„Es gibt drei Möglichkeiten, Geld zu verlieren: Glücksspiel, Scheidung und Innovation.“

von Team Redaktion
24. September 2013
“Es gibt drei Möglichkeiten, Geld zu verlieren: Glücksspiel, Scheidung und Innovation.”

Das war die NEXT Service Design 2013

Ein Tag, fünf Sessions, zwei Workshops – das bot die Next Service Design 2013 am 16. September im Radialsystem V in Berlin. Nach erfolgreicher Premiere im Vorjahr gab es nun die zweite Auflage der Fachtagung, die sich vor allem um die Themen Service Design, User Experience und Design Thinking dreht. Die Konferenz ist ein Ableger der NEXT Konferenz und wird von SinnerSchrader aus Hamburg organisiert.

Es gab von allem etwas: Experten, Methoden und spannende Fallbeispiele. Und es ging mal wieder um ihn – den anspruchsvollen und allseits vernetzten Verbraucher von heute, der sich eben nicht mehr mit traditionellen Marketing-Methoden erreichen lässt. Er fordert besondere Serviceangebote, die auf ihn zugeschnitten sind und den Nutzwert von Produkten und Dienstleistungen erhöhen.

„Service Design sollte heute als strategischer Imperativ im Marketingmix betrachtet werden – und weniger als Management-Option oder als designorientierte Fachdisziplin“, fordert denn auch Matthias Schrader, CEO von SinnerSchrader und Chairman der Konferenz.

„Wem ist wirklich klar, was sich hinter dem Begriff Service Design verbirgt?“, fragte SinnerSchrader-Geschäftsführer Nils Wollny in die Eröffnungsrunde. Vielen offensichtlich nicht! Die meisten haben zwar sehr konkrete Vorstellungen von „Service“ und „Design“, aber hinsichtlich des Begriffs „Service Design“ herrscht noch Verwirrung.

Offensichtlich ist das Ganze auch noch nicht klar definiert. Eins aber ist sicher: Nicht ein Produkt allein macht den Prosumenten glücklich, sondern die Services rund um das Produkt: Jedes Produkt ist ein Service, das hat schon Jeff Bezos bei der Einführung des neuen Kindle Fire recht deutlich gemacht: „We don’t think of the Kindle Fire as a tablet. We think of it as a service.“

Mit dieser steigenden Relevanz (digitaler) Services für Kundenbindung und -zufriedenheit wächst auch die Bedeutung von Service Design – als Methode und Prozess, um die verschiedensten Services zu gestalten und reibungslos miteinander zu verbinden.

Next Service Design 2013

Foto: Next Service Design 2013

„Es gibt drei Möglichkeiten, Geld zu verlieren: Glücksspiel, Scheidung und Innovation.“

In seiner rasanten Keynote plädierte Dean Crutchfield, US-amerikanischer Markenexperte und Unternehmensberater, leidenschaftlich für das Service Design und unterstrich die Chancen, die Service Innovationen bieten, um die Welt zu verändern. Aber er erklärte auch, was den Innovationen im Weg steht: Entscheider! Oft sind es die CEOs selbst, die „verrückte“ Ideen im Keim ersticken. Einem – wohl sehr streitbaren – unter ihnen wird der markige Spruch zugeschrieben: „Es gibt drei Möglichkeiten, Geld zu verlieren: Glücksspiel, Scheidung und Innovation.“

„Service innovation is the best opportunity to change the world we have right now. Germany is the one country that’s actually getting it done right now – but 65% of the world is service-based businesses. Most CEOs would rather put out a BBQ with their face on it that innovate. ‚There are three ways to lose money: gambling, divorce and innovation,‘ said one.“

Crutchfield kramte in seinem unerschöpflichen Erfahrungsschatz und warf so einige Beispiele innovativer Services in die Runde: UBER, snapchat, OpenStudy oder AdTrap – das im Publikum Begeisterung auslöste.

„If people aren’t telling you your idea is crazy, then it is likely not a very good idea.“

Diese Worte stammen von Francis Ford Coppola und damit will auch Dean Crutchfield zu mehr Risikofreude und Innovationskraft motivieren. Unternehmen müssen sich Innovationen öffnen und den Innovationsprozess verstehen. Und bei dem geht es vor allem um Customer Insights: „Outside in, not inside out“, lautet denn auch Crutchfields Motto.

Next Service Design 2013

Foto: Next Service Design 2013

Es folgte eine Session zu Financial Services. Brian Gillespie und Lee Moreau von Continuum präsentierten ihr Service Design Projekt für die spanische Bank BBVA – „The Bank of the Future“. Dabei ging es um ein System, das es den Kunden ermöglicht, ihr Banking so zu gestalten, wie sie es wollen: universell, einfach und transparent. Darum ging es auch Magnus Bergmark von Doberman:

„Just give me the service I came for!“

Cathrine Movold (Making Waves) und Alexander Lie (SpareBank 1) demonstrierten anschaulich, wie sie für eine von Norwegens größten Versicherungen eine kundenfreundliche Plattform zum Abschließen von Versicherungsgeschäften entwickelten: „From Analogue Nightmare to Digital Dream“ – vom unübersichtlichen endlosen Formular hin zu einem digitalen Erlebnis. Dabei lernten alle Beteiligten vor allem eins: Es geht nicht um das Formular, sondern um den Prozess und den digitalen Wandel im gesamten Unternehmen.

