Ein Auszug aus dem neuen Praxisleitfaden „Internet der Dinge“, der kostenlos zum Download zur Verfügung steht.
Smart Produkts, Smart Services, Big Data, datengetriebene Geschäftsmodelle – alle diese Elemente sind Teil eines viel größeren Wandels in den Unternehmen, der meist unter dem Stichwort „Digitalisierung“ oder „digitale Transformation“ läuft.
In vielen Unternehmen tauchen an dieser Stelle wichtige Fragen auf:
- »»Wie können wir das Thema digitale Transformation richtig angehen?
- »»Wo ist unser Startpunkt?
- »»Welche Fähigkeiten haben wir bereits?
- »»Welches Zielbild wollen wir verwirklichen?
- »»Welche Fähigkeiten benötigen wir dafür?
Um diese Fragen beantworten zu können, müssen Unternehmen zunächst ihre digitalen Fähigkeiten gezielt auf den Prüfstand stellen. In einem Assessment sollten sie ihren Status in zweifacher Hinsicht überprüfen: Erstens ermittelt die Prüfung die Außensicht entlang der digitalen Kontaktpunkte, wobei zusätzlich ein Benchmark mit Wettbewerbern sinnvoll ist. Zweitens ermittelt das Assessment die Innensicht auf der Basis eines Reifegradmodells.
Das hierfür benutzte Digital Maturity Model haben wir zusammen mit dem Research Center for Digital Business an der Hochschule Reutlingen entwickelt. Es positioniert jedes Unternehmen auf einer Skala von 0 (Neuling) bis 100 (Meister). Die Werte werden auf der Basis von ausführlichen Befragungen der Führungskräfte auf unterschiedlichen Ebenen ermittelt. Entsprechend des Reifegrads ergeben sich aus dem Modell die bereits vorhandenen und die noch zu schaffenden Fähigkeiten und Ressourcen.
Der digitale Reifegrad eines Unternehmens wird anhand von acht Dimensionen bestimmt:
- Strategie: Ein weit verbreitetes Problem in den Unternehmen ist das Fehlen einer digitalen Strategie. Oft gibt es zwar bereits eine Reihe von Digitalisierungsprojekten, aber keinen Plan, wie diese Projekte unter einem strategischen Ziel zusammengeführt werden. Ohne eine übergreifende Strategie wird die Digitalisierung sehr wahrscheinlich scheitern.
- Führung: Häufig hat die digitale Transformation auch keinen „Owner“ im Unternehmen, also keine mit dem Thema befasste Führungskraft. Empfehlenswert ist die Schaffung einer Position, beispielsweise eines „Chief Digital Officer (CDO)“, der sich ausschließlich um den digitalen Wandel kümmert und auch über die entsprechenden Durchgriffsrechte auf die Fachbereiche verfügt.
- Produkte und Services: Vielen Unternehmen fehlt es an Innovationsfähigkeit und methodischem Wissen über das Design von smarten Services.
- Geschäftsprozesse: In dieser Dimension sind zahlreiche Unternehmen recht weit fortgeschritten, sie besitzen bereits sehr effiziente und oft auch (teil-)digitalisierte Prozesse. Allerdings gibt es sehr viele lose Enden, da die Digitalisierungsprojekte auf unterschiedliche Bereiche wie Marketing oder Vertrieb verteilt sind. Häufig fehlen die passenden Schnittstellen und eine durchgängige Digitalisierung aller Prozesse ist noch weit entfernt.
- Kultur: Treibender Faktor für die Transformation ist die Unternehmenskultur, die in Richtung kooperativer Zusammenarbeit, flacher Hierarchien und Agilität entwickelt werden muss. Doch eine Unternehmenskultur lässt sich nicht „managen“, sondern nur positiv irritieren. Zwar sind zahlreiche mittelständische Unternehmen vergleichsweise offen und agil, doch der Einfluss der Unternehmenskultur auf die Digitalisierung wird oft unterschätzt.
- Mitarbeiter: Das vorhandene Personal hat häufig nicht die notwendigen Qualifikationen. Hier ist eine umfassende Weiterbildung der Mitarbeiter sowie die Neueinstellung von Experten aus den Bereichen Software Engineering, UI/UX-Entwicklung und Systemintegration notwendig. Darüber hinaus erfordert die Gestaltung von datenbasierten Services Datenanalysten (Data Scientists), die den Service auch tatsächlich in Betrieb setzen können.
- Steuerung: Ein Unternehmen benötigt drei zeitliche Horizonte, um das Portfolio der smarten Produkte und Services zu organisieren.
