Smart Services schrittweise entwickeln

von Bernhard Steimel
19. Februar 2018
Smart Services schrittweise entwickeln

Ein Auszug aus dem neuen Praxisleitfaden „Internet der Dinge“, der kostenlos zum Download zur Verfügung steht.


Die Entwicklung des Smart Service geschieht in drei Schritten:

  1. Analyse der Customer Journey. Die Unternehmen müssen sämtliche Kundenprozesse in den Blick nehmen und von Ende zu Ende durchdenken.
  2. Design eines Ecosystems. Hierzu muss ein Unternehmen zusätzliche und benachbarte Services oder Produkte identifizieren, die mit dem eigenen Produkt in Verbindung stehen. Ein Beispiel: Ein Versicherungsunternehmen in der Schweiz ist zum Carsharing-Anbieter geworden. Die Fahrzeuge sind über das eigene Unternehmen versichert, sodass das Geschäftsmodell erweitert worden ist. Insgesamt ist es sehr wichtig, offen für den Netzwerkgedanken zu sein. Unternehmen müssen relevante Partner identifizieren, sich womöglich an bestehenden Unternehmen beteiligen und völlig neue Geschäftsmodelle implementieren.
  3. Gestalten des Geschäftsmodells. Hierfür gibt es verschiedene Methoden, etwa den Business Model Canvas, der sich sehr gut agil weiterentwickeln und situativ pflegen lässt. Ebenfalls sinnvoll sind Business Model Patterns, die sich zu echten Geschäftsmodellen ausbauen lassen. Sie antworten jeweils auf die folgenden Fragen: Wer sind meine Kunden? Über welche Kanäle kann ich sie ansprechen? Wie sieht mein Kernangebot aus? Welche Ressourcen brauche ich? Welche Kosten entstehen dabei? Wie kann ich Geld verdienen?

Hilfreich bei der Gestaltung eines Smart Services sind drei Methoden:

  1. Design Thinking: Diese Methode wird im Digital Business Engineering nicht in Reinform eingesetzt, doch es ist vor allem für die Entwicklung des Geschäftsmodells geeignet. Hier wird verlangt, sich sehr intensiv mit dem Problem auseinanderzusetzen. Erst dann kann eine Lösung entstehen – wobei es nicht unbedingt die einzige Lösung sein muss. Die Methode kommt recht schnell zu einer leichtgewichtigen Lösung, die aber auch ungeeignet sein kann und dann im Test aussortiert wird. Trotzdem entsteht in dieser Lernschleife ein besseres Verständnis des Problems und eine andere Lösung kann erprobt werden.
  2. Digital Artefact Design: Mit dieser Methode wird geklärt, wie ein Digital Artefact aufgebaut sein muss. Darunter wird ein Gerät verstanden, das eine Art Computer mit Betriebssystem darstellt. Es verfügt demnach über eine Software und eine Netzwerkanbindung. Die Leitfragen in diesem Zusammenhang lauten: Wie gestalte ich den physikalischen Transport, wie müssen Nachrichten zugeschnitten sein, die über das Netzwerk gehen und welche Services für Funktionen, die das Device erweitern, muss ich an anderer Stelle anbieten?
  3. Design eines Minimum Viable Product (MVP): Diese Methode ist im Rahmen des Konzeptes „Lean Startup“ entwickelt worden. Dabei geht es darum, als ersten Schritt ein Produkt oder einen Service zu entwickeln, der grundlegende Benutzerbedürfnisse erfüllt und sich gut als Startpunkt für die iterative Weiterentwicklung eignet. Das Produkt oder der Service erfüllen dabei alle Grundanforderungen der Anwender. Das Entwicklungsteam erzeugt in kurzen „Sprints“ von etwa zwei Wochen Schritt für für Schritt das MVP. Häufig kann nach Entwicklungszyklen mit einer Gesamtdauer von sechs bis acht Monaten bereits ein einsatzfähiges Produkt oder ein Service präsentiert werden. Anschließend wird der Entwicklungsprozess durch die Auswertung der Kundenreaktionen verfeinert. Dadurch entsteht in kleinen Schritten eine optimale Lösung.

Ein gutes Beispiel hierfür ist ein E-Book-Lesegerät wie der Kindle. Da sind zunächst das physikalische Device, die Software und die Datenübertragung, die über USB oder das Netzwerk erfolgen kann. Weitere Dienste kommen hinzu, außerdem ein E-Shop, in dem die Kunden Bücher anschauen und kaufen können. Und es ist ein Content Layer nötig, auf dem die eigentlichen Daten, sprich die E-Books liegen, die es zu verwalten und zu verkaufen gilt.

Schutz vor Zugverspätungen

Ein neuartiges Geschäftsmodell für Versicherungen ist ein Schutz für Bahnkunden in der Schweiz vor Verspätungen der Züge. An dem Punkt der Customer Journey, an der der Kunde sein Ticket kauft, soll er auswählen können, ob er auch eine Versicherung gegen das Zuspätkommen bucht. Tritt der Versicherungsfall ein, könnte die Bahn ihm ein Taxi zum Bahnhof schicken, das ihn zu seinem Zielort bringt. Zunächst muss das Unternehmen wissen, über welche Kanäle der Ticketkauf erfolgt.

Die Analyse zeigte, dass dies zu mehr als 50 Prozent am Automaten geschieht, in geringerem Umfang außerdem online, per App und am Schalter. Relativ einfach ist das Zubuchen der Versicherung online, per App oder am Schalter. Neue Fähigkeiten sind aber nötig für den Verkauf am Ticketautomaten. Die Prozesse dahinter müssen voll automatisiert sein, es sind Big-Data-Fähigkeiten nötig, um dem Kunden beispielsweise direkt darstellen zu können, wie hoch der Preis für die Versicherung ist.

2 Kommentare

Hypnosetherapeut Simon Brocher aus Köln 18. Januar 2022 - 1:41

Guten Tag

Dieser Artikel bietet wirklich eine super Anleitung! Tolle Recherche! Danke für die Diskussion über die Schritte in Smart Services. Genau das, wonach ich gesucht habe! Ich freue mich auf einen weiteren aufschlussreichen Artikel. Herzlichen Dank!

Viele Grüße,
Hypnosetherapeut Simon Brocher aus Köln

Antwort
Oli 6. April 2023 - 21:08

Spannender Artikel mit guten Anregungen, sein eigenes Geschäftsmodell zu erweitern oder sich einfach mal in die Lage des Kunden zu versetzen, um mögliche Painpoints und neue Chancen zu erforschen. Die Versicherung bei Zugverspätung wäre in Deutschland sicher ein Kassenschlager. 😀

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