Drei Fragen an Michael ten Hompel

von Bernhard Steimel
17. November 2020
Drei Fragen an Michael ten Hompel

Digitalisierung hilft Logistikunternehmen, sich strategisch neu aufzustellen, sagt Prof. Dr. Michael ten Hompel, Leiter des Fraunhofer-Institutes für Materialfluss und Logistik. Er hofft, dass der Corona-Weckruf jetzt auch in kleineren Unternehmen angekommen ist.

»Viele setzen jetzt auf Open Source, um einheitliche Standards und eine gemeinsame Basis zu schaffen.«

Die Angreifer der Logistik aus der Plattformökonomie sind ungewöhnlich gut finanziert, zum Teil mit über einer Milliarde US-Dollar. Können da deutsche Unternehmen überhaupt mitgehen?

Die großen Logistikunternehmen setzen zwar auf Plattformen, doch sie werden den Durchbruch nicht alleine schaffen. Die finanzielle Ausstattung der chinesischen und amerikanischen Angreifer ist viel zu hoch. Einzelunternehmen in Deutschland oder in Europa werden Schwierigkeiten haben, eine weltweit verbreitete Plattform umzusetzen.

Dafür fehlen Markmacht und Ressourcen. Außerdem wird oft vergessen, dass B2B­Logistik sehr komplexe Software­Lösungen voraussetzen, die nicht kurzfristig entwickelt werden können. Auch das wird ein einzelnes Unternehmen überfordern. Da ist es aus meiner Sicht sehr sinnvoll, auf föderale Open­Source­Plattformen wie International Data Spaces und Gaia­X zu setzen, an denen jeder teilnehmen kann – auch der Mittelstand.

Wie ist denn der Digitalisierungsgrad in den Logistikunternehmen?

Die Logistikbranche ist geradezu perfekt zu digitalisieren und entsprechend weit vorangeschritten. Denn die einzelnen Logistikprozesse sind vergleichsweise einfach, lediglich die Vernetzung und das Zusammenspiel erzeugen Komplexität, was wiederum ein guter Ansatzpunkt für Künstliche Intelligenz und Machine Learning ist – angefangen bei autonomen Fahrzeugen bis hin zu Data Analytics.

Die meisten Unternehmen haben diese Entwicklung erkannt und so vollzieht sich in der Logistik ein grundsätzlicher Wandel, der auch die Verlader betrifft. Viele setzen jetzt auf Open Source, um einheitliche Standards und eine gemeinsame Basis zu schaffen. Wir werden schon sehr bald die ersten Unternehmen sehen, die ihre Transportverträge automatisch verhandeln, mit Blockchain bezahlen und Prozesse mit Hilfe künstlicher Intelligenz organisieren und orchestrieren.

In vielen Branchen hat die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Wie stark war dieser Schub in der Logistik?

Krisen zwingen Menschen ihre Komfortzone zu verlassen. Sie setzen Kreativität frei, um den eigenen Lebensstandard zu sichern. Das ist der Grund, warum Gesellschaften immer gestärkt aus Krisen hervorgehen. Logistikunternehmen haben den entscheidenden Impuls erhalten, über Innovation nachzudenken. Bisher wurde Digitalisierung von vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen beiseitegeschoben. Das hat sich jetzt geändert, Digitalisierung wird ernst genommen.

Mein Rat ist: Ruhe bewahren. Liquidität sichern, Chancen nutzen. Es wäre falsch, überstürzt in irgendwelche digitalen Technologien zu investieren, denn die Logistik muss die Digitalisierung strategisch umsetzen. Wer diesen Weg konsequent beschritten hat, ist besser durch die Krise gekommen. Das ist deutlich im Markt zu sehen und hat zahlreiche Unternehmen aufgeweckt.


Dies ist ein Auszug aus unserer neuen Studie „Trendbook Smarter Logistics – Wie sich die Logistik digital transformiert“. Hier geht‘s zum Download.

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