Mit agilen Teams der Krise begegnen

von Bernhard Steimel
18. August 2020
Mit agilen Teams der Krise begegnen

Während einer Krise scheitern Unternehmen immer wieder an vier Hürden:

  1. Unzureichende Erkenntnis: Viele Unternehmen analysieren die Krise nicht gründlich. So sind erste Bewertungen oft zu optimistisch. Dies färbt auch nachfolgende Analysen ein.
  2. Beschränkter Lösungsraum: Jede Krise ist anders, Lösungen sollten maßgeschneidert werden. Was vor Jahren funktioniert hat, muss deshalb nicht heute funktionieren.
  3. Schlechte Entscheidungen: Mangelhafte Krisenbewältigung zeigt sich in schlechten Entscheidungen. Sie haben viele Ursachen, etwa Handeln aufgrund von falschen Annahmen oder von unvollständigen oder fehlerhaften Informationen.
  4. Mangelhafte Umsetzung: Wer handelt, macht Fehler. Vor allem eine unübersichtliche Situation, chaotische Abläufe und panische Reaktionen führen zwangsläufig zu Störungen.

Führungskräfte sind in der wenig beneidenswerten Situation, diese Herausforderungen unter dem starken Druck einer großen Krise zu meistern.


Ein agiler Krisenstab („Nerve Center“) mit einer großen Handlungsautonomie kann Engpässe überwinden und schnell reagieren. Je nach Größe des Unternehmens und der Anzahl der typischerweise dort beschäftigten Führungskräfte besteht der Krisenstab aus einer kleinen Führungsgruppe und vier Krisenreaktionsteams mit unterschiedlichen Aufgaben und Schwerpunkten.


Die Arbeit jedes Teams richtet sich auf einen von vier Handlungshorizonten: Erkenntnis (Discover), Lösungssuche (Design), Entscheidungen (Decide) und deren Umsetzung (Deliver).

  • Team Eins sorgt für Erkenntnis, in dem es unter- schiedliche Szenarien der Weiterentwicklung der Krise und des Unternehmens ausarbeitet.
  • Team Zwei geht auf die Suche nach Lösungen und strategischen Schritten für die unterschiedlichen Szenarien.
  • Team Drei ist die Entscheidungsinstanz im Krisenstab. Es unterstützt zudem das Führungsteam mit Einschätzungen und Situationsberichten bei seiner Arbeit.
  • Team Vier führt die im Krisenstab getroffenen Entscheidungen aus. Dabei muss es vier Handlungsfelder berücksichtigen: Arbeitskräfte, Wertschöpfung, Kundeninteraktion und Finanzen.
Mit agilen Teams der Krise begegnen
Handlungshorizonte und Teams in der Krise
Mit agilen Teams der Krise begegnen

(1) Schutz der Arbeitskräfte

In der Krise ist zunächst eine schnelle Reaktion gefordert, um die Arbeitskräfte des Unternehmens zu schützen – in der Corona-Krise also beispielsweise durch Beachtung von Kontaktregeln, Einsatz von Schutzmasken und ähnlichem. Ein weiterer Schritt ist die Einrichtung und Pflege von Kommunikations-Plattformen, die es den Mitarbeitern erlauben, von zu Hause aus zu arbeiten. Dafür müssen Tools für die Zusammenarbeit bereitgestellt werden, die auch eine zweiseitige Kommunikation ermöglich. Darüber hinaus gilt es in vielen Branchen, die tägliche Arbeit und die unvermeidlichen Treffen mit Kunden möglichst „kontaktlos“ zu gestalten.


Schnelle Wiederaufnahme der Arbeit

Chinas größter Küchengeschirrhersteller Supor führte sofort zu Beginn der Krise spezifische Notfallpläne, Betriebsrichtlinien und Verfahren ein, etwa Anweisungen zur Einhaltung von Abstandsregeln in den Kantinen. Darüber hinaus führte das Unternehmen Gesundheitsuntersuchungen für die Mitarbeiter und ihre Familien ein und beschaffte Schutzausrüstungen. Das Unternehmen war dadurch gut auf den Neustart der Wirtschaft vorbereitet und konnte bereits in der zweiten Februarwoche einige Produktionslinien wieder eröffnen. (Quelle)


(2) Stabilisierung der Lieferkette

In vielen Krisen reißen die Lieferketten sofort ab. Eine wichtige Krisenreaktion: Unternehmen müssen kritische Rohmaterialien und Bauteile identifizieren sowie deren Lieferanten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Zulieferungen nach Bedarf zu rationieren und standortbezogen zu optimieren. Zudem müssen Logistikkapazitäten frühzeitig gebucht werden.

