Warum haben Kunden den Einkaufsprozess abgebrochen und den Warenkorb im E-Shop unbezahlt zurückgelassen? Diese Frage ist eine lebenswichtige Frage für E-Commerce-Anbieter und hat schon relativ früh zu softwaregestützten Analyseverfahren geführt, um das Kundenverhalten auf einer E-Commerce-Plattform zu analysieren und zu optimieren. Da viele E-Commerce-Plattformen oft ein vergleichbares oder sogar identisches Produktangebot wie ihre Mitbewerber haben, ist die Differenzierung über Such-, Einkaufs- und Serviceprozesse oft die einzige Möglichkeit, sich positiv abzuheben. Mittlerweile hat der Ansatz, die Kundenreise zu verstehen, und zu wissen, welche Touchpoints und Kanäle für Kunden wichtig sind, auf breiter Front in Marketing, Vertrieb und Kundenservice Einzug gehalten.
Die Visualisierung von Customer Journeys steht im Rahmen des Customer Experience Management ganz weit oben auf der Agenda. Bis in die Vorstandsetagen hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Customer Experience, das positive Erlebnis an den Touchpoints und entlang der gesamten Kundenreise ebenso wichtig sind, wie das Produkt oder die Dienstleistung selbst. Mit einer sehr gut gestalteten Customer Experience lassen sich in manchen Märkten weit über dem Durchschnitt liegende Gewinne erzielen – trotz eines riesigen Angebotes nahezu vergleichbarer Produkte.
Der Kaffee bei Starbucks kostet weitaus mehr als das Kännchen Filterkaffee in einem x-beliebigen Café. Bei einer Blindverkostung würde wahrscheinlich das Café nicht schlechter als Starbucks abschneiden. Aber der Grund, warum Kunden in Scharen zu Starbucks strömen, ist nicht der Kaffee, sondern das Erlebnis, das Ambiente, das Kundenerlebnis. Das Produkt tritt in vielen Märkten ein wenig in den Hintergrund und die Unternehmen sind gezwungen, sich intensiver um die Customer Journey und die Experience zu kümmern.
Die Experience Gesellschaft: Das Produkt rückt in den Hintergrund
Das gilt auch für low interest Produkte wie Strom oder Versicherungen. Zeitraubende Prozesse mit widersprüchlichen Aussagen ohne personalisierte Ansprache nerven den Kunden. Sind vergleichbare Anbieter vorhanden und der Wechselprozess zu einem Mitbewerber stellt keine großen Hürden dar, dann besteht ein erhebliches Gefährdungspotential für das Unternehmen. Customer Journeys zu verstehen und daraus die richtigen Rückschlüsse zu ziehen, ist keine nice to have Übung, kein vorübergehender Modetrend, sondern gehört zur elementar notwenigen Überlebensausstattung eines jeden Unternehmens.
Warum? Weil das Verstehen, das Dechiffrieren der Kundenabsichten entlang der Kundenreise den Kern für die Optimierung der Customer Experience darstellt und damit die Bindungskraft des Kunden an das Unternehmen direkt beeinflusst.
Customer Journey Analytics visualisiert nicht nur die Kundenreisen – getrennt nach Persona von Anfang bis Ende – sondern liefert wesentliche Aussagen zu den erfolgskritischen Punkten entlang der Reise. Customer Journey Analytics liefert die Daten für die optimale Kombination der unterschiedlichen Kanäle wie Web, Chat, E-Mail, Telefon, Geschäftsstellen, etc. Die Daten aus der Journey Analytics helfen die Flaschenhälse, Kundenirritationen und Abbrüche entlang einer Kundenreise zu identifizieren – für einzelne Kunden, aber auch für bestimmte Segmente oder aggregiert für einen gesamten Prozess. Diese Fähigkeiten für sich alleine genommen sind schon eine wertvolle Hilfe insbesondere für die Verantwortlichen, die sich mit der Konzeption und Umsetzung einer Mehrkanal-Architektur beschäftigen.
