Neue digitale Kundenerlebnisse in der Plattformökonomie

von Bernhard Steimel
10. November 2020
Paketkopter

Geschäftskunden sind genauso anspruchsvoll wie Privatkunden. Die Buchung der Transportaufträge muss so einfach wie möglich sein, die Integration in vorhandene IT-Systeme unproblematisch, zusätzliche Services sollen die Aufgaben der Industrie erleichtern und die Last Mile darf nicht zur Engstelle werden.

Amazon-Feeling: B2B-Plattformen in der Logistik

Die Preistransparenz ist für Logistikunternehmen eine große Herausforderung: Etwa jedes zweite Unternehmen sieht sich einem enormen Preisdruck ausgesetzt. Ein Gegenmittel sind cloud-basierte End-To-End-­Lösungen, die den Unternehmen Informationen über die gesamte Supply Chain hinweg zur Verfügung stellen.

Eine aus Sicht des Kundenerlebnis optimale Lösung sind digitale Buchungsplattformen und Kundenportal. Sie erleichtern nicht nur die Buchung und den späteren Zugriff auf Transportaufträge, sie schaffen auch Preistransparenz. Dies gilt vor allem für die Angreifer aus der Plattformökonomie, die weltweite Preisvergleiche ermöglichen und somit zahlreiche Nutzer anziehen.

Online-Marktplatz erlaubt weltweite Preisvergleiche

Das Plattform­Unternehmen Freightos bietet einen Vermittlungsdienst für Frachtaufträge, der nach dem Modell eines zweiseitigen Markts wie Amazon Marketplace aufgebaut ist. Zwölf Risikokapitalgeber haben mehr als 92 Millionen US-Dollar in das Unternehmen investiert. Es gibt an, etwa 2000 Kunden zu bedienen und dabei 2019 etwa 60 Millionen Dollar Umsatz gemacht zu haben. Diese Zahlen haben den chinesischen eCommerce-Giganten Alibaba bewogen, mit dem Startup zusammenzuarbeiten und einen gemeinsamen Service für Alibaba­-Kunden aufzubauen. Kurz: Hier entsteht ein Angreifer, der sogar größer werden könnte als Amazon Logistics. Der zweite Vorteil solcher Plattformen: Sie bieten eine Sendungsverfolgung in Echtzeit durch das Tracking von Fahrzeugen, Transportbehältern und Ladungsträgern.

Die intelligente Europalette als vernetzter Ladungsträger

Die intelligente Europalette als vernetzter Ladungsträger

Die Telekom hat zusammen mit dem Fraunhofer­Institut für Materialwirtschaft und Logistik (Fraunhofer IML) eine smarte Europalette entwickelt, die die als automatisch verfolgbarer und steuerbarer Ladungsträger dient. Er ist Teil eines intelligenten Logistiknetzwerks, das seinen Nutzern die Position der Palette und weitere Daten auf einer Plattform anzeigt. Ein Low-Cost-Tracker ermittelt und überträgt die Daten mit dem Low­Power­Netz Narrow­Band IoT, dass Batterielaufzeiten von bis zu zehn Jahren erlaubt. Er besitzt einen wasserfesten Sensor, der Stöße, Lage, Kippwinkel, Beschleunigungen und Temperatur der Palette ermittelt und an das Kundenportal der EPAL (European Pallet Association) weiterreicht.

Die Nutzer wissen in jedem Moment, wo sich die transportierten Güter befinden, welchen Status sie haben und wann sie die nächste Zwischenstation oder den Empfänger erreichen. Dafür wird der Fachbegriff „Continuous Delivery Experience” (CDX) genutzt: Unternehmen können ihre Produkte pünktlich ausliefern und ihre bestehenden Lieferprozesse kontinuierlich verbessern. Hierzu gehören auch Prognose­Anwendungen auf der Basis von KI.

Liefergenauigkeit steigern und Ankunftszeiten vorhersagen

Das Silicon-Valley-Startup ClearMetal verbessert mit seiner Cloud-Plattform die Qualität von Prognosen in der Supply Chain deutlich. Sie hilft bei der Optimierung der Routenplanung und steigert dadurch die Anzahl der zeitgenauen Auslieferungen in der Logistik. Für den Endkunden bedeutet dies eine genaue Vorhersage der Ankunftszeit von Gütern. So steigert der Einsatz der Plattform die Liefergenauigkeit um bis zu 50 Prozent und die betriebliche Effizienz um 30 Prozent.