Wichtig: Produktion und Vertrieb sollten unterschiedliche Szenarien vorbereiten, um auf rasch wechselnde Nachfragemuster reagieren zu können.


Vertriebsverlagerung durch bessere Daten für besser informierte Entscheidungen

Ein chinesischer Hersteller von Dauerlebensmitteln sah das Horten zahlreicher Lebensmittel voraus und verlagerte seinen Vertriebsschwerpunkt von großen Einzelhandelsketten auf E-Commerce und kleinere Geschäfte. Außerdem gelang es dem Unternehmen, während des Hochfahrens der chinesischen Wirtschaft seine Lieferkette flexibel anzupassen und notwendige Rohprodukte bei anderen Zulieferern zu bestellen. Bereits wenige Wochen nach Beginn der Krise belieferte das Unternehmen 60 Prozent der Geschäfte, die Zug um Zug wieder geöffnet worden waren – etwa dreimal so viel wie einige Wettbewerber. (Quelle)


(3) Sicherung der Kundeninteraktion

Unternehmen sollten die Customer Journey an die neue Situation anpassen und verstärkt in Online-Kanäle investieren. Sie sollten zudem darauf vorbereitet sein, dass diese Kanäle von den Kunden in Zukunft häufiger genutzt werden. Die Kommunikation mit B2B-Kunden erfordert eine eigene Website. Sie sollte auch Risikokommunikation für verschiedene Szenarien bieten, besonders zur aktuellen Krisenlage.


Offline-Mitarbeiter werden Online-Mitarbeiter

Das chinesische Kosmetikunternehmen Lin Qingxuan musste einen Großteil seiner Ladengeschäfte schließen, einschließlich aller Standorte in Wuhan. Das Unternehmen schulte die Kosmetikberaterinnen aus Wuhan auf Online-Beraterin um. Sie nutzten digitale Tools wie WeChat, um Kunden zu gewinnen und den Online-Verkauf anzukurbeln. Der dadurch in Wuhan entstandene Umsatz wuchs um 200 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresverkäufen. (Quelle)


Jeder Kunde zählt, mit Social Selling für alle Mitarbeiter

Viele chinesische Unternehmen nutzen Social-Media-Plattformen wie WeChat, um Mitarbeiter und Partner für Verkaufsmaßnahmen zu koordinieren. Bei Cosmo Lady, dem größten Dessous-Anbieter in China, wurden alle Mitarbeiter inklusive der Führungskräfte zu Verkäufern: Ein Programm zur Umsatzsteigerung hielt sie dazu an, auf ihren eigenen WeChat-Profilen für die Produkte des Unternehmens zu werben. Eine Umsatzrangliste schuf weitere Anreize. (Quelle)


(4) Finanzieller Stresstest

Unternehmen sollten wichtige Finanzdaten und Indikatoren zusammenstellen und unterschiedliche Szenarien modellieren, mit denen die Liquidität beeinträchtigt wird. Je nach Szenario müssen Maßnahmen zur Stabilisierung entwickelt werden.

(5) Integration des Krisenstabs: Das „Corona Kabinett“ für Ihr Unternehmen

Der Krisenstab muss als „einzige Quelle der Wahrheit“ auftreten und die entsprechenden Kommunikationsstrukturen etablieren. Er benötigt Handlungsgewalt, um sicherzustellen, dass Ressourcen in ausreichender Menge vorhanden sind und dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden.

Seine wichtigste Aufgabe: Er koordiniert das Portfolio von Maßnahmen zur Krisenbewältigung über alle Teams hinweg. Eine schnelle Krisenreaktion erfordert eine straffe Führung von oben nach unten. Trotzdem benötigt die Dynamik einer Krise eine flexible Reaktion sowie dezentralisierte Initiativen der Mitarbeiterschaft.


Flexible Entscheidungen für örtliche Gegebenheiten

Einigen chinesischen Unternehmen ist es gut gelungen, den Top-Down-Ansatz mit regionalen und organisatorischen Besonderheiten zu verknüpfen. Die Hotelkette Huazhu betreibt 6.000 Hotels in 400 Städten. Das Unternehmen richtete schnell eine Taskforce ein, die in täglichen Meetings alle Krisenreaktionen überprüfte. Zudem nutzte es die interne Mitarbeiter-App, um Mitarbeiter und Franchisenehmer rechtzeitig mit Informationen zu versorgen. Dadurch konnten Letztere die zentralen Leitlinien an die Situation vor Ort und die Maßnahmen der lokalen Behörden anpassen. (Quelle)


Das ist ein Auszug aus unserer neue Studie: Trendbook Smarter Enterprise – X-Mal schneller aus der Krise. Die Studie steht ab sofort zum Download bereit.

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