Wie gelingt die Multichannel Analyse?
„Es geht nicht mehr nur ums Daten sammeln und Erkenntnisse gewinnen, sondern darum, dass idealerweise die gewonnenen Erkenntnisse sofort und automatisch in Aktionen umgesetzt werden.“
Smarter Service Talk mit Thomas Heinbach, Senior Solution Consultant bei Adobe Systems
Obamas Wahlkampf-Team Air Wulf hat Nicht-Wähler erfolgreich identifiziert, um sie adressieren zu können. Was können Marketiers von Obama lernen?
THOMAS HEINBACH: Air Wulf war die Bezeichnung für den Marketing-Teil der Wahlkampf-Kampagne von Obama, und diese hatte einen Datensammlungs-Teil. Genutzt wurde eine sehr einfache Basis-Technologie, dazu setzte man unglaubliche Mengen von Manpower ein. Unsere (Adobes) Kunden haben das Budget für diese Analysen in der Regel nicht. Sie müssen auf weniger Manpower und auf mehr Automatisierung setzen, also auf verbesserte Möglichkeiten der automatischen Identifizierung von wichtigen Datenclustern. Ein extrem wichtiger Punkt hierbei ist: Es geht nicht mehr nur ums Daten sammeln und Erkenntnisse gewinnen, sondern darum, dass idealerweise die gewonnenen Erkenntnisse sofort und automatisch in Aktionen umgesetzt werden.
Wie kann man verborgene Muster und Verhaltensweisen in großen Datenmengen aufdecken?
HEIMBACH: Adobe hat mit der Marketing-Management-Software schon immer sehr starke Visualisierung angeboten. Es wurden Funktionalitäten eingebaut, um Abweichungen in den einzelnen Metriken deutlich zu machen. Der Kunde muss die Auffälligkeiten jedoch systematisch erforschen und identifizieren. Er muss auch herausfinden, welche anderen Metriken mit einer Auffälligkeit korrelieren.
Zum Beispiel sind die Page-Views eines Unternehmens an einem Tag um 20 Prozent gestiegen. Jetzt kann überprüft werden, welche Metriken einen ähnlichen Ausschlag (Spike) aufweisen. Hier hatte möglicherweise die bezahlte Suche den höchsten Einfluss, und hier wiederum ein gewisses Keyword in einer bestimmten Suchmaschine. Dies hat dazu geführt, dass ein bestimmtes Produkt häufiger gekauft wurde. Oder, wenn’s richtig schlecht läuft, hatte das Unternehmen zwar erhöhten Traffic, das Produkt war aber sofort ausverkauft und somit konnte die Nachfrage nicht bedient werden. Das wäre unglücklich, aber solche Informationen kann der Kunde automatisiert aus dem Adobe-Tool herauslesen.
Wie kann das funktionieren, wenn der Kunde mehrere Kontaktpunkte bis zum Kaufabschluss nutzt? Wie kann man die Daten in einer Multichannel Analyse zusammenbringen?
HEIMBACH: Es ist sehr schwer herauszufinden, was eine Person, die sich auf der Facebook-Fanpage des Werbungtreibenden positiv oder negativ äußert, vorher tatsächlich bei dem Unternehmen gekauft hat – oder später noch kaufen wird.
Möglich ist das nur, wenn tatsächlich ein gemeinsamer Schlüssel erarbeitet wird, wenn das Werbung treibende Unternehmen es beispielsweise auf seiner Website ermöglicht, dass sich ein Nutzer mit seinem Facebook Log-in anmeldet. In dem Augenblick hat es den gemeinsamen Schlüssel. Dieser Anreiz des Social Log-in wird schon von vielen Unternehmen gesetzt. Junge Leute erwarten dies auch, sie möchten, wenn sie etwas online kaufen, nicht noch Name und Adresse in ein Formular eingeben müssen. Diese Zeitersparnis ist für die junge Generation Anreiz genug, sich mit dem Facebook Log-in anzumelden.
Und wie kann ich die Verbindung erstellen, wenn der Kontakt nicht in der digitalen Welt startet?
HEINBACH: Nehmen wir das Beispiel eines Anbieters von Luxusartikeln. Das Unternehmen hat bei Google für seine SEM-Kampagnen bestimmte Suchworte eingetragen und zahlt dafür viel Geld. Es stellt fest, dass bestimmte Suchworte zwar viel Traffic bringen, aber wenig Umsatz auf der Website bringen. In einer Paralleluntersuchung hat der Luxuswaren-Anbieter festgestellt, dass ein Artikel, der über das Suchwort wenig Umsatz brachte, im Call-Center vergleichsweise gut verkauft wurde.
Das Unternehmen hat dann einen Anreiz gesetzt: Es hat auf der Produktwebsite neben der Telefonnummer des Call-Centers einen kurzen Code angegeben. Der Call-Center-Agent fragt, ob der Kunde über die Website kommt und bittet um Nennung des Codes. Das Unternehmen erkennt nun, dass Kunden, die sich für ein bestimmtes Produkt interessieren und in diesem Zusammenhang über ein bestimmtes Suchwort auf die Website gekommen sind, den Kaufprozess abgebrochen haben, weil sie Fragen hatten, die sie telefonisch klären wollten.
Warum werden derartige Zusammenhänge oftmals in der Werbewirkungsanalyse ignoriert?
HEINBACH: Wird die Customer Journey nicht ausgewertet, liegt das meistens nicht daran, dass man über Querverbindungen nichts weiß. Dies ist eher eine Frage der Organisation. Das Szenario sieht häufig so aus: Eine Abteilung im Unternehmen beschäftigt sich mit der Optimierung der bezahlten Suche. Außerdem gibt es einen SEO-Spezialisten, der vielleicht in einem anderen Gebäude seinen Arbeitsplatz hat.
Das Unternehmen arbeitet zudem mit Agenturen zusammen, die für die Display-Werbung zuständig sind. Dabei haben möglicherweise alle ihre eigenen Datenquellen und schauen nur auf ihre eigene Zahlenwelt. Es ist also oft weniger eine Frage der Technologie als vielmehr eine Frage der Organisation, damit der Kunde die globale Übersicht erhält und Kausalketten vernünftig auswerten kann.
1 Kommentar
[…] einem Interview mit dem Portal “Smart Service” zieht Thomas Heinbach, Senior Solution Consultant bei Adobe, einige Parallelen zwischen dem […]