Kundenzentrierung für mehr Widerstandskraft

von Bernhard Steimel
26. August 2021

Kundenzentrierung bedeutet erstens, den Nutzwert der Produkte oder Dienstleistungen für den Kunden zu steigern und zweitens, Barrieren in der Customer Journey zu entfernen. Der Lohn: Loyale Käufer, die mehr Umsatz erzeugen und weitere Interessenten anziehen. Sie machen das Geschäft krisensicher. Unternehmen erreichen dieses Ziel mit Smarter Customer Experience: Sie agieren „Digital First“ und verstehen Service als Quelle der Wertschöpfung.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem „Trendbook Smarter Customer Experience“. Einen Überblick über den Inhalt gibt der Artikel Mit Digitalisierung zur Kundenzentrierung. Sie können das Trendbook außerdem direkt kostenlos herunterladen.

Innensicht verlassen, Kundensicht einnehmen

Um krisensicher zu werden, müssen Unternehmen empathischer – sprich kundenzentrierter – werden, wie wir im Trendbook Business Resilience gezeigt haben. Kundenzentrierung ist eine Strategie, um anpassungsfähiger zu werden.

Es ist eine Einstellung gegenüber dem Kunden, aber auch ein Strukturmerkmal anpassungsfähiger Unternehmen. Es trägt dazu bei, organisatorische Resilienz zu schaffen: Zufriedene und wiederkehrende Kunden erzeugen mehr Umsatz, steigern die Profitabilität und erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit.

Amazon zeigt, wie erfolgreich ein hundertprozentiger Kundenfokus sein kann. Der Erfolg hat in erster Linie eine Ursache: Der Versender besitzt den verlässlichsten Webshop, egal für welche Produktgattung. Amazon ist umfassend im Angebot und in der blitzschnellen Lieferung. Wer dort bestellt, erhält die gewünschten Produkte meist bereits am nächsten Tag.

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Customer Experience (kurz CX) wurde in der Pandemie vom Nice-to-have zum Überlebensfaktor. Sie ist ein entscheidendes Handlungsfeld für alle Unternehmen, die ihre Kunden nicht an die digitalen Vorreiter in ihrem Markt verlieren wollen. Sie müssen Störfaktoren im Kundenerlebnis suchen und sie mit digitalen Mitteln beheben.

Ein Weg, die Kundenbindung zu erhöhen und die Widerstandskraft zu stärken, sind smarte Services, die es Kunden einfacher machen, ihre Ziele zu erreichen. Verbraucher wollen ihre Zeit für die Suche, den Kauf, die Nutzung und die Entsorgung von Produkten reduzieren, um die Zeit für andere Dinge nutzen zu können. Diese „Zeit/Kosten”-Reduktion bietet Chancen, bestehende Wertschöpfungsketten zu disruptieren.

dm bietet Selfservice im Ladengeschäft
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Die Drogeriemarktkette dm prüft in einigen Filialen einen Einkaufs-Scanner auf Basis der Snabble-App, die ohne Registrierung auskommt. Die Kunden scannen ihre Produkte selbst und verstauen sie gleich in der Einkaufstasche. Die App erzeugt aus den Einkäufen einen QR-Code, der vom Kassenpersonal gescannt wird. Die Nutzer erhalten so einen übersichtlichen digitalen Warenkorb, mit dem sie über Produkte und Preise jederzeit informiert sind.

Die größte Gefahr geht von Start-ups und Tech-Unternehmen aus, die sich einzelne Probleme in der Kundenreise „herauspicken”, um den Kundenaufwand deutlich zu reduzieren, wie Thales Teixera in seinem Buch „Unlocking the customer value” (und diesem Vortrag auf Youtube) eindrucksvoll demonstriert.

Oft werden die Angreifer zunächst von den Platzhirschen belächelt. Unternehmen wie Thermondo machen das Leben ihrer Kunden einfacher, bequemer und kostengünstiger. Sie gewinnen so konsequent Marktanteile und setzen sich langfristig durch.

