Folge dem Weg der Daten

von Bernhard Steimel
6. März 2018
Folge dem Weg der Daten

Ein Auszug aus dem neuen Praxisleitfaden „Internet der Dinge“, der kostenlos zum Download zur Verfügung steht.


Viele Unternehmen suchen bei der Entwicklung von neuen datenbasierten Geschäftsmodellen auch nach einer Unterstützung aus der Wissenschaft. Um diese Nachfrage zu decken, wurde das Center Smart Services im Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen gegründet. Es unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen für industrielle Dienstleistungen im Bereich Digitalisierung, digitale Vernetzung, Industrie 4.0 und Smart Services.

Digital und physikalisches Produkt Hand in Hand entwickeln

Zwei wesentliche industrielle Dienstleistungen sind der Kern einer Entwicklung von neuen Smart Services: Erstens After-Sales-Services im klassischen deutschen Maschinen- und Anlagenbau, zweitens Instandhaltung.

After-Sales-Services beginnen bei Klassikern wie dem Ersatzteilgeschäft und der Reparatur defekter Maschinen und Anlagen durch Servicetechniker und geht bis hin zu Firmen, die Mehrwertdienstleistungen wie Beratung und Qualifikation oder auch Condition Monitoring und Predictive Maintenance anbieten.

Beim Thema Konnektivität arbeitet das Center Smart Services mit Ericsson an 5G-Anwendungen. Eine der ersten 5G-Antennen befindet sich am Gebäude der Demofabrik auf dem RWTH-Campus. In dieser Fabrik gibt es zum Beispiel ein Lagersystem mit rund hundert Boxen. In jeder Box befinden sich Schrauben einer bestimmten Größe und sie ist mit einem digitalen Bestellsystem verbunden. Das klassische 3G und die LTE-Vernetzung stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Die Technologie 5G kann gut tausendmal mehr Geräte anbinden und es gibt tausend- bis zehntausendmal mehr Möglichkeiten, Objekte zu verbinden. Nachdem die Connectivity hergestellt ist, gibt es weitere Fragen, zum Beispiel zu den Themen Datenanalyse oder Internet-of-Things-Plattformen.

In der Demo-Fabrik kann das Center zeigen, wie Unternehmen schnell eine Einzelapplikation realisieren können. Andererseits bildet es zusammen mit seinen Partnern die gesamte Servicekette ab: Die Sensorik erfasst Daten und ein System bietet auf Basis dieser Daten eine Predictive-Analytics-Funktion. Die Servicekette geht weiter über das Asset-Management, den konkreten, automatisch ausgelösten Service-Auftrag und Remote-Services bis hin zu Augmented Reality.

Ein sehr einfaches Beispiel war eine analoge Stanzmaschine, für die erst einmal Konnektivität hergestellt werden musste. Der eigentliche Use Case im Sinne von Visualisierung war ein Dashboard, mit dem die gezählten Stanzvorgänge angezeigt wurden. Die Elemente ähneln Smart Services: Daten erfassen, Daten übertragen und sie auf einer Plattform darstellen. Ziel des Centers Smart Services ist es, innerhalb von kurzer Zeit – maximal in etwa acht Wochen – vernetzte Services zu realisieren. Dank der Technologiepartner und der Infrastruktur am Center kann die Entwicklung auch wesentlich schneller geschehen, abhängig von den Voraussetzungen im Auftrag gebenden Unternehmen. Der Wert der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit besteht darin, dass weitere Lösungen entwickelt werden, wenn die erste verworfen wird.

„Lange Projektlaufzeiten sind falsch. Es kommt darauf an, sehr schnell auch kleinere Ergebnisse in kurzzyklischen Projekten zu entwickeln und diese dann auszuprobieren.“ (Philipp Jussen, Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen im Smarter Service Talk)

Daten zu teilen schafft mehr Wert, als sie zu behalten

Die typischen Problemstellungen von Unternehmen orientieren sich entlang des Weges, den die Daten nehmen. Das beginnt mit grundlegenden technischen Fragen, in welcher Frequenz Daten zu erfassen sind und welche Datenmenge sich daraus ergibt, die übertragen werden muss. Dann sind operative Fragen zu klären, etwa die des richtigen Digital-Analog-Wandlers. Es mündet dann in Fragestellungen, wie der Kundennutzen kommuniziert werden kann und wie die Vertragsgestaltung mit dem Kunden aussehen muss: Warum hat der Kunde unseres Auftraggebers einen Vorteil davon, wenn er ihm seine Daten zur Verfügung stellt?

SmartSite – Vernetzung von Maschinen, Baustellen und Leitsystemen im Straßenbau

SmartSite entwickelt hocheffiziente, offene und flexible Plattformen für intelligente autonome Baumaschinen, intelligente autonome Baustellennetze und die intelligente Bauprozesssteuerung. Das Hauptaugenmerk liegt auf einem Fahrerassistenzsystem für die Walzenfahrer. Das Verfahren erfasst die logistisch relevanten Daten – wie die Geschwindigkeit des Lastwagens und des Fertigers – und speichert sie in einer Cloud-Lösung. Dabei werden die Daten aller beteiligten Unternehmen intergiert. Das gewährleistet eine Ankunft des Materials Just-in- Time. Der Vorteil: Kürzere Bauzeiten und langlebigere Straßen von besserer Qualität.

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Sobald ein Unternehmen seinen Kunden zeigen kann, dass die Verwertung von Daten einen sehr großen Nutzen für ihn hat, rücken Themen wie Sensibilität von Daten oder Gefahr des Datenverlustes in den Hintergrund. Ein Beispiel: Vor zwei Jahrzehnten war es undenkbar, dass Krankenhäuser Daten aus hochsensiblen Krankenakten rausgeben würden. Heute gibt es Expertenplattformen, auf denen sich Mediziner über konkrete Fälle austauschen. Man hat erkannt, dass es wertvoller ist, Daten zu teilen, als sie für sich zu behalten.

Zudem verändert bereits die Sichtbarkeit von Daten den Umgang mit dem Produkt. Die Daten zu sehen, ist vergleichbar mit einem objektiven Feedback für das Unternehmen. Deutlich geworden ist das im Verhalten von Stromkunden, das im Rahmen von Smart-Home-Studien untersucht wurde. Einspareffekte ließen sich weniger auf die Technologie selbst zurückführen, sondern auf das Erkennen des Stromverbrauchs und dessen Kosten. Erst die Sichtbarkeit hat die Verhaltensänderung bewirkt. Bei einer Maschine ist das ähnlich. Daten legen die Art und Weise der Nutzung offen und sorgen für objektivere Entscheidungen.

Ein zweiter wichtiger Aspekt neben dem Nutzen ist die Möglichkeit, ein Erlebnis für den Kunden zu erzeugen. Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer im hochpreisigen Segment etwa zielen darauf ab, dass ihre Produkte so etwas wie Statussymbole sind. DMG Mori zum Beispiel hat einen Anspruch an das Design seiner Produkte, der mit Apple vergleichbar ist.

Diesem Anspruch wird das Unternehmen auch beim Servicedesign gerecht und wurde vom FIR vor zwei Jahren im Rahmen einer Benchmarking- Studie ausgezeichnet. Das Unternehmen agiert professionell und bietet nicht einfach nur Nutzen, sondern ein besonderes Design, zum Beispiel am Bedienpult einer Maschine. Wie groß der Anteil ist, den dieses Erlebnis bei der Kaufentscheidung hat, lässt sich in Prozentpunkten nicht ausdrücken. Klar ist aber, dass es dem Unternehmen gelingt, sich dadurch erfolgreich zu differenzieren.

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