Darüber hinaus können Customer Journey Analytics Systeme weitere Erkenntnisse liefern, die basierend auf Daten aus dem CRM-System, mitgelieferten Daten des Kunden aufgrund seines Verhaltens, das Unternehmen in die Lage versetzen, individuell abgestimmte Maßnahmen für einen einzelnen Kunden in Echtzeit zu generieren.
Customer Journey Analytics überwindet das Silodenken
Um Customer Journey Analytics – also das Visualisieren, Analysieren und Echtzeit-Optimieren von Kundeninteraktionen – wirklich nutzbringend anwenden zu können, müssen die einzelnen Punkte der Reise – die Touchpoints – miteinander verbunden werden. Nur wenn man das Big Picture vor Augen hat, wenn man versteht, wie Kunden während der Such-, Einkaufs-, Nutzungs- und Service-Phase interagieren, wo die Reise seinen Anfang genommen hat, in welchem Kontext der Kunde handelt, kann man wirksam optimieren und Flaschenhälse beseitigen.
Viele Kunden nutzen fünf, sechs und mehr unterschiedliche Kanäle um ein Anliegen zu kommunizieren und zu erledigen. Sie wechseln dabei vom Web zum Telefon, zum Chat, besuchen einen Laden, eine Geschäftsstelle oder rufen im Call Center an – abhängig von Verfügbarkeit und Zweckmäßigkeit. Und sie erwarten dabei, dass das Unternehmen sich unabhängig vom Touchpoint jederzeit daran erinnert, was ein Kunde an einem Touchpoint geäußert hat.
Die bisherige Praxis der Unternehmen, die Customer Experience-Verantwortlichkeit auf verschiedene Abteilungen zu verteilen – Marketing, Vertrieb, Customer Service – führt zu einer Optimierung mit unterschiedlichen Systemen und Ansätzen für die jeweilige Abteilung. Damit verliert das Unternehmen die Sicht auf die Kundenreise als Ganzes. Ein ernsthaftes Problem stellen fragmentierte Daten dar, die in diversen Systemen erhoben werden. E-Commerce-Software, Marketing Automation Software, wie z.B. Adobe, Website-Tracking-Software sind jeweils nur auf einen Teilausschnitt der Customer Journey ausgerichtet. Eine Gesamtansicht einer Customer Journey ergibt aus diesen Systemen nicht.
Die volle Komplexität der Kundenreise einfangen
Eine neue Generation von Customer Journey Analytics Software ist in den letzten Jahren entstanden, die einen abteilungsübergreifenden Ansatz verfolgt und dabei alle Touchpoints entlang aller Kanäle einbezieht. Diese neue Generation beschränkt sich nicht auf die Analyse der Customer Journeys, sondern nutzt zusätzlich Predictive Analytics, AI-basierte Verfahren, um vorherzusagen, wie der nächste Schritt des Kunden und wie die bestmögliche Antwort des Unternehmens darauf aussehen könnte. Es spricht Empfehlungen für die Kundenansprache in Echtzeit aus. Dieses Verfahren – „Next-Best-Action“ – ist als Begriff schon ein Jahrzehnt alt und wurde ursprünglich von Chordiant, einem CRM-Software-Anbieter (gehört heute zu Pegasystems), entwickelt. Next-Best-Action hat sich als praktikabler Ansatz im CRM nie durchsetzen können. Die Datenbasis für eine solche Empfehlung war mit den damaligen Systemen einfach unzureichend und eine Echtzeit-Empfehlung ließ sich nur eingeschränkt mit den Systemen und der Organisation umsetzen.
Die losen Enden in Echtzeit per API verknüpfen
Die heutige Generation von Customer Journey Analytics Software kann auf eine extrem große Basis von Touchpoints zugreifen und die generierten Daten abgreifen und nutzen. Per API lässt sich heute auf fast jedes System zugreifen und Daten importieren. Je nach Komplexität der Omnichannel-Landschaft eines Unternehmens können dies rasch mehr als 100 Touchpoints und Systeme umfassen.
Konnektoren für Touchpoints, die von einer Customer Journey Analytics Software für die Analyse genutzt werden können:
Alle Daten einer Kundenreise – dies können individuelle wie auch aggregierte Daten sein – werden in Echtzeit über alle Kanäle und Touchpoints hinweg generiert. Die Visualisierung der Kundenströme zeigt sofort Schwachstellen, Abbrüche und das Verhalten der Kunden auf und gestattet ein zeitnahes Reagieren und Optimieren. Die Schwachstellen können in den Systemen des Unternehmens liegen, in der Informationsdarstellung, der Navigation, an Inkonsistenzen in den Informationen, mangelhaften Schnittstellen in der Organisation, an unzureichender Ausbildung von Mitarbeitern, etc.
Ohne Reorganisation der Kompetenzen bleibt alles nur Stückwerk
Die Herausforderungen bei der Implementierung und Nutzung von Customer Journey Analytics liegen zum einen auf der Integration in die bestehende IT/TK-Landschaft des Unternehmens, viel mehr jedoch auf dem Überwinden des Silodenkens und den verteilten Verantwortlichkeiten. Die Herrschaft über die Daten eines Systems, das Abgrenzen gegenüber anderen Abteilungen, unterschiedliche Vorstellungen, wie die Lösungsmöglichkeiten für Defizite aussehen und welches die richtige Ansprachestrategie darstellt, all dies sind Blockaden und Hemmnisse auf dem Weg zu einem Verständnis von Kundenanforderungen und einer Optimierung der Customer Experience. Hier muss zuerst der Hebel angesetzt werden. Und es bedarf neuer Kompetenzen in Marketing, Vertrieb und Customer Service um diese Hochleistungsmaschine Customer Journey Analytics zu nutzen. Data-Analysten, die die Flut von Daten auf diesen Plattformen analysieren und interpretieren können, Marketer, die wissen und verstehen, wie man Echtzeit-Ansprachen von Kunden designen und umsetzen muss, Customer Service Spezialisten, die auf Basis der Visualisierungen Churn-Potentiale identifizieren und Omnikanal-Konzepte technisch wie organisatorisch anpassen können.
Ein schnell wachsender Markt mit enormer Dynamik
Die Kategorie Customer Journey Analytics ist noch eine relativ junge Disziplin. Spezialisten auf diesem Gebiet mit einem unternehmensweiten Ansatz, der Predictive Modelling und AI-Verfahren enthält, sind u.a. Clickfox, Pointillist, Thunderhead oder Kitewheel.
Das große Potential, das in Customer Journey Analytics steckt
- Die Visualisierung hilft beim Verstehen des Kundenverhaltens und ermöglicht, aus Kundensicht zu argumentieren
- Identifizierung von Journeys mit Abbrüchen, Kündigungen, Irritationen
- Besseres Verständnis von Ursache-Wirkungsmechanismen entlang der Kundenreise
- Echtzeit-Optimierung von Prozessen, Omnikanal-Systemen und Prozessen
- Verknüpfung der Kundendaten mit CRM-Daten wie z.B. Kundenwert für Echtzeitansprachen
- Tracking und Monitoring von Kundenströmen
- Testen von Varianten bei Kampagnen
ruft jedoch auch andere Anbieter auf den Plan, die in diesem lukrativen Markt ein Stück des Kuchens für sich in Anspruch nehmen wollen.
SAP Hybris, salesforce.com, ADOBE, SAS Institute und viele andere haben erkannt, dass Customer Journey Analytics die Basis für Kundenansprache-Konzepte, Customer Service Strategien und Marketing Automation Konzepte bildet. Es wird zu einer Kerntechnologie für Unternehmen werden. Wer diese Technologie bei Kunden als Anbieter besetzt, schafft sich die Basis für weitere, darauf aufbauende Technologien und Plattformen.
Einen Überblick über die komplette Landschaft im Digital Customer Service und die IT/TK-Anbieter-Landschaft liefern die beiden kostenfreien ebooks: Digital Customer Service 2017 und Customer Service IT Landschaft.