Next Service Design 2013

Foto: Next Service Design 2013

Kristian Luoma beendete die Session mit seinem Beitrag zur digitalen Brieftasche (mobile wallet) Pivo. Einfach, schnell und sicher zu bedienen, dreht sich bei diesem Service zunächst eigentlich alles um den Kontostand. Aber möchte man den wirklich immer vor Augen haben, wenn man auf Einkaufstour ist?

Richtig spannend wurde es in der Travel & Mobility Service Session bei der Frage „How to design trust“, vor die sich Nicolas Brusson und Vanina Schick von BlaBlaCar gestellt sahen, als es darum ging, die digitale Mitfahrzentrale sicher und transparent umzusetzen.

Wie kann ich Leute dazu bringen, Fremden zu vertrauen, bei ihnen eine Mitfahrgelegenheit zu buchen und auch ins Auto zu steigen? In Deutschland – einem Land mit langer Mitfahr-Tradition – war das Unterfangen nicht ganz so schwierig. Doch im Rest Europas war der Begriff „Mitfahrgelegenheit“ wenig populär und solch ein Dienst rief andere Bilder wach: Müffelnde, pausenlos quasselnde Tramper, hinter deren Fassade vielleicht sogar ein gefährlicher Serienmörder lauert.

Mit Problemen ganz anderer Art hatten Julia Werner (IXDS) und Stephan Augustin (BMW Group) zu kämpfen: Wie kann man den Umgang mit Elektroautos komfortabel und alltagstauglich gestalten, v.a. dem Ladeprozess. Ein Testfahrer der neuen BMW i-Modelle hatte sich über schmutzige Ladekabel beschwert, die – im Kofferraum transportiert – auch bei Schmuddelwetter per Hand bis zur nächsten öffentlichen Ladestation verlegt und im Auge behalten werden mussten – und das im Business-Outfit.

Ein anderer wollte im Berliner Bezirk Friedrichshain mit der im Auto blinkenden Ladeanzeige nicht all zu viel Aufmerksamkeit erzeugen – in einer Zeit, in der genau dort jede Nacht Autos brannten. Also verdeckte er kurzerhand die Anzeige mit seinem Basecap.

Und auch die Ladestation für die heimische Garage war eher unerfreulich: Hässlich und für die meisten Garagen viel zu klobig. Ein teueres und schnittiges Auto mit ödem und unansehnlichem Zubehör – so ging’s bei BMW nicht weiter. Mit Hilfe von IXDS sollten deshalb neue, innovative Ladekonzepte und ConnectedDrive-Dienste entwickelt werden.

Neben der völlig überarbeiteten Wallbox – der Ladestation für zu Hause – wurden in intensiven Workshops Ideen rund ums Aufladen gesucht und gefunden:

  • „Ambient Charging“, das Informationen und Hilfe rund um den Ladeprozess liefert und via Lichtprojektion in der Garage über den Batteriestand informiert.
  • „Battery Avatar“ – ein kleines Gerät – bei der Präsentation in Form eines Autos – das den Nutzer unterwegs über Ladeprozess und -fortschritt auf dem Laufenden hält.
  • die „i Community“, die Elektroautofahrer verbindet und über ein Credit-System die heimischen Ladestationen für andere Fahrer zugänglich macht.
Next Service Design 2013

Foto: BMW

In der letzten Session ging es um Entertainment Services. Julia Leihener von den TLabs und Thomas Welzel (Telekom Product & Innovation) zeigten anhand des „Community 3.0“ Service Design Projektes, wie sich mit Video-Ethnografie verborgenste Customer Insights aufdecken lassen und wie man dabei manchmal auf Dinge stößt, die man so nicht erwartet hat und die dem eigentlich zu entwickelnden Service im Wege stehen. Eine unerwartete Erkenntnis in ihrem Projekt: Menschen wollen „me time“ – Zeit für sich selbst, in der sie offline und nicht vernetzt sind. Sollte man also seine Anrufe(r) priorisieren und filtern können. Und sollte das Telefon automatisch lernen, für wen ich wann erreichbar sein möchte.

Die angedachten Services, die sich daraus ergaben, wurden kontrovers diskutiert (zumal der Lernalgorithmus in der „me time“ eher Businesskontakte durchstellte als Anrufe von Familie und Freunden): Gibt es dafür wirklich ein Geschäftsmodell? Und was unterscheidet das „me time“-Konzept davon, das Telefon auf lautlos zu stellen oder einfach mal auszuschalten?

Next Service Design 2013

Die vielen Fallbeispiele, die das Publikum sehr anschaulich an den einzelnen Service Design-Projekten teilhaben ließen, waren das große Plus der Veranstaltung. Es war aus allen Bereichen etwas dabei und man erhaschte einen Blick hinter die (Projekt-)Kulissen. Wer jedoch die brandheißesten Services erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Alles in allem hat es sich die Teilnahme aber durchaus gelohnt. Ob es auch für den Veranstalter ein Erfolg war – schwer zu sagen. Die Workshops jedenfalls waren ausgebucht, die Vorträge auf der Hauptbühne allerdings nicht immer voll belegt.

Wer Interesse an den Vorträgen der Next Service Design 2013 hat, der findet Videos, Blogbeiträge und Bilder auf der Veranstaltungsseite.

2 Kommentare

Neuland, Arroganz und Empathie: Das Jahr in Blogposts. | Smarter Service 19. Dezember 2013 - 8:32

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