Mehrwertdienste in der KontraktlogistikDer Kontraktlogistikmarkt in

Deutschland ist einer der bedeutendsten Logistikmärkte in ganz Europa mit hohem Potenzial. Die Unternehmen decken nur einen Teil des möglichen Marktes ab. Das Fraunhofer IML hat für die Kontraktlogistik einen Umsatz von mehr als 25 Milliarden Euro ermittelt, schätzt das Marktvolumen aber auf 90 Milliarden Euro.

Chancen finden sich vor allem in der stärkeren Kundenbindung durch digitale Mehrwertdienste. Die Vertragspartner profitieren durch Kosteneinsparungen und Leistungsverbesserungen. So bieten zahlreiche Logistiker Gesamtkonzepte an, die von Transport und Warehousing über Vormontagen und Value Added Services bis hin zur sequenziellen Fertigung von Einzelteilen und Modulen sowie ihrer containergerechten Verpackung reichen.

Ein Framework für mehr Produktivität mit automatisierter Logistik

Die Schnellecke Gruppe ist wichtiger Player in Mehrwertlogistik und Just­-In­-Sequence-­Lieferung (JIS) für die Automobilindustrie. Neben maßgeschneiderten Lösungen in der Vorproduktion bietet sie auch ein Framework für die digitalisierte Logistik an. Es umfasst ein breites Spektrum logistischer Prozesse und Technologien durch einen hohen Grad an Automatisierung und Autonomisierung. Unter anderem betreibt der Anbieter automatisierte Logistikzentren für JIS­Projekte – inklusive fahrerlose Transportsysteme (FTS) und Stapler sowie den Einsatz von Robotik.

Solche Mehrwertdienste mit Automatisierung funktionieren auch in kleinerem Rahmen und sind damit für mittelständische Unternehmen geeignet – zum Beispiel in Form eines Ersatzteillagers mit automatisierter Nachbestellung.

Digital-Shopping mit Upbox

Digital-Shopping mit Upbox

Ein intelligente Ersatzteillager fürs Werkstattgelände bietet die BPW Aftermarket Group an: Die UpBox hat Form und Größe eines Überseecontainers und wird Unternehmen auf den Hof gestellt. Die Mitarbeiter brauchen benötigte Teile nur zu entnehmen – sie werden vollautomatisch erfasst, abgerechnet und nachgeordert.

Die smarte Datentonne von Rhenus

Rhenus eine „smarte Datentonne”

Ein weiterer Logistikservice widmet sich dem Aspekt der Sicherheit bei kritischen Abfällen, beispielsweise bei für die Vernichtung vorgesehene Akten oder Datenträgern. So hat der Logistik­-Dienstleister Rhenus eine „smarte Datentonne” entwickelt. Diese intelligenten Behälter erkennen ihre Füllstände mit Sensoren und koordinieren ihre eigene Leerung.

Eine erweiterte Form dieser Technologie nutzt Smart Contracting mit dem Datenbankformat Blockchain. Dabei schließt der Behälter automatisch einen digitalen Vertrag mit dem Transportunternehmen und organisiert die Abholung. Die Vertragsdaten sind in der Blockchain­Datenbank gespeichert. Sie hat die Form eines digitalen „Hauptbuchs”, das Änderungen und Löschungen dauerhaft sichtbar macht. Es eignet sich dadurch für automatisierte Geschäftsprozesse, bei denen Daten aus mehreren Unternehmen übergreifend und fälschungssicher aufgezeichnet werden. Voraussetzung ist allerdings die Transparenz aller Daten.

Innovationen auf der Last Mile – der KEP-Markt digitalisiert sich

Das Sendungsaufkommen für Paketdienstleister wächst ständig, mit rasant steigenden Personalkosten als Konsequenz. Zugleich gibt es einen starken Preisdruck. Der Einsatz von Tourenplanungs­lösungen für die letzte Meile optimiert die Lieferprozesse zeit­ und ortsbezogen und erhält die Wirtschaftlichkeit. Ein Beispiel dafür ist die App PaketChef. Verschärft werden die Herausforderungen durch stark schwankende Paketmengen. Eine gängige Lösung ist die Multi­Drop­Zustellung, bei der viele Sendungen in einer ortsnahen Paketstation ausgeliefert werden.