Ganz einfach eine neue Heizung bestellen
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Der digitale Heizungsanbieter Thermondo betreibt eine Plattform, über die Planung, Beratung und Umsetzung von Heizungswechseln – als Komplettpaket mit Festpreisgarantie. Zudem vermittelt das Unternehmen auch Finanzierungen und Förderungen. Das Unternehmen beschäftigt rund 440 Mitarbeiter – mehr als die Hälfte davon sind festangestellte Handwerker und Installateure. Namhafte Heizungshersteller wie Viessmann, Vaillant und Bosch gehören zu den Partnern.

„Digital First”: Pflicht im B2B-Geschäft

Das Internet spielt bei B2B-Kaufentscheidungen eine zentrale Rolle. Im jeden Schritt der Kundenreise werden digitale Medien genutzt, um den Einkaufsprozess effektiver zu gestalten. Mit einer Customer Journey Map lassen sich die wichtigsten Kontaktpunkte identifizieren und in der Marktbearbeitung berücksichtigen.

Laut einer Studie von Gartner wünscht sich jeder dritte B2B-Einkäufer eine „verkäuferlose” Einkaufserfahrung. Dies betrifft vor allem die jüngeren Generationen, die bald Entscheidungspositionen erreichen werden. Die erste Generation der „Digital Natives” wird im B2B-Einkauf eine digital zentrierte Kaufhaltung etablieren. Sie sind im Alltag bereits Omnichannel-Kunden und erwarten auch als Geschäftskunden eine Benutzererfahrung „wie bei Amazon”.

Erfolgreiche Unternehmen haben sich bereits auf „Digital First” ausgerichtet. Sie helfen den Kunden, die Komplexität einer B2B-Kaufentscheidung zu bewältigen. Die Vorreiter legen Vertrieb, Marketing,Service und Support bewusst zusammen und betonen die digitalen Kanäle. Sie nutzen digitale Tools für den Go-to-Market entlang der Kundenreise.

Internationaler Online-Marktplatz für Fracht
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Das Plattform-Unternehmen Freightos bietet einen Vermittlungsdienst für Frachtaufträge. Es vermittelt automatisch zwischen den Anforderungen und Preisvorstellungen von Anbietern und Nutzern. Dadurch entsteht eine hohe Markttransparenz und die Nutzer wissen sofort, welche Konditionen für ihren Auftrag gelten.

In der Zukunft ist für alle Unternehmen der Ausbau der digitalen Vertriebsfähigkeit entscheidend. Für eine B2B-E-Commerce-Strategie ist es unerlässlich, die Website als vollwertigen Vertriebskanal zu positionieren. Darüber hinaus benötigen die Unternehmen zwei Schlüsselfähigkeiten:

  • Virtuelle Kundenansprache. Sofern die Kunden ein Gespräch wünschen, muss es virtuell und kurzfristig geführt werden können. Die Kundenansprache beginnt bereits vor dem Verkauf mit der Gesprächsplanung und -vorbereitung. Darüber hinaus muss ein produktiver und engagierter Dialog mit den Kunden garantiert werden.
  • Befähigung der Verkäufer. Alle Verkäufer müssen für virtuelle Verkaufsumgebungen geschult werden. Die Vertriebsorganisationen müssen ihre bestehenden Investitionen anpassen und die Ressourcen zwischen Mitarbeitern, Prozessen und Technologie umverteilen, um digitalen und virtuellen Verkauf zu unterstützen.

Der Vertriebsfokus richtet sich auf übergeordnete Anforderungen des Kunden und erweitert sich darauf, seinen organisatorischen Wandel zu unterstützen. Hierfür müssen die Unternehmen Ökosysteme aufbauen, die das eigene Produktportfolio erweitern und den Kundennutzen erhöhen.

