Glücklich durch Technik? Über das tägliche Scheitern am Gerät.

von Gunnar Sohn
29. November 2013
Glücklich durch Technik? Über das tägliche Scheitern am Gerät.

Beim Wechselspiel von Mensch und Gerät geht es um einen Wettstreit, bei dem nie eindeutig gesagt werden kann, wer eigentlich wem dient. Aber nicht nur Versagens-Ängste und die tägliche Plage im Umgang mit Geräten werden als schmerzliche Erfahrung der Moderne empfunden. Der Benutzer ist zudem einem Generalverdacht der Hersteller ausgesetzt. Er ist ein potenzieller Störenfried. Diese Botschaft vermittelt schon die Bedienungsanleitung und spätere Disputationen beim Umtausch der Ware.

Der Benutzer verendet in einer „Zirkulation von Schuldzuweisungen und Unterstellungen“, wie es Jasmin Meerhoff in ihrem Buch „Read me! Eine Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung“ ausdrückt.

Schuldig ist nicht das Gerät, sondern der Kunde, der es bedient. Die Über- und Unterordnung zwischen Gerät und Benutzer werden über zahlreiche Ge- und Verbote, Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise zur Garantie zementiert. Das Ganze ist eine Demonstration der Macht und das Scheitern am Gerät soll uns in die Rolle der Demut pressen. Glücksmomente, oder Flow, wie es der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi bezeichnet, entstehen in dieser Konstellation nicht.

http://www.youtube.com/watch?v=W9jaOsxjS1E

 

Alle Bewegungsabläufe werden im Flowzustand in harmonischer Einheit durch Körper und Geist mühelos erledigt. Bei Kommunikationsdiensten, Endgeräten oder Serviceprovidern ist das in der Regel nur ein schöner Traum. Die Realität spricht eine andere Sprache: Kaum etwas ist selbsterklärend – ohne Studium der kryptischen Anleitungen geht nichts. Prosaische Ergüsse, die mit Google aus dem Chinesischen übersetzt werden.

Dabei verlangen die meisten Anwender etwas völlig Normales: Software und Hardware sollten sich bedienen lassen wie ein Lichtschalter. Der tägliche Einsatz von Geräten und Benutzeroberflächen darf kein Studium der Ingenieurwissenschaften voraussetzen. So sieht es auch Aastra-Deutschlandchef Jürgen Signer. Die Technologie-Branche sei nur dann ein Schrittmacher für den Massenmarkt, wenn sie sich konsequent an dem Credo der Einfachheit orientiert.

„Die einfache Bedienbarkeit der Systeme, die wir anbieten, ist das wichtigste Kaufkriterium unserer Geschäftskunden. Das gilt vor allem für die Installation und für das User Interface. Was sich unter der Haube abspielt, ist die Sache unserer Entwickler und darf den Anwender nicht belasten“, sagt Signer.

Ein spannenden Forschungsansatz zur Besserung sieht der Berater Daniel Backhaus beim Service Design.

Diese recht junge Disziplin kümmere sich darum, die Schnittstellen zwischen Kunde und Unternehmen so zu optimieren, dass das Ganze zu einem Erlebnis für beide Seiten wird:

„Das Unternehmen kann seine Interessen vertreten, seine Ziele erreichen und der Kunde fühlt sich ernst genommen und optimal betreut.“

Ausführlich nachzulesen in der Studie „Digitale Transformation – Wie sich Unternehmen für den vernetzten Kunden erfolgreich wandeln“. Man kann sie kostenlos herunterladen.

Sehr viel von diesem Credo steckt in den Portalen des Social Web.

„Man gewöhnt sich sehr schnell an den Komfort dieser Netzintelligenz. Kunden bringen heute kein Verständnis mehr dafür auf, wenn sie im Kontakt mit Unternehmen immer noch auf die üblichen Service-Hemmnisse stoßen. Verbraucher finden häufig auf den Websites der Firmen keine Antworten auf ihre Fragen, per E-Mail warten sie oft Tage bis eine Rückmeldung erfolgt. Und anrufen – so hat eine europaweite Kundenservice-Studie jüngst ergeben – wollen heutzutage immer weniger Menschen“, weiß der Software-Fachmann Andreas Klug von Ityx.

Eine freundliche Meldeformel eines Mitarbeiters im Call Center reiche schon lange nicht mehr aus, um die veränderten Erwartungen der Kunden zu bedienen.

„Entscheidend ist doch, dass für 80 Prozent der Verbraucherfragen im Moment der Kontaktaufnahme die richtigen Wissensinhalte zur Verfügung stehen. Und das unabhängig davon, ob ich eine Suche auf der Website des Anbieters durchführe, eine Mitteilung der E-Mail oder Facebook sende oder am Telefon eine Frage stelle“, so Klug.

Moderne Methoden der Mustererkennung und Künstlichen Intelligenz seien zuverlässig in der Lage zu antizipieren, was man als Kunde wünscht.

„Viele Direktversicherer, Online-Händler und Energieversorger setzen schon heute diese lernfähige Software ein“, resümiert Klug.

Technik und gewohnte Pfade der Vergangenheit seien kein Selbstzweck, meint Udo Nadolski, Geschäftsführer vom Düsseldorfer IT-Beratungshaus Harvey Nash.

„Man sollte wie Steve Jobs daran arbeiten, etwas fundamental Anderes und Besseres in die Welt zu setzen“, so Harvey Nash-Chef Nadolski.

Ein radikal holistisches Konzept. Dazu zählt Nadolski Hardware, Software, Nutzer-Interface und den Kundenservice. Und das auch noch mit unterschiedlichen Tiefen in der Logik – für Laien und Profis.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf: www.ne-na.de.

1 Kommentar

gsohn 29. November 2013 - 9:03

Hat dies auf Das virtuelle CIO-Gespräch rebloggt.

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