Weitere Ansatzpunkte für Verbesserungen sind die Optimierung der Retourenabwicklung und eine Reduzierung der Zustellversuche, bevor eine Sendung an einem Abstellort (Filiale, Kiosk oder Packstation) hinterlassen wird. Doch die Digitalisierung bietet auch neue Zustellkonzepte: Die Zustellung in einen Container an der Haustür oder in den Kofferraum eines Autos.

Kontaktlose Lieferungen in Corona-Zeiten

myRenz-Box

Die Erwin Renz Metallwarenfabrik ist ein weltweit führender Spezialist für Briefkastenanlagen in allen Arten und Größen. Das Unternehmen hat speziell für die kontaktlose Zustellung auf der Last Mile die myRENZbox entwickelt: Ein sicherer und wettergeschützter Paketkasten, den Zusteller, Lieferanten und Privatleute nutzen können. Die Box wird vor dem Haus oder Gewerbetrieb aufgebaut und funktioniert denkbar einfach: Zusteller und Lieferanten benötigen zum Öffnen lediglich eine PIN, die mit dem Smartphone an den Paketkasten gesendet wird.

Möglich ist auch die Lieferung ins eigene Heim, das durch ein smartes Türschloss abgesichert ist. Dabei gibt es unterschiedliche Lösungen, beispielsweise den Zugriff auf das Türschloss via App. Das Münchner Startup Nello bietet beispielsweise so etwas an. Der Nutzer wird per App verständigt, öffnet aus der Ferne die Tür und erlaubt dem Zusteller das Ablegen des Paketes. Andere Lösungen nutzen einen digitalen Schlüssel, den der Zusteller mit sich trägt und mit seinem Smartphone nutzt.

Das Auto als private Paketstation

We-Deliver

Der Autohersteller VW bietet unter der Bezeichnung „We Deliver” eine Kofferraumzustellung für Partner wie DHL an. Die Nutzer des kostenlosen Service geben in einer App Wunschtermin, Fahrzeug und Lieferadresse ein. Das Fahrzeug ist mit einem digitalen Schloss ausgerüstet. Der Zusteller öffnet es mit einem einmaligen Zugangscode, legt das Paket ab und verriegelt es wieder.

Der Auslieferungswagen von Nuro fährt autonom

Nuro

Ein weiterer Weg zur Digitalisierung der Zustellung sind autonome Fahrzeuge. Die Technologie befindet sich noch in der Entwicklung, doch erste Pilotprojekte waren bereits erfolgreich. So gehören die kleinen Auslieferungswagen von Nuro oder Starship Technologies in einigen US-Städten schon zum gewohnten Straßenbild.

Solche autonomen Fahrzeuge sind allerdings wie herkömmliche Lieferwagen vom Verkehrsaufkommen abhängig. Eine Alternative dazu sind autonome Drohnen, die ihre Fracht auf dem Luftwege ausliefern.

Dringend benötigte Medikamente per Drohne liefern

Der DHL Paketkopter ist eine autonome Drohne des Herstellers Wingcopter. Sie wird eingesetzt, wenn ein Transport über etablierte Infrastrukturen schlecht möglich ist oder zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Drohne hat über sechs Monate hinweg die Lieferung von Medikamenten auf eine Insel im afrikanischen Viktoriasee übernommen. Sie schaffte dabei die 60 km Flugstrecke vom Festland bis zur Insel in durchschnittlich 40 Minuten.Lieferdienste stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie die Paketzusteller.

Zudem haben die Kunden höhere Ansprüche an die Lieferzeiten und die Termintreue. Eine Lieferung mit genauem Zeitfenster bietet Liefery, eine digitale Plattform für die kurzfristige Belieferung durch den lokalen Einzelhandel. Das Start­up wirbt mit Lieferzeiten von nur 90 Minuten oder in einem Wunschzeitfenster von einer Stunde.

Liefery besitzt ein Netzwerk aus 3.500 Kurieren in 60 Städten in Deutschland und Österreich. Es stellt damit monatlich mehr als 500.000 Sendungen zu.


Dies ist ein Auszug aus unserer neuen Studie „Trendbook Smarter Logistics – Wie sich die Logistik digital transformiert“. Hier geht‘s zum Download.

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