Vielen Unternehmen aus der produzierenden Industrie gelingt es aktuell nicht, ihre neu entwickelten Smart Services erfolgreich am Markt zu platzieren. Verschiedene Studien belegen die Vermutung, dass zwar oftmals die technische Expertise zur Entwicklung von Smart Services vorhanden ist. Wenn es aber um die externe Vermarktung und Markteinführung geht, scheitern viele Anwender und Anbieter.
Nach einer Benchmarking-Studie des FIR e. V. an der RWTH Aachen halten 77 Prozent der besonders erfolgreichen Industrieunternehmen im Feld datenbasierter Dienstleistungen den Vertrieb für die größte Hürde. Auch der Kundendienst-Verband Deutschland e. V. hat in seiner Studie zu Smart Services bereits im Jahr 2014 belegt, dass Smart Services in DACH-Unternehmen vor allem intern Potenziale bieten, wie beispielsweise Kosteneinsparungen oder Informationsverbesserungen. An der externen Vermarktung scheitert es oft.
Doch wodurch ist dies begründet? Die nachfolgenden sechs Ursachen helfen, zu verstehen, warum der Vertrieb von Smart Services im industriellen Service anders gestaltet werden sollte als für klassische Dienstleistungen.
- Flut an Daten und Informationen: Getreu dem Motto „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“, führt die Datenflut zu einer Informationsflut, welche für viele Unternehmen nicht beherrschbar ist.
- Mangel an domänenspezifischem Wissen: Je nach Person führt die Analyse von Datensätzen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die nicht sinnvoll interpretiert werden können. Um aus Daten hilfreiche Informationen generieren zu können, ist domänenspezifisches Wissen nötig.
- Ungenügende Kompetenz im Vertrieb von Smart Services: Ohne spezielle Fähigkeiten in der Vertriebsorganisation gelingt es nicht, mit dem Kunden beim Verkaufsgespräch von Smart Services auf Augenhöhe zu verhandeln. Viele Unternehmen beziehen zudem beim Vertriebs-Pitch von Smart Services die bereits vorhandenen Informationen nicht ein.
- Nicht-adressatengerechte Visualisierung: Smart Services sind für einen Kunden nur hilfreich, wenn es gelingt, die Informationen einfach verständlich aufzubereiten. Diese Aufbereitung fängt schon beim Vertriebsgespräch an und sollte nur in Excel-Tabellen und unübersichtlichen Dashboards erfolgen.
- Unzureichende Transparenz des Geschäftsmodells: Die oftmals ungenügende Transparenz der Geschäfts- und Erlösmodelle („Black Box“) sowie die Gefahr einer Abhängigkeit vom Anbieter verursachen bei vielen Kunden ein Misstrauen.
- Lösungsorientierte Kommunikation: Kunden werden zu oft mit Analyseergebnissen alleine gelassen, ohne dass weitere Schritte vorgeschlagen werden. Zudem transportieren generische Anwendungsbeispiele der Smart Services im Vertriebsgespräch nicht die gewünschten Lösungen der Kunden.
Eine Lösung: Data-Story-Telling als hilfreiches Instrument beim Vertrieb von Smart Services. Dabei wird die Stärke der Erzählungen genutzt. Der bereits bewährte Ansatz des Story-Tellings, z. B. aus dem digitalen Journalismus oder aus der Unternehmensberatung, wird angereichert um die ersten verfügbaren Daten des Kunden, z. B. Maschinenparameter aus Werkzeugmaschinen, welche dem Anbieter vorliegen. Diese vorliegenden Kundendaten werden bereits im Vertriebs-Pitch genutzt, um anhand dieser Informationen die kundenspezifischen Potenziale von Smart Services aufzuzeigen.
Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht das Prinzip des Data-Story-Tellings: Ein produzierendes Unternehmen nutzt Werkzeugmaschinen mitsamt einem dazugehörigen Service-Level-Agreement (SLA) zum Betrieb der Maschinen. Das Unternehmen hat aktuell nur einen rudimentären Überblick über relevante Maschinenkennzahlen, wie z. B. die OEE der Werkzeugmaschine, und nutzt Remote-Services im Notfall. Der Hersteller der Werkzeugmaschinen bietet dem Unternehmen nun Smart Services in Form eines erweiterten SLAs an. Zum jährlich stattfindenden Vertriebsgespräch der SLAs bereitet der Hersteller bereits erste Maschinendaten auf, welche er von den Maschinen des vergleichbaren Kunden übermittelt bekommt. Auf Basis der Informationen bereitet der Key-Account-Mitarbeiter in Kooperation mit Data-Analysts ein kundenspezifisches Folienset vor, welches die Potenziale der Smart Services messbar macht. Neben relevanten, standortübergreifenden Maschinenkennzahlen, wie der OEE, können Vergleiche und Einordnungen mit Marktbegleitern des produzierenden Unternehmens dargestellt werden. Basierend auf den Analysen wird anschließend das erweiterte SLA des Herstellers dargestellt, indem die Kosten für den Smart Service den realisierbaren Potenzialen gegenübergestellt werden. Auf dieser Basis gelingt es dem Hersteller, eine kundenindividuelle „Story“ mit konkreten Handlungsoptionen und Auswirkungen für das Unternehmen aufzuzeigen. |
Es zeigt sich, dass jene Anbieter, welche Data-Story-Telling im Vertrieb von Smart Services einsetzen, deutlich höhere Erfolgsquoten beim Vertragsabschluss in Kundengesprächen erzielen als andere Anbieter. Data-Story-Telling ist die Kunst, Zahlen des Kunden sprechen zu lassen und typische Entscheidungssituationen bzw. Erfolgsfaktoren sowie wirtschaftliche Stellhebel des Kunden zu erkennen. Diese gilt es so in Form von konkreten Szenarien aufzubereiten, dass der Kunde bestmöglich abgeholt wird.
Entscheidend ist dabei, dass die bereits vorhandenen Daten des Kunden in den Zusammenhang mit dem Geschäftszweck gestellt und kundenzentriert aufbereitet werden. Zudem zeigt sich, dass wenige, wichtige Kennzahlen im Vertriebsgespräch positiver wahrgenommen werden als ein Wust an statischer Auswertung. Auch die Form der Darstellung im Folienset sollte weniger auf Tabellen oder überfüllten Dashboards basieren, sondern verstärkt auf prägnante Darstellungen setzen, wie Heatmaps oder Peer-Group-Einordnungen.
Um die Stärke der Erzählung zu nutzen, kommt es schließlich auf das Aufzeigen konkreter Szenarien an. Diese sollten sowohl positive Szenarien beinhalten, z. B. mögliche Einsparungen innerhalb der nächsten 24 Monate durch die Erweiterung des SLAs, als auch negative Szenarien bzw. mögliche Konsequenzen durch ein Nicht-Handeln, z. B. im Vergleich zum Wettbewerb.
Sofern Sie mehr über den Ansatz „Data-Story-Telling“ und den Vertrieb von Smart Services erfahren möchten, steht Ihnen das Team des Centers für Smart Services auf dem RWTH Aachen Campus zur Verfügung. Ab Februar 2018 startet im Center Smart Services ein Konsortialprojekt mit diversen Industrieunternehmen (u. a. Trumpf Laser GmbH, Siemens Healthcare GmbH oder GEA Farm Technologies GmbH), in dem weitere Instrumente zum Vertrieb von Smart Services untersucht werden.
Unser Gastautor
Marco Husmann ist Leiter des Competence-Centers Service am FIR an der RWTH Aachen und Mitarbeiter im Center Smart Services auf dem RWTH Aachen Campus. Neben seiner laufenden Dissertation zum Vertrieb von Smart Services beschäftigt er sich im Bereich des industriellen Dienstleistungsmanagements mit Beratungs- und Forschungsprojekten rund um die Themen Smart Services, neue Geschäftsmodelle und Vertrieb & Markteinführung.
1 Kommentar
Es ist nicht ganz so einfach wie es sich manchmal liest. Wir Instandhalter machen seit Jahren smart Service und condition monitoring machen wir auch nicht erst seit gestern.
Die Umstellung in den KMU’s und deren betrieblichen Instandhaltungen kommt langsam aber es kommt. Sie arbeiten in einer Halle mit völlig analogen Maschinen direkt neben Highend Technologie und müssen das alles managen.
Daten verarbeitung, Datenanalyse und Datenbereitstellung sind das Kernthema bei der Umsetzung von Smart service. Und sie müssen abteilungsübergreifend, von der Technik, der IT, die Beschaffung und Verwaltung alle mit ins Boot nehmen.
Stammdatenmanagement ist ein ganzheitlicher Prozess im Unternehmen. Die ITler müssen die Sicherheit und Übertragung freigeben und die Datenverarbeitung anführen. Die Technikabteilungen müssen die Techniken und die Infrastrukturen schaffen, in teilweise vorhandene Systeme eingreifen und Änderungen und Schnittstellen schaffen.
Die Veränderung zu Smart Service muss vom Management angeführt und protegiert werden, nur wenn alle zusammen im Unternehmen dafür arbeiten wird es zum Erfolg.