Kundenservice wird zur Quelle der Wertschöpfung

Der neue Geschäftsauftrag für den Kundenservice heißt „Customer Engagement”. Dieser Begriff beschreibt ein Kundenverhalten, das über den Anspruch an ein Leistungsangebot hinausgeht. Ziele eines Unternehmens in dieser Hinsicht sind eine allgemeine Stärkung des Engagements und eine langfristige Festigung der Kundenbindung.

In den nächsten Jahren wird sich der Kundenservice zum Profitcenter entwickeln. Er muss sich vom Reparaturbetrieb zur Quelle einer verbesserten Kundenwertschöpfung wandeln. Es geht nicht mehr um die Verbesserung der Servicequalität, sondern darum, den Aufwand für den Kunden zu senken und ihm zu helfen, einen größeren Nutzen aus dem Produkt zu ziehen.

Serviceaufwand senken

Die meisten Kunden kaufen ein Produkt wegen des Wertversprechens oder aufgrund der Qualität. Doch bei Servicemängeln werden sie sich sofort vom Unternehmen abwenden und die Produkte nicht mehr kaufen. Wenn Kunden bei der Lösung ihres Problems einen geringen Serviceaufwand erleben, bleiben sie mit 61 Prozent Wahrscheinlichkeit beim Unternehmen.

Automatisierung vereinfacht den Service, etwa mit digitaler Sprach- und Textanalyse. Dabei werden zum Beispiel eintreffende E-Mails ausgewertet und nach den Anliegen des Kunden kategorisiert. Anschließend werden sie direkt an den richtigen Ansprechpartner weitergeleitet.

Kundenanliegen automatisch erkennen
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Die Ergo-Versicherung nutzt Künstliche Intelligenz (KI), um Kundenanliegen in E-Mails automatisch zu erkennen. Die entsprechende Anwendung analysiert den Inhalt der Mails und ordnet sie anschließend bestimmten Fachbereichen und Themenkreisen zu. So erreicht jede Kundennachricht automatisch und ohne Benutzereingriff den richtigen Ansprechpartner – mit einer „Treffergenauigkeit“ von 90 Prozent.

Kundennutzen steigern

Trotzdem wird es Kunden geben, die auch bei hochwertigen Serviceerfahrungen abwandern. Deshalb sollten sich Unternehmen im Service auf die Wertsteigerung für den Kunden konzentrieren. Dazu gehören die Aufklärung des Kunden über bessere oder neue Verwendungsmöglichkeiten des Produkts oder Angebots, die Antizipation von Kundenbedürfnissen und die Unterstützung der Kunden beim Erreichen eines Ziels. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde loyal bleibt, weitere Produkte des Unternehmens kauft und positive Mundpropaganda verbreitet.

Qualitätsdaten allen Kunden verfügbar machen
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Das finnische Unternehmen Glaston stellt Maschinen zur Glasverarbeitung her. Es sammelt mit Sensoren Parameter rund um den Herstellungsprozess und ermittelt kleinste Abweichungen, die deutliche Auswirkungen auf die Produktqualität haben. Das Unternehmen stellt alle Qualitätsdaten den Nutzern der Glaston-Maschinen zur Verfügung. Sie erhalten damit eine Wissensdatenbank, die ihnen eine Justierung der Maschinen erlaubt und damit den Produktnutzen steigert.

Unternehmen benötigen eine starke Kundenorientierung, um disruptiven Angreifern zu widerstehen, plötzliche Krisen zu bewältigen und digitale Services kundenfreundlich zu gestalten. Dies betrifft sowohl B2C- als auch B2B-Märkte. Dabei sollte es den Unternehmen nicht ausschließlich um das Verkaufen gehen: Der Kunde sollte profitieren, größeren Nutzen erreichen und mehr Erfolg mit den Produkten des Unternehmens haben.

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Kundenzentrierung steigert die Widerstandskraft eines Unternehmens. Doch es darf nicht beim Schlagwort bleiben. Wie haben Sie den Kundenfokus in Ihrem Unternehmen geschärft? Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen? Wo sehen Sie Hindernisse? Schreiben Sie uns oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

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