- 12 Monate – Optimieren: In diesem Zeithorizont werden alle bestehenden Produkte und Services (die Umsatzträger) inkrementell verbessert und optimiert, sodass sie die Kundenanforderungen exzellent erfüllen.
- 12 bis 36 Monate – Erweitern: Innerhalb dieser Frist werden Wachstumsthemen angegangen, bestehende (und neue) Produkte und Services werden ausgebaut und skaliert.
- Mehr als 36 Monate – Neu gestalten: Innovation erfordert eine längerfristige Aufmerksamkeit. Es handelt sich hierbei um Themen, bei denen das Unternehmen eine Wette auf die Zukunft eingeht und Hypothesen testet. Es ist zwar noch unbekannt, wer der nächste große Umsatzträger sein wird, aber es ist für ein Unternehmen sehr gefährlich, sich nicht auf die Zukunft auszurichten.
Die Unternehmen sollten ihr Budget so nutzen, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums möglichst viele Experimente verwirklichen können. Nur so können Unternehmen herausfinden, welche Innovationen tatsächlich zu Wachstumsthemen werden und innerhalb des zweiten Zeithorizonts zu erfolgreichen Produkten und Services skaliert werden können.
- Technologie: Zahlreiche Unternehmen haben keine zukunftsfähige IT-Organisation, denn es müssen noch die Grundlagen für die digitale Transformation gelegt werden. Zum einen sollten die Business-Support- Systeme so angepasst werden, dass die Geschäftsprozesse durchgängig digital gestaltet werden können. Zum anderen muss das Claas: Digitale Transformation in der Landwirtschaft Unternehmen die Fähigkeit zur agilen IT aufbauen und in der Lage sein, mit DevOps-Teams die Digitalisierung zu begleiten. Das Problem ist oft die Ausrichtung der IT auf die herkömmlichen Release-Zyklen von 24-36 Monaten. Doch smarte Produkte und Services erfordern viel kürzere Zyklen von 3-6 Monaten.
Erstens müssen angesichts der gestiegenen Dynamik in der Digitalisierung Produkte in viel schnellerer Folge entwickelt werden. So dauert es typischerweise drei Monate bis zum Proof of Concept und sechs Monate bis zum marktfähigen Produkt oder Service. Zweitens müssen ICT-basierte smarte Produkte und Services kontinuierlich weiterentwickelt werden, beispielsweise aufgrund von Kundenanforderungen oder Erkenntnissen über ihren praktischen Einsatz.
Die Erfahrung zeigt, dass der Reifegrad der Unternehmen sehr unterschiedlich ist, dass es aber auch eine Gemeinsamkeit gibt: Sehr häufig ist das Betriebsmodell deutlich stärker digitalisiert als das Kundenerlebnis bzw. das Nutzenversprechen. Ein typisches Beispiel ist die Autoindustrie: Ihre Produktionsstätten gelten gemeinhin als Vorreiter in der Industrie 4.0, da sie sehr stark auf Industrial Internet, Automatisierung oder zum Teil sogar IoT-Anwendungen setzen. In ihren Produkten hat sich dies allerdings nur in Ansätzen niedergeschlagen. Der größte Teil der im Moment angebotenen Modelle hat längst nicht den Connected-Car-Komfort wie beispielsweise das Tesla Model S, bei dem Funktionen via Internet nachgerüstet werden.
Bei der Entwicklung einer Digital- und Innovationsstrategie wählen die Unternehmen mehrheitlich eine von zwei Strategien. Sehr viele Unternehmen entscheiden sich zunächst für die Neuausrichtung des Betriebsmodells, also einer Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Wertschöpfung. Hier entstehen (in gewissen Grenzen) neue Geschäftsmodelle als Nebenprodukt, doch die Digitalisierungsstrategie wird vorwiegend an Effizienzkriterien ausgerichtet.
Ein zweiter Digitalisierungspfad geht den Weg über die Erweiterung des Nutzenversprechens an den Kunden, etwa durch Ergänzung der bestehenden Kernprodukte durch digitale Services oder Ergänzung des eigenen Geschäftsmodells durch neue Produkte. Ein gutes Beispiel hierfür ist Claas, die auf der Basis ihres Kerngeschäfts erweiterte digitale Dienste anbieten und ihr Produktportfolio zu einem Ecosystem ausbauen.
Der dritte Digitalisierungspfad vereint beide Wege und ist in der Abbildung die Diagonale. Diesen Weg der radikalen Transformation gehen nur sehr wenige Unternehmen, da er äußerst anspruchsvoll ist und eine Vielzahl an Ressourcen erfordert.
Nächste Woche geht es weiter mit: Die Evolution vom Produkt zum Ecosystem – Der Einstieg in die Plattform-Ökonomie.