auf die Erforschung der Hintergründe global vernetzter Systeme entlang des Lebenszykluses innovativer Technologien.
Nach seinem Studium und der Promotion an der Universität Karlsruhe arbeitete er lange Zeit als Bereichsleiter Strategie, Innovation und Business Design bei der CAS Software AG in Karlsruhe.
Er koordiniert zahlreiche internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der vernetzten Welt. Prof. Kölmel ist als Gutachter und Fachexperte für nationale Ministerien, die Europäische Kommission und das European Institute of Innovation and Technology (EIT) tätig.

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