Smarter Service Talk mit Per Jonsson, Chief Executive Officer, Cordys
VOICE Community: Herr Jonsson, gleich zum Einstieg die Frage: Was ist denn für Sie ein smarter Service? Und für wie wichtig erachten Sie guten Service als Erfolgsfaktor in gesättigten Märkten?
Per Jonsson: Bei Cordys haben wir als Vision die Prinzipien unseres Unternehmensgründers Jan Baan übernommen und realisiert. So werden unsere Kunden automatisch erkannt, wenn Sie uns anrufen. Wir arbeiten dabei mit unseren eigenen Werkzeugen. Jeder Mitarbeiter hat ein Komplettbild der Kundeninteraktion, damit nicht die gleichen Fragen immer und immer wieder gestellt und beantwortet werden müssen – das irritiert nur und dabei verliert man viel Zeit.
Gerade in gesättigten Märkten spielt das Produkt an sich weniger die entscheidende Rolle. Da die Produkte für den Kunden sehr ähnlich bis austauschbar sind, entscheidet er sich für den besten Service.
VOICE Community: Viele Anbieter machen es ihren Kunden nicht gerade leicht, ein Problem zu lösen – und man muss oft – wie Sie sagten – ein Anliegen mehrfach äußern? Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach?
Per Jonsson: Meine ganz persönliche Meinung dazu ist, dass viele Firmen zu viel oder zu unstrukturiert Outsourcing betrieben haben. Diese Unternehmen haben kaum noch Mitarbeiter, die noch das Gesamtbild vor Augen bzw. im Computer haben. Durch Brüche im Prozess gehen viele Kenntnisse und viel Wissen verloren. Produkte, wie die von Cordys, sollen zwar ermöglichen, dass die Kommunikation auch bei Outsourcing nahtlos funktioniert, aber da stehen wir noch ganz am Anfang.
VOICE Community: Es gibt auch Unternehmen, die sagen: Wir können das nicht ändern. Wir haben Prozesse und eine IT, die es nicht ermöglichen, einen bestimmten Vorgang aus der Sicht des Kunden einfacher, schneller und problemloser durchzuführen. Was ist Ihre persönliche Einschätzung diesbezüglich?
Per Jonsson: Das ist leider eine Tatsache. Sehr viele Produkte, Programme usw., die mit alten Methoden entwickelt worden sind, bieten diese Möglichkeit wirklich nicht. Man kann etwas, dass aus Unternehmens- oder Produktsicht entwickelt worden ist, nicht einfach auf den Kopf stellen und plötzlich einen für den Kunden optimierten Prozess daraus machen. Da muss eine neue Technologie her – was für uns vorteilhaft ist, da wir genau daran seit Jahren forschen und entwickeln..
VOICE Community: Sie sind ja ein Mann von Six Sigma und haben sicher eine dezidierte Meinung dazu, welche Probleme auf der Prozessebene bestehen und wo man ansetzen muss?
Per Jonsson: Das Bestechende an Six Sigma ist ja, dass diese Methode wirklich beim Kunden bzw. der Kundensicht ansetzt. Das heißt, man stellt das Unternehmen auf den Kopf und sagt: Jetzt messen wir unsere internen Prozesse aus Sicht unserer Kunden. In den 80er und 90er Jahren lief das alles manuell, da gab es keine technologische Unterstützung. Heutzutage haben wir die Möglichkeit, das Ganze in der IT in Echtzeit mit einer 100-prozentigen Abdeckung der Prozesse abzubilden.
Das ist entscheidend, denn man muss etwas messen, um es verbessern zu können. Und das aus Kundensicht zu machen, ist wesentlich sinnvoller, als aus Firmensicht. Denn nur so lassen sich, denke ich, viele Kunden gewinnen und noch wichtiger – Kunden behalten.
VOICE Community: Welchen Beitrag leisten denn Geschäftsprozessmanagementsysteme zur Messbarkeit und zur Verbesserung von Prozessen. Könnten Sie das einmal näher erläutern?
Per Jonsson: Business-Process-Management-Systeme bilden Arbeitsabläufe in der IT ab, mit denen man dann in Realzeit arbeitet. So ist nicht länger der einzelne Mitarbeiter derjenige, der alles im Kopf haben muss. Er folgt stattdessen einfach Schritt für Schritt den Prozessen. Und wenn Mitarbeiter A nicht da ist, dann kann Mitarbeiterin B für ihn einspringen und folgt einfach dem Prozessablauf. Das heißt, mit solch einem System lässt sich sicherstellen, dass nicht zu viel Wissen und Kenntnisse nur im Kopf der einzelnen Mitarbeiter stecken. Das macht Arbeitsabläufe transparenter und schneller sowie weniger fehleranfällig.
VOICE Community: Welche Erleichterungen schafft Cordys denn ganz konkret für ein Unternehmen beim Management der Kundenkontakte?
Per Jonsson: Bei der Prozessabbildung und Prozessabfertigung von linearen Prozessen, dass heißt, bei Prozessen, bei denen Schritt B auf Schritt A und danach Schritt C folgt, ist Cordys ja nicht einziger Anbieter. Das ist die einfachste Art von Prozessen und deren Steuerung funktioniert sehr gut im einfachen Dienstleistungsbereich. Aber es gibt daneben sehr viele komplexere Dienstleistungsprozesse, beispielsweise bei Banken oder Versicherungen. Hier muss etwa ein Mitarbeiter im Schritt B entscheiden, welcher Schritt als nächster folgt. Und da sind wir, unseres Wissens nach alleine am Markt mit einem Werkzeug, das wir Case-Management nennen: Der Mitarbeiter hat hier innerhalb des IT-gestützten Prozesses die Möglichkeit zu entscheiden, was der nächste Schritt sein wird. Das ist notwendig, wenn es z.B. um Darlehensapplikationen bei Banken oder um Schadensabwicklungen bei Versicherungen geht. Und das ist eine extrem wichtige Erweiterung – gerade für Dienstleister.
VOICE Community: Bei einem großen Telekommunikationsunternehmen wurden vor kurzem die Geschäftskunden aus dem Mobilfunk- und dem Festnetzbereich zusammengeführt. Auf meine Frage an eine Hauptabteilungsleiterin des Unternehmens, wie es denn mit smarten Services ausschaut, antwortete sie relativ ehrlich: „Da haben wir im Moment nichts. Wir haben derzeit ganz andere Probleme, weil unsere Mitarbeiter nun z.B. für eine einfache Vertragsänderung wieder in mehr als fünf Systeme hineingehen müssen um einen einzigen Vorgang abschließen zu können.“ Kommt Ihnen das bekannt vor?
Per Jonsson: Ja, das kommt mir sehr bekannt vor. Überall in der Welt stehen die Telekommunikationsunternehmen vor dem gleichen Problem. Denn in den letzten zwei, drei Jahren hat es zahlreiche Fusionen gegeben, bei denen auch der Mobil- und Festnetzbereich zusammengeführt wurden.
Die Schwierigkeiten kommen daher, dass der Mobilfunkbereich völlig anders strukturiert ist. Meist sind die Kunden noch nicht jahrelang beim Anbieter, sie sind wechselwilliger, die Abläufe stärker automatisiert. Die Festnetzanbieter dagegen waren zumeist ehemalige Monopolisten, deren Kundenstamm und Prozesse sich über die Jahre entwickelt haben. Bei einer Fusion stoßen dann nicht nur völlig unterschiedliche Systeme, sondern auch schwer vereinbare Unternehmenskulturen aufeinander – da gilt es jetzt sehr viel intern zu bewältigen.
Der Kunde hat dafür freilich wenig Verständnis. Er will eine einzige Rechnung erhalten und dabei verschiedene Tarife für Mobilfunk, Festnetztelefonie und Internet vereinbaren. Damit stehen die Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen: Alle vorhandenen Systeme müssen zusammengeführt werden – aus Kundensicht – damit ein Kunde nur einmal abgebildet wird und sozusagen die linke Hand weiß, was der Kunde von der rechten Hand gekauft hat.
VOICE Community: Welchen Beitrag leistet denn Cordys, um eben solche System- bzw. Prozessbrüche zu überwinden?
Per Jonsson: Wir bieten mit unserer Business Operations Platform eben diesen Overlay – eine intelligente SOA-basierte Schicht, die alle vorhandenen Systeme zusammenknüpfen, Daten daraus entnehmen, in Prozesse einfügen und zurücksenden kann. Und der Vorteil ist, dass sich all das extrem schnell abbilden lässt. Noch wichtiger: Es kann extrem schnell geändert werden. Der Kunde soll am Ende selbst in der Lage sein, seine Prozesse im Minutentakt zu ändern. Technisch ist das möglich. Es kommt jedoch darauf an, dass der Kunde die Kontrolle behält und der Compliance gerecht wird. Daher hat er bei Cordys die Möglichkeit zu bestimmen, wer was ändern darf, also welcher Mitarbeiter welche Rechte besitzt.
VOICE Community: Was ändert sich durch den Einzug solcher serviceorientierter Architekturen?
Per Jonsson: Mit Webservices lässt sich überall anknüpfen, das ist ein bekannter Vorteil. Und mit offenen Programmiersprachen kann jeder auch programmieren. Damit verändern sich nicht nur die Möglichkeiten der Anwender, auch die IT-Branche wandelt sich. Derzeit bekommen die großen, alten „Dinosaurier“ der Branche zwar immer noch vergleichsweise viel Geld für die Bewältigung recht einfacher Aufgaben – aber das wird von Jahr zu Jahr weniger.
Wir gehören zu einer neuen Anbietergeneration, die auf Transparenz, Offenheit und Integration setzt. Jan Baan hatte schon im Jahr 2000 entschieden, dass alle neuen Firmenapplikationen über Webservices erreichbar sein müssen. Damals war das visionär und wurde kaum verstanden, heute ist es gang und gäbe geworden.
VOICE Community: In einem seiner Vorträge sagte Jan Baan: „Innovationen entstehen nicht durch viele gute Ideen, sondern durch einen besonders hohen Leidensdruck.“
Per Jonsson: Ja! (lacht) Das kann ich bestätigen. So läuft das auch bei uns. Wir wollen etwas schneller, einfacher und billiger machen – das ist sozusagen unsere Mission, von der nicht nur unsere Kunden, sondern auch die Verbraucher profitieren.
Aber gerade bei Kunden werden wir ebenfalls gerufen, wenn „es brennt“, also der Leidensdruck sehr hoch ist. Ein gutes Beispiel aus der Telekommunikation ist der große holländische Anbieter KPN, der vor einigen Jahren einer unserer ersten großen Kunden war. KPN hatte eine Idee – die vor drei, vier Jahren in Europa völlig neu war – nämlich Triple Play anzubieten. Das heißt, der Kunde bekommt Festnetztelefon, Internet und Fernsehen in einem Bündel. Das Ganze wurde durch das Marketing kräftig gepusht und plötzlich hatte KPN zwei Millionen Kunden. Im Prinzip wunderbar, aber ihnen fehlten die technischen Möglichkeiten, das Produkt überhaupt an die Kunden zu liefern. Das heißt, die Marketing-Abteilung hat im Alleingang gepusht und im operativen Bereich hatte KPN zwei Millionen Probleme am Hals.
Daraufhin wurden die klassischen Anbieter gefragt, wie lange es dauern und wie viel es kosten würde, um das Ganze zu realisieren. Und die Antwort lautet: Es dauert zwei, drei Jahre und kostet ca. 30 Millionen Euro. Das Problem waren nicht die 30 Millionen Euro, sondern die zwei, drei Jahre. Denn die Kunden waren ja schon da. Letztendlich musste KPN zunächst die Marketingaktion abbrechen und auch einigen Neukunden absagen.
Dann sind sie auf Cordys gestoßen. Wir haben zugesagt, in vier Monaten und wesentlich günstiger zu liefern. Und tatsächlich liefen die Prozesse nach vier Monaten und die Marketinginitiative war gerettet. Aus diesem erfolgreichen Feuerwehreinsatz hat sich seitdem eine langjährige Zusammenarbeit mit KPN entwickelt.
VOICE Community: Gartner hat Ende letzten Jahres die zehn IT-Trends ausgerufen – einer davon war Cloud Services. Welcher praktischer Nutzen steckt denn für Sie hinter Cloud Services und welche neuen Möglichkeiten bieten Sie, um Serviceprozesse smarter zu gestalten?
Per Jonsson: Ja, das ist auch ein gewaltiger Umbruch und ich denke, dass keine neu gegründete Firma mit klassischer IT arbeiten, sondern alles über die Cloud abwickeln sollte. Das ist wesentlich kostengünstiger und flexibler. Das Problem ist jedoch, dass die meisten Unternehmen nicht neu gegründet werden, sondern schon einige Jahre existieren und eine lange Historie mit vielen Investitionen haben. Deswegen denke ich, dass den Umstieg auf die Cloud zuerst die neuen Firmen anpacken werden. Und die bestehenden Unternehmen werden Schritt für Schritt nachziehen.
Dabei haben diese mit Cordys die Möglichkeit, ihre bestehende Software mit Applikationen aus der Cloud zu verbinden. Technologisch ist es komplett unwichtig, ob der Kunde On-Premise oder in der Cloud mit Cordys arbeitet. Und das ist ein Unikat. Bis die letzte On-Premise-Lösung abgeschaltet wird, dauert es wohl noch Jahrzehnte. Zunächst werden Hybrid-Lösungen vorherrschen..
VOICE Community: Herr Jonsson, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Bernhard Steimel.
Per Jonsson, Chief Executive Officer, Cordys
Per Jonsson ist bei Cordys weltweit für Vertrieb, Marketing, Operations und Kundenbetreuung verantwortlich. Er stammt aus Schweden und arbeitete 16 Jahre lang bei General Electric, wo er Führungspositionen in Europa, den USA und Russland innehatte. Per Jonsson verfügt über langjährige Erfahrung in der Übernahme, dem Verkauf und der erfolgreichen Integration von Unternehmen und hat durch derartige strategische Veränderungen große Erfolge erzielt. Per Jonsson hat am Royal Institute of Technology in Stockholm Physik kombiniert mit Ingenieurwissenschaften studiert und an der renommierten Wirtschaftshochschule INSEAD in Fontainbleau (Frankreich) einen MBA